"Speeches of Note"
Kennen Sie die nie gehaltene Rede der Queen - zum Dritten Weltkrieg?
Meghan Markle über die Notwendigkeit, Feministin zu sein, Nick Cave über das Liebeslied, Königin Elizabeth II. über den Atomkrieg: Auch die jüngere Geschichte hat bewegende Worte zu bieten.

Reden können die Welt verändern. Auch die jüngere Vergangenheit hat große Reden hervorgebracht - genauso, wie vergangene Jahrhunderte noch so manchen Schatz zu bieten haben. In dem Buch "Speeches of Note - Reden, die die Welt veränderten" sammelte der Brite Shaun Usher erstaunliche Redetexte - manche sind beinah unbekannt, manche unerwartet, alle sind sie fesselnd. Was sagt ein junger Mann auf seinem Weg zur Todesstrafe? Was gibt eine britische Königin ihren Soldaten 1588, was 1983 mit auf den Weg? Verrät Virginia Woolf ihr Erfolgsgeheimnis in einer von Männern dominierten Welt? Was sagt eine bald weltberühmte Schauspielerin namens Meghan Markle über Feminismus? Und was erzählt ein junger Harold Pinter über seine Schreibe? Usher sammelte diese Texte - und viele mehr. Hier finden Sie Eindrücke mancher dieser Reden.
(c) imago/Starface (Papixs / Starface)

"Lasst uns zu unseren Büchern und zu unseren Stiften greifen. Sie sind unsere stärksten Waffen. Ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift können die Welt verändern. Bildung ist die einzige Lösung. Bildung zuerst." Malala Yousafzai hielt 2013, an ihrem 16. Geburtstag, im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York City eine Rede, die um die Welt ging. Neun Monate davor war in einem Schulbus in Pakistan ein Taliban eingestiegen, hatte sich nach Yousafzai erkundigt und ihr ins Gesicht geschossen - weil sie über das Leben und die mangelnde Bildung unter den Taliban geschrieben hatte. Sie erhielt später den Friedensnobelpreis. Diese Aufnahme zeigt sie bei einer Rede im Jahr 2014.
(c) REUTERS (Andrea De Silva)

"Norweger bestellen die Felder und fangen Fisch. Norweger forschen und lehren. Norweger sind begeisterte junge Menschen – und weise alte Menschen. Norweger sind alleinstehend, geschieden, Familien mit Kindern und alte Ehepaare. Norweger sind Mädchen, die Mädchen lieben, Jungs, die Jungs lieben, und Mädchen und Jungs, die einander lieben. Norweger glauben an Gott, Allah, das Universum und nichts. Norweger mögen Grieg und Kygo, die Hellbillies und Kari Bremnes. Mit anderen Worten: Norwegen, das bist Du. Norwegen, das sind wir." König Harald von Norwegen hielt diese Rede 2016, in einer Zeit, in der die Migrationsdebatte am kräftigsten tönte: Er berief sich darin ausschließlich auf Integration und Akzeptanz. Die Aufzeichnung der Ansprache fand binnen Stunden ihren Weg um die Welt. Im Bild zu sehen ist der König bei der nordischen Ski-WM 2019 in Seefeld mit den norwegischen Sportlerinnen Ingvild Flugstad Oestberg (l.) und Therese Johaug (r.) sowie seiner Frau Königin Sonja (2. v. l.).
GEPA pictures

"In gewisser Weise ist die Gleichgültigkeit gegenüber diesem Leiden das, was den Menschen unmenschlich macht. Gleichgültigkeit ist letztlich gefährlicher als Zorn und Hass. Zorn kann mitunter schöpferisch sein. Man schreibt ein großartiges Gedicht, eine großartige Symphonie, man leistet einen besonderen Beitrag im Sinne der Menschlichkeit, weil man sich über das Unrecht ärgert, dessen Zeuge man wird. Gleichgültigkeit dagegen ist nie schöpferisch. Selbst Hass kann manchmal eine Reaktion auslösen. Man kämpft gegen ihn an. Man schmäht ihn. Man entwaffnet ihn. Gleichgültigkeit löst keinerlei Reaktion aus. Gleichgültigkeit ist keine Reaktion. Gleichgültigkeit ist kein Anfang, sondern ein Ende." Elie Wiesel hielt 1999 eine Ansprache mit dem Titel "Die Gefahren der Gleichgültigkeit" im Weißen Haus in Washington, D. C., damals der Amtssitz des Präsidentenpaares Bill Clinton und Hillary Rodham Clinton (im Bild). Wiesel, geboren in Rumänien, war als Jugendlicher mit seiner Familie in das Konzentrationslager Auschwitz der Nationalsozialisten gekommen. Er entkam dem Holocaust. Wiesel wurde Journalist und Schriftsteller. 1968 erhielt er den Friedensnobelpreis für sein politisches Engagement.
(c) REUTERS (Win McNamee)

"Es geht einfach nicht anders: Frauen brauchen einen Platz am Tisch, sie brauchen eine Einladung an diesen Tisch, und wenn das nicht möglich ist, dann, wissen Sie was, dann müssen sie sich eben ihren eigenen Tisch bauen. Es muss weltweit Einigkeit darüber herrschen, dass wir den Wandel ohne die politische Mitwirkung der Frauen nicht wirksam durchsetzen können. Man sagt, dass Mädchen, die träumen, Frauen mit Vision werden. Verhelfen wir uns gegenseitig dazu, solche Visionen umzusetzen." Die US-amerikanische Fernsehschauspielerin Meghan Markle hielt diese Rede 2015 bei einer Konferenz der UN-Frauenorganisation, für die sie sich engagierte. Markle wurde 2018 durch ihre Hochzeit mit dem britischen Prinzen Harry von Wales zur Herzogin von Sussex. Sie arbeitet weiterhin für feministische Causen.
(c) REUTERS (POOL New)

"Ich rate Ihnen dringend, so unbesonnen zu sein, wie Sie es nur wagen. Sei kühn, sei kühn, sei kühn. Lesen Sie weiter. (Gedichte. Und Romane von 1700 bis 1940.) Lassen Sie den Fernseher aus. Und wenn Sie sich eines Tages sagen hören, dass Sie keine Zeit mehr zum Lesen haben – oder zum Musikhören, fürs Kino oder womit Sie auch immer gern Ihren Geist füttern –, dann wissen Sie, dass Sie alt werden. Und das heißt, am Ende haben sie Sie doch noch gekriegt." Susan Sontag, Autorin und Menschenrechtsaktivistin, gab 1983 diesen Rat den Absolventen des Wellesley College im US-Bundesstaat Massachusetts mit.
(c) imago/Leemage (imago stock&people)

"(E)in Liebeslied ist nie einfach nur fröhlich. Es muss die Erfahrung des Schmerzes bereitwillig annehmen und sie umarmen. Lieder über die Liebe, die nicht auch ein gepeinigtes Stöhnen oder einen tiefen Seufzer zum Ausdruck bringen, sind im Grunde keine Liebeslieder, sondern Hasslieder, die sich als Liebeslieder tarnen und denen man nicht über den Weg trauen sollte." Nick Cave, australischer Musiker, erklärte 1998 an der "Schule für Dichtung" in Wien, was Liebeslieder ausmacht. Dieser Auszug stammt aus einer Rede, die Cave ein Jahr später in London geben sollte - und die eine leicht abgewandelte Version der ersten Rede darstellt. Dieses Foto zeigt den Musiker im Jahr 2000 in Berlin.
(c) imago/Seeliger (imago stock&people)

"Du hast ganz einfach (...) die Seitenwege geebnet und uns auf solch ungewöhnliche und exzentrische Weise begleitet. Mit großer Verbundenheit. Du hast uns an dich gezogen, deinen Arm um uns gelegt und uns gewärmt, wie du es nun schon seit – so kommt es mir vor – Jahrhunderten tust." Tilda Swinton, schottische Schauspielerin, eröffnete 2013 eine Ausstellung im Londoner Victoria & Albert Museum über ihren guten Freund, den englischen Musiker David Bowie, mit einer Rede über ihn. 300.000 Menschen sollten die Ausstellung schließlich sehen. Bowie, gebürtig David Jones, verstarb knappe drei Jahre später im Jänner 2016.
(c) REUTERS (Stephane Mahe)

"Wir alle wissen, dass uns niemals zuvor in unserer langen Geschichte eine größere Gefahr begegnet ist als heute. Der Feind ist weder der Soldat mit seinem Gewehr noch der Pilot, der über unseren Städten und Ortschaften am Himmel kreist, sondern die tödliche Macht missbrauchter Technologie." Königin Elizabeth II. von Großbritannien hielt diese 1983 für sie vorbereitete Rede nie. Gedacht war sie als Rede an die Nation, die im Kriegsfall zu Mittag hätte ausgestrahlt werden sollen. 1983 - die Königin ist hier auf einer Aufnahme aus diesem Jahr zu sehen - hatten sich die Beziehungen zwischen dem Westen und der Sowjetunion derartig verschlechtert, dass auch im Vereinigten Königreich der Ernstfall geübt wurde.
(c) imago/Danita Delimont (imago stock&people)

"Ein leeres Blatt ist eine aufregende und beängstigende Sache zugleich. Es ist der Anfang. Danach folgen noch zwei weitere Phasen im Entstehen eines Stückes: die Probenzeit und die Aufführung. Ein Theaterautor wird während dieser Phasen immer viele wertvolle Dinge aus der aktiven und intensiven Erfahrung am Theater mitnehmen. Aber am Ende sitzt er wieder da und starrt auf das leere Blatt. Und auf diesem Blatt ist etwas oder auch nichts. Man weiß es nicht, bevor man es vollgeschrieben hat. Und es gibt auch keine Garantie, dass man es danach wissen wird. Aber es lohnt sich immer, es zu versuchen." Harold Pinter, britischer Autor, war freilich ein Mann der Worte. Auch diese Rede, die er 1962 bei einem Theaterfestival hielt, zeugt davon. Damals war Pinter 31 Jahre alt; im Bild zu sehen ist er im Jahr 2005. Bis zu seinem Tod im Jahr 2008 schrieb Pinter.
(c) REUTERS (Kieran Doherty)

Die geballte Vielfalt der Reden findet sich im Buch "Speeches of Note - Reden, die die Welt veränderten", gesammelt von Shaun Usher. Der Band präsentiert die oft überraschenden, oft überraschend berührenden Reden in ihrer Gesamtheit - und zeigt daneben auch Manuskripte, Vorlagen und Originalfotos. Die Reden wurden von verschiedenen Übersetzern ins Deutsche übertragen, um die Buntheit der Rednerstimmen einzufangen. Zusätzlich zum Buch gibt es am 26. März im Rahmen der LitCologne eine Großveranstaltung, bei der Prominente wie Anke Engelke, Gregor Gysi, Benno Fürmann und Gerd Köster Reden aus dem Buch vortragen. "Speeches of Note", Hrsg. Shaun Usher. Auf Deutsch erschienen am 11. März 2019 bei Heyne Encore. 400 Seiten. Preis: 36 Euro.