Schwechat
Wenn eine Raffinerie zum ''Pickerl'' muss
Die sonst verlässlich dampfende Raffinerie vor den Toren Wiens steht größtenteils still. Sie ist zerlegt, hat ihr Innerstes nach außen gekehrt. Bis Ende Juni muss sie sich einer Art Jahresservice unterziehen.
![Eigentlich sieht man Walter Behr in seiner leicht verschmierten Arbeitskleidung gar nicht an, dass unter dem grünen Helm und in einen blauen Overall gehüllt einer der mächtigsten Männer Österreichs steckt. Text: Andreas WetzBilder: Clemens Fabry](https://img.diepresse.com/public/incoming/mscceh-1.jpg/alternates/FREE_1200/1.jpg)
Eigentlich sieht man Walter Behr in seiner leicht verschmierten Arbeitskleidung gar nicht an, dass unter dem grünen Helm und in einen blauen Overall gehüllt einer der mächtigsten Männer Österreichs steckt. Text: Andreas WetzBilder: Clemens Fabry
(c) Clemens Fabry
![Auch wenn Behr selbst die eigene Bedeutung herunterspielt und lieber die Arbeit seines knapp 100 Mann starken Teams in den Vordergrund stellt: Genau genommen würde ohne ihn im Land gar nichts mehr laufen. Oder besser: fahren und fliegen. Der 57-jährige Techniker ist so etwas wie der Leibarzt der heimischen Erdölindustrie.](https://img.diepresse.com/public/incoming/4mdwh8-4.jpg/alternates/FREE_1200/4.jpg)
Auch wenn Behr selbst die eigene Bedeutung herunterspielt und lieber die Arbeit seines knapp 100 Mann starken Teams in den Vordergrund stellt: Genau genommen würde ohne ihn im Land gar nichts mehr laufen. Oder besser: fahren und fliegen. Der 57-jährige Techniker ist so etwas wie der Leibarzt der heimischen Erdölindustrie.
(c) Clemens Fabry
![Als Leiter der Instandhaltung ist er dafür verantwortlich, dass die einzige Raffinerie des Landes in Schwechat zuverlässig das tut, wozu sie da ist: aus Rohöl Diesel, Benzin und andere Kraftstoffe zu destillieren. Nebenbei versorgt die 4,5 Milliarden Euro teure Anlage des Mineralölkonzerns OMV auch die chemische Industrie mit Vorläuferstoffen für alle möglichen Produkte. Zumindest dann, wenn Behr gute Arbeit macht.](https://img.diepresse.com/public/incoming/4gg9ie-2.jpg/alternates/FREE_1200/2.jpg)
Als Leiter der Instandhaltung ist er dafür verantwortlich, dass die einzige Raffinerie des Landes in Schwechat zuverlässig das tut, wozu sie da ist: aus Rohöl Diesel, Benzin und andere Kraftstoffe zu destillieren. Nebenbei versorgt die 4,5 Milliarden Euro teure Anlage des Mineralölkonzerns OMV auch die chemische Industrie mit Vorläuferstoffen für alle möglichen Produkte. Zumindest dann, wenn Behr gute Arbeit macht.
(c) Clemens Fabry
![Bis Ende Juni ist alles anders. Die sonst verlässlich dampfende und zischende Raffinerie vor den Toren Wiens steht größtenteils still. Sie ist teilweise zerlegt, hat ihr Innerstes nach außen gekehrt, riecht deshalb auch streng nach Kohlenwasserstoffen aller Art.](https://img.diepresse.com/public/incoming/8cvu87-3.jpg/alternates/FREE_1200/3.jpg)
Bis Ende Juni ist alles anders. Die sonst verlässlich dampfende und zischende Raffinerie vor den Toren Wiens steht größtenteils still. Sie ist teilweise zerlegt, hat ihr Innerstes nach außen gekehrt, riecht deshalb auch streng nach Kohlenwasserstoffen aller Art.
(c) Clemens Fabry
![Wie die Innereien eines geschlachteten Tieres liegen dieser Tage dicke und dünne Metallrohre, riesige Wärmetauscher, Kessel und Brennräume offen. Wo sonst Öl fließt, kann man nun durch die Arterien der Anlage blicken.](https://img.diepresse.com/public/incoming/cwl7e5-9.jpg/alternates/FREE_1200/9.jpg)
Wie die Innereien eines geschlachteten Tieres liegen dieser Tage dicke und dünne Metallrohre, riesige Wärmetauscher, Kessel und Brennräume offen. Wo sonst Öl fließt, kann man nun durch die Arterien der Anlage blicken.
(c) Clemens Fabry
![Dass die Maschine stillsteht, ist nicht Behrs Schuld, sondern sein Werk. Etwa die Hälfte der Raffinerie durchläuft derzeit unter seinem Kommando eine Art Jahresservice, wie man es vom Auto kennt. Wobei die Inspektion der Raffinerie gesetzlich vorgeschrieben ist und nur alle sechs Jahre stattfindet.](https://img.diepresse.com/public/incoming/eetj3n-7.jpg/alternates/FREE_1200/7.jpg)
Dass die Maschine stillsteht, ist nicht Behrs Schuld, sondern sein Werk. Etwa die Hälfte der Raffinerie durchläuft derzeit unter seinem Kommando eine Art Jahresservice, wie man es vom Auto kennt. Wobei die Inspektion der Raffinerie gesetzlich vorgeschrieben ist und nur alle sechs Jahre stattfindet.
(c) Clemens Fabry
![Und: Anstatt ein paar hundert fürs Auto kostet jenes in Schwechat 25 Millionen Euro. 2011 folgt die andere Hälfte der Anlage. Am Ende der Prozedur gibt es ein Pickerl vom TÜV und die Gewissheit, die gleiche Arbeit spätestens 2016 wiederholen zu müssen.](https://img.diepresse.com/public/incoming/z4pbnu-schild20100601105535.jpg/alternates/FREE_1200/schild20100601105535.jpg)
Und: Anstatt ein paar hundert fürs Auto kostet jenes in Schwechat 25 Millionen Euro. 2011 folgt die andere Hälfte der Anlage. Am Ende der Prozedur gibt es ein Pickerl vom TÜV und die Gewissheit, die gleiche Arbeit spätestens 2016 wiederholen zu müssen.
(c) Clemens Fabry
![Zwei lange Jahre haben sich Behr und seine Mannschaft auf den großen „Shutdown“ (so die interne Bezeichnung für den Stillstand) vorbereitet. Dazu wurden aus aller Welt 1800 zusätzliche Experten angeheuert, die der Raffinerie mit schwerem Gerät zu Leibe rücken. Ein internationaler Wanderzirkus, der von Anlage zu Anlage tingelt und dieser Tage fast alle Gästezimmer der Region füllt.](https://img.diepresse.com/public/incoming/x0ugh5-11.jpg/alternates/FREE_1200/11.jpg)
Zwei lange Jahre haben sich Behr und seine Mannschaft auf den großen „Shutdown“ (so die interne Bezeichnung für den Stillstand) vorbereitet. Dazu wurden aus aller Welt 1800 zusätzliche Experten angeheuert, die der Raffinerie mit schwerem Gerät zu Leibe rücken. Ein internationaler Wanderzirkus, der von Anlage zu Anlage tingelt und dieser Tage fast alle Gästezimmer der Region füllt.
(c) Clemens Fabry
![Der Aufwand ist enorm. Das Gelände der Raffinerie umfasst 1,42 Quadratkilometer und ist damit fast genauso groß wie der sechste Wiener Gemeindebezirk.](https://img.diepresse.com/public/incoming/mcjq7q-8.jpg/alternates/FREE_1200/8.jpg)
Der Aufwand ist enorm. Das Gelände der Raffinerie umfasst 1,42 Quadratkilometer und ist damit fast genauso groß wie der sechste Wiener Gemeindebezirk.
(c) Clemens Fabry
![Zerlegt und gereinigt werden hunderte Kilometer Leitungen, eine Turbine, drei Verdichter, zwölf Prozessöfen, 30 Kolonnen, 341 Behälter, 376 Wärmetauscher, 620 Sicherheitsventile und 2100 Armaturen. Das Schmutzwasser, das dabei anfällt, ist Sondermüll, muss vorgereinigt werden und läuft erst dann über einen eigenen Kanal ins örtliche Abwassersystem.](https://img.diepresse.com/public/incoming/lahc31-10.jpg/alternates/FREE_1200/10.jpg)
Zerlegt und gereinigt werden hunderte Kilometer Leitungen, eine Turbine, drei Verdichter, zwölf Prozessöfen, 30 Kolonnen, 341 Behälter, 376 Wärmetauscher, 620 Sicherheitsventile und 2100 Armaturen. Das Schmutzwasser, das dabei anfällt, ist Sondermüll, muss vorgereinigt werden und läuft erst dann über einen eigenen Kanal ins örtliche Abwassersystem.
(c) Clemens Fabry
![Weil die Destillationsanlage, die Behr Laien als einen überdimensionierten Schnapsbrenner erklärt, jährlich neun Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet, hat die OMV in den Monaten zuvor ihre Lager bis zum Rand gefüllt. Wenn am Ende alle 540.000 Arbeitsstunden geleistet sind, werden sie leer sein. Weshalb die gesamte Mannschaft unter Hochdruck arbeitet. Das schlechte Wetter der vergangenen Tage hat manche Arbeiten nämlich beträchtlich behindert.](https://img.diepresse.com/public/incoming/1fjbhc-speicher20100601105849.jpg/alternates/FREE_1200/speicher20100601105849.jpg)
Weil die Destillationsanlage, die Behr Laien als einen überdimensionierten Schnapsbrenner erklärt, jährlich neun Millionen Tonnen Rohöl verarbeitet, hat die OMV in den Monaten zuvor ihre Lager bis zum Rand gefüllt. Wenn am Ende alle 540.000 Arbeitsstunden geleistet sind, werden sie leer sein. Weshalb die gesamte Mannschaft unter Hochdruck arbeitet. Das schlechte Wetter der vergangenen Tage hat manche Arbeiten nämlich beträchtlich behindert.
(c) Clemens Fabry
![Am Rad durch die Raffinerie. Die Wege zwischen den einzelnen Arbeitsorten sind teilweise so weit, dass hunderte Arbeiter und Ingenieure leise, CO2-neutral und damit umweltfreundlich mit Fahrrädern über das Areal rollen. Die entsprechenden Abstellplätze sind besser gefüllt als vor der Universität in der City.](https://img.diepresse.com/public/incoming/4k8se-rad20100601105921.jpg/alternates/FREE_1200/rad20100601105921.jpg)
Am Rad durch die Raffinerie. Die Wege zwischen den einzelnen Arbeitsorten sind teilweise so weit, dass hunderte Arbeiter und Ingenieure leise, CO2-neutral und damit umweltfreundlich mit Fahrrädern über das Areal rollen. Die entsprechenden Abstellplätze sind besser gefüllt als vor der Universität in der City.
(c) Clemens Fabry
![Für weniger Sportliche pendelt alle 15 Minuten ein Linienbus zwischen den Schauplätzen. Es sind die kleinen Details, die den studierten Maschinenbauer stolz auf das Projekt machen. „Jedes Stück, das wir von der Anlage demontieren, bekommt einen Chip und wird registriert.“ Das hat den Sinn, dass erstens nichts verloren geht und zweitens alles wieder dorthin gelangt, wo es hingehört.](https://img.diepresse.com/public/incoming/9tahnk-bus20100601110145.jpg/alternates/FREE_1200/bus20100601110145.jpg)
Für weniger Sportliche pendelt alle 15 Minuten ein Linienbus zwischen den Schauplätzen. Es sind die kleinen Details, die den studierten Maschinenbauer stolz auf das Projekt machen. „Jedes Stück, das wir von der Anlage demontieren, bekommt einen Chip und wird registriert.“ Das hat den Sinn, dass erstens nichts verloren geht und zweitens alles wieder dorthin gelangt, wo es hingehört.
(c) Clemens Fabry
![Wo Behr hingehört, steht für jeden, der länger mit ihm spricht, außer Zweifel: Er fühlt sich als Vater der Anlage, die Raffinerie ist gewissermaßen sein Kind. Seit 30 Jahren kümmert er sich schon um sie, hat viele Zu- und Umbauten geplant und miterlebt, ist gemeinsam mit ihr älter geworden.](https://img.diepresse.com/public/incoming/3gs6pg-5.jpg/alternates/FREE_1200/5.jpg)
Wo Behr hingehört, steht für jeden, der länger mit ihm spricht, außer Zweifel: Er fühlt sich als Vater der Anlage, die Raffinerie ist gewissermaßen sein Kind. Seit 30 Jahren kümmert er sich schon um sie, hat viele Zu- und Umbauten geplant und miterlebt, ist gemeinsam mit ihr älter geworden.
(c) Clemens Fabry
![Seither hat sich viel verändert. Autos wie sein erster Käfer hatten 34 PS und brauchten auf 100 Kilometern 16 Liter Benzin. Behrs heutiger Wagen leistet fast zehnmal soviel und benötigt nur noch halb soviel Kraftstoff.](https://img.diepresse.com/public/incoming/sqdz8v-6.jpg/alternates/FREE_1200/6.jpg)
Seither hat sich viel verändert. Autos wie sein erster Käfer hatten 34 PS und brauchten auf 100 Kilometern 16 Liter Benzin. Behrs heutiger Wagen leistet fast zehnmal soviel und benötigt nur noch halb soviel Kraftstoff.
(c) Clemens Fabry
![Männer und Metall. Andere Dinge sind während der Jahre allerdings fast gleich geblieben. „Die Erdölindustrie ist nach wie vor männlich dominiert“, erzählt Behr. Stinkendes Rohöl, Metall und große Maschinen üben auf Frauen immer noch wenig Faszination aus. Zwar gibt es in seinem Team auch Mitarbeiterinnen, die befinden sich jedoch in der absoluten Unterzahl.](https://img.diepresse.com/public/incoming/145pa7-rohoel20100601110318.jpg/alternates/FREE_1200/rohoel20100601110318.jpg)
Männer und Metall. Andere Dinge sind während der Jahre allerdings fast gleich geblieben. „Die Erdölindustrie ist nach wie vor männlich dominiert“, erzählt Behr. Stinkendes Rohöl, Metall und große Maschinen üben auf Frauen immer noch wenig Faszination aus. Zwar gibt es in seinem Team auch Mitarbeiterinnen, die befinden sich jedoch in der absoluten Unterzahl.
(c) Clemens Fabry
![Ebenfalls unverändert ist die Abhängigkeit der Welt vom Öl. Das weiß auch Behr. „Ohne uns geht's einfach nicht“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Noch nicht. Der nächste „Shutdown“ in Schwechat kommt bestimmt.](https://img.diepresse.com/public/incoming/1t04ek-13.jpg/alternates/FREE_1200/13.jpg)
Ebenfalls unverändert ist die Abhängigkeit der Welt vom Öl. Das weiß auch Behr. „Ohne uns geht's einfach nicht“, sagt er nicht ganz ohne Stolz. Noch nicht. Der nächste „Shutdown“ in Schwechat kommt bestimmt.
(c) Clemens Fabry