Das Amt hinter der Tapeten-Tür

hinter TapetenTuer
hinter TapetenTuer(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Präsidentschaftswahlkampf bot eine überraschende Grundsatzdebatte zum Thema "Weißwählen". Der Präsident und seine Funktion im Staat blieben unhinterfragt.

Ein eigenartiger Wahlkampf war das. Der großzügige Verzicht der Volkspartei auf einen Präsidentschaftskandidaten gab den Blick auf Politikfelder frei, die in Österreich seit Jahrzehnten brachlagen. Man diskutierte doch, zumindest in der Schlussphase, tatsächlich über eine Grundsatzfrage: Muss ein Bürger, der keinen der zur Wahl stehenden Kandidaten ausreichend überzeugend findet, das „kleinere Übel“ wählen? Oder ist es legitim, durch die Abgabe einer ungültigen Stimme zu demonstrieren, dass man von seinem Wahlrecht Gebrauch machen, aber niemanden wählen will, der einen nicht wirklich überzeugt?
Er muss natürlich gar nichts, der Bürger. Es herrscht ja nicht einmal Wahlpflicht an diesem Sonntag. Damit signalisiert der Gesetzgeber eigentlich so etwas wie Grundvertrauen in die Eigenverantwortung der Staatsbürger. Aber in einem Staat, in dem Politik ohne Bevormundung einfach nicht denkbar ist, sind die Moralonkelarmeen für außerparlamentarische „Muss“-Feldzüge schnell mobilisiert. „Weiß“ zu wählen komme einer Verharmlosung des Rechtsextremismus gleich, erklärte die grüne Korrektheitsadmiralität. Fischer sei noch unwählbarer als die aus dem rechtsextremen Milieu kommende FPÖ-Kandidatin Barbara Rosenkranz und der Kaderkatholik Rudolf Gehring, knirschen die magenfaltigen Sozenfresser.
„Wählbar“ oder „unwählbar“: Das Begriffspaar steht für die vollkommen absurde Moralisierung von allem und jedem, die politische Diskussionen in Österreich annähernd unmöglich gemacht hat.
Natürlich sind alle drei Kandidaten wählbar: Wer Heinz Fischer wählt, signalisiert, dass für ihn eine fehlerfreie Amtsführung und die problemlose Abwicklung eines durchschnittlichen Staatsbesuchsprogramms schwerer wiegen als eine vom Widerspruch zwischen Opportunismus und Moralpathos geprägte Berufsbiografie. Wer Barbara Rosenkranz wählt, signalisiert, dass sein Bedürfnis, es dem politischen Establishment „einmal zu zeigen“, größer ist als seine Berührungsangst mit dem Rechtsextremismus. Und wer Rudolf Gehring wählt, zeigt, dass ihm mehr an einer Durchdringung des öffentlichen Lebens mit religiösen Vorstellungen und Praktiken liegt als an professioneller Politik.
Alle drei Haltungen sind vollkommen legitim. Genau so legitim ist es, der Wahl aus Mangel an Interesse fernzubleiben oder mit einer ungültigen Stimme den Protest über ein nicht ausreichendes Angebot von Kandidaten zum Ausdruck zu bringen. Die „Muss“-Prediger der letzten Tage sind das Problem, als dessen Lösung sie sich anpreisen: Nicht die Rosenkranz-, Gehring-, Weiß- und Nichtwähler gefährden die Demokratie, sondern jene, die meinen, sie könnten herumstreunende Korrektheitsdeserteure mit der Moralkeule erschlagen.

Was soll das Amt können?


An jede der beschriebenen Haltungen könnte und müsste sich eine inhaltliche Debatte über die Gestaltung der politischen Institutionen anschließen: Ist die Funktion, die da zur Wahl steht, noch zeitgemäß? Wie passt sie ins Institutionengefüge der Republik? Bedürfte die politische Architektur des Landes nicht ohnehin einer Generalsanierung? Was kann das Amt hinter der roten Tapetentür, und was soll es in Zukunft können?
Bürger, die sich solche Fragen stellen, werden von allen Parteien und auch von allen drei zur Wahl stehenden Präsidentschaftskandidaten vollkommen alleingelassen. Wer sich von den provinziellen parteitaktischen Manövern der Regierung und von der hohlen Wertephrasendrescherei der Hofburgkandidaten abwendet, wird nun auch noch als Antidemokrat beschimpft.
Kaum auszudenken, welches Risiko das wäre, wenn es am Sonntag wirklich um etwas ginge.

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