Die aussichtsreichsten Kandidaten für den EU-Kommissionspräsidenten

Die Europäische Union sucht eine neue Führungsspitze - und das Kandidatenkarussell gewinnt an Fahrt. Zuerst geht es um den Nachfolger des Luxemburgers Jean-Claude Juncker (im Bild) als Präsidenten der Europäischen Kommission.
Einige Kandidaten haben selbst die Hand gehoben. Über andere Namen wird immer wieder spekuliert. Ein Überblick.

Der CSU-Politiker aus Niederbayern ging 2004 aus dem bayerischen Landtag nach Brüssel, als seine Partei noch eher EU-skeptisch auftrat. Er versteht sich als Brückenbauer, Parteifreunde nennen ihn auch Drahtzieher. 2014 wurde Weber Fraktionschef der EVP und 2018 Spitzenkandidat für die Europawahl. Da die EVP am Sonntag trotz herber Verluste wieder stärkste Partei im Europaparlament wurde, sieht sich Weber als Favorit auf Junckers Posten.
Er hat aber mächtige Gegner, darunter Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, der die Auswahl nicht auf die Spitzenkandidaten der Parteien beschränken will. Dass Weber aus dem größten Mitgliedsland kommt, hilft nicht unbedingt. Seit den 1960er Jahren wurde kein Deutscher mehr Kommissionschef, auch wegen der Machtbalance in der EU.

Der Niederländer präsentierte sich im Wahlkampf als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten unter anderem im deutschen Fernsehen in Duellen mit Weber. In makellosem Deutsch stritt er für sozialen Ausgleich und mehr Klimaschutz in Europa. Sechs weitere Sprachen beherrscht der ehemalige niederländische Außenminister ebenfalls.
Bisher ist er erster Vizepräsident der EU-Kommission und dort zuständig für Nachhaltigkeit und Rechtsstaatlichkeit. Er war das Aushängeschild des Strafverfahrens gegen Polen wegen des Umbaus der dortigen Justiz und etlicher Schritte gegen Ungarn wegen Verletzungen von EU-Standards. Das hat ihn im Kreis der EU-Staats-und Regierungschefs nicht unbedingt beliebt gemacht.

Die sozialliberale Dänin druckste im Wahlkampf lange herum. Sie war nicht Spitzenkandidatin der liberalen Parteienfamilie Alde, sondern eines der Mitglieder im "Spitzenteam". Erst am Wahlabend am Sonntag sagte sie klar: Ja, sie wolle Kommissionschefin werden. Als EU-Wettbewerbskommissarin erwarb sie sich über Parteigrenzen hinweg Anerkennung. Die Mutter von drei Kindern gilt als klar, strukturiert und unerschrocken.
Doch auch sie hat ein Problem: In ihrem Heimatland genießt sie vergleichsweise wenig Unterstützung, auch von Seiten der Regierung. Die Alde ist im Parlament nur drittstärkste Fraktion. Und die übrigen Parteien nehmen den Liberalen übel, dass sie den Spitzenkandidaten-Prozess nicht mitmachten.

In der Brüsseler Gerüchteküche werden dem rechtsliberalen Regierungschef der Niederlande sowohl Chancen auf den Kommissionschefsessel als auch auf die Nachfolge von EU-Ratspräsident Donald Tusk nachgesagt. Er selbst dementierte bisher. Klar ist aber, dass auch er kein Freund des Spitzenkandidaten-Prinzips ist. Wie Macron wirbt er dafür, dass die Staats- und Regierungschefs frei auswählen dürfen.

Als EU-Chefunterhändler in Sachen Brexit machte der konservative Franzose eine ordentliche Figur. In den Hauptstädten gilt der frühere französische Außenminister und EU-Binnenmarktkommissar nicht nur deshalb als bestens vernetzt. Macron würdigte ihn neulich freundlich. Barniers Problem: Eigentlich hat seine Parteienfamilie EVP ja den Spitzenkandidaten Weber. Chancen hätte er vielleicht als Kompromisskandidat.

Die französische Chefin des Internationalen Währungsfonds kommt immer wieder ins Spiel, wenn es um die Besetzung europäischer Spitzenposten geht. Beim britischen Wettenanbieter Ladbrokes verzeichnete sie wenige Tage vor der Wahl hinter Weber, Barnier, Timmermans und Vestager die besten Quoten. Auch hier könnte Macron eine zentrale Rolle spielen: Lagarde ist immerhin Französin.

Die Staaten der Visegrad-Gruppe (V4) (Tschechien, Slowakei, Polen, Ungarn) dürften sich für den slowakischen Vizepräsidenten der EU-Kommission, Maroš Šefčovič, starkmachen. Der 52-jährige Šefčovič hatte sich im März 2019 als parteiloser Kandidat der Regierungspartei Smer für das Amt des slowakischen Staatspräsidenten beworben. In der Stichwahl unterlag er allerdings der Juristin Zuzana Čaputová. Eventuell wären die V4 bereit, Barnier oder die Vizechefin der Weltbank, Kristalina Georgiewa, zu unterstützen, wenn im Gegenzug Šefčovič künftig zum EU-Außenbeauftragten würde, heißt es. Jednefalls ein Osteuropäer solle einen der Topjobs bekommen, erklärte der tschechische Premier Andrej Babiš.