Die Arbeitgeberrolle einfach auslagern: Geht das?

Wenn ein Arbeitskräfteüberlasser bloß die Zahlstelle für das Gehalt von Mitarbeitern ist, aber sonst nichts mitzureden hat: Gilt er dann überhaupt noch als Dienstgeber? Das hatte der Oberste Gerichtshof zu entscheiden.

Wien. Angestellt oder selbstständig? Das kann zur Streitfrage werden – speziell, wenn es um nach Zeit bezahlte Dienstleistungen geht. Noch komplizierter wird es, wenn zwei Unternehmen im Spiel sind: eines, auf dessen Gehaltsliste man proforma steht. Und ein weiteres, für das man tatsächlich arbeitet.

Payrolling nennt man solche Konstrukte, und sie kommen immer häufiger vor. Das sei schon ein eigener Geschäftszweig, sagt Rechtsanwalt Horst Lukanec, Partner bei Binder Grösswang. Der Arbeitskräfteüberlasser fungiert dabei nur als Zahlstelle, sämtliche sonstigen Arbeitgeberfunktionen – so es solche gibt – liegen de facto beim Beschäftiger. Unternehmen lagern damit den administrativen Aufwand einer Anstellung aus, oft geht es ihnen auch darum, Konzernvorgaben für den Personalstand einzuhalten. Bei bloß befristeten Tätigkeiten wird besonders oft auf Payrolling zurückgegriffen. Aber wie stellt es sich rechtlich dar? „In der Literatur ist das umstritten“, sagt Lukanec. Selbst wenn das Vorliegen eines Dienstvertrages außer Streit steht, gibt es Zweifel, wer juristisch gesehen der Arbeitgeber ist: der Überlasser, wie beim „normalen“ Personalleasing – oder das Beschäftigerunternehmen.

Eine bloße Formalität? Nicht, wenn es strittige Ansprüche gibt, die der Beschäftigte einklagt. Ein solcher Fall schaffte es kürzlich bis zum OGH, der nun klarstellte: Payrolling kann tatsächlich Arbeitskräfteüberlassung sein.

Beschäftiger bestimmt alles

Was war passiert? Eine Frau war auf Basis eines fixen Stundensatzes für ein Projekt engagiert worden, das Vertragsverhältnis lief unter der Bezeichnung „Auftrag“. Ihr Vertragspartner war aber nicht der Projektbetreiber, das war eine andere Firma, mit der ihr „Auftraggeber“ ebenfalls in einem Vertragsverhältnis stand: Er stellte ihr gegen Aufwandsersatz Personal zur Verfügung. Diese andere Firma war es auch, die intern alle Fäden in der Hand hatte: Sie wählte das Personal aus, gab die Vertragsinhalte vor und entschied über Kündigungen. Als Vertragspartnerin der Beschäftigten auftreten wollte sie aber nicht.

Die Frau hatte am Projektstandort einen fixen Arbeitsplatz und arbeitete etwa 40 Stunden pro Woche. Sie hatte Anwesenheitspflichten, musste ihre Urlaube abstimmen – bezahlt wurden diese freilich nicht. Als das Projekt beendet wurde, kündigte der Überlasser die Verträge mit den Mitarbeitern auf. Daraufhin klagte ihn die Frau auf Urlaubsentgelt und Kündigungsentschädigung: Sie sei in Wahrheit bei ihm angestellt und Leiharbeitnehmerin gewesen.

Die beiden Unterinstanzen meinten, sie hätte den Falschen verklagt: Payrolling sei eine Art „arbeitsrechtliche Treuhandkonstruktion“, heißt es in der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Wien (OLG). Deshalb sei nicht der Überlasser, sondern der Beschäftiger als Dienstgeber anzusehen.

Das Höchstgericht kam zum gegenteiligen Schluss: Auch das Payrolling, bei dem der Überlasser sich faktisch auf die Aufgaben einer Verrechnungsstelle beschränkt und der Beschäftiger fast alle Arbeitgeberfunktionen übernimmt, „kann grundsätzlich Arbeitskräfteüberlassung sein“, heißt es in der Entscheidung (8ObA51/17h). Auf die interne Verteilung der Verantwortungsbereiche zwischen Überlasser und Beschäftiger komme es nicht an. Bloße Arbeitsvermittlung liege dagegen dann vor, „wenn ein Arbeitsverhältnis gerade nicht mit dem Vermittler selbst, sondern mit einem Dritten zustandekommen soll“. Ein wichtiges Abgrenzungsmerkmal sei demnach, wer das Entgelt bezahlt: „Wenn sich der Überlasser im eigenen Namen gegenüber dem Arbeitnehmer zur Entgeltzahlung verpflichtet, dann übernimmt er Pflichten und Risiken des Arbeitgebers“, so der OGH. Von bloßer Arbeitsvermittlung könne dann keine Rede sein.

Keine Erfolgsgarantie

Die Klägerin hat ihre Ansprüche also zu Recht gegen jene Firma geltend gemacht, die formal ihr Vertragspartner war. Für Arbeitnehmer in ähnlichen Situationen schafft das nun immerhin Klarheit.

Allerdings heißt das noch nicht, dass in jedem derartigen Fall eine Klage auch tatsächlich Erfolg haben muss. „Ob man wirklich Dienstnehmer ist – und nicht bloß ein freier Dienstvertrag vorliegt – hängt von der Art der Beschäftigung ab“, sagt Lukanec. Und da kommt es dann doch wieder darauf an, wie sich der Arbeitsalltag im Beschäftigerbetrieb abspielt. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2018)


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