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Neue Impulse für die Wiener Börse

©Richard Tanzer
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Round Table. Kapitalmarktexperten sind sich einig: Um das Interesse für den heimischen Aktienmarkt wieder anzukurbeln, brauche es weitreichende Maßnahmen, von steuerlichen Anreizen hin zur breiten Finanzbildung.

Die Wiener Börse kann heuer auf ein durchaus erfreuliches Jahr zurückblicken. Immerhin gab es mit Marinomed Biotech AG, Frequentis AG sowie der Addiko Bank AG gleich drei signifikante Börsengänge, und damit mehr als an vielen anderen europäischen Handelsplätzen. Auch die Marktbewertung ist durchaus attraktiv. Allein die Dividendenrendite liegt bei knapp vier Prozent, während die Dividendenausschüttungen im Vorjahr ein Rekordhoch von rund drei Milliarden Euro erreichten. Und das bietet Anlegern angesichts der mager verzinsten Anleihen durchwegs interessante Chancen, zumal viele Dividendenzahlungen schon seit Jahren von erfolgreichen Weltmarktführern stetig ausgeschüttet werden.

Neue Impulse

Damit mehr Menschen an diesen positiven Entwicklungen teilhaben können, braucht der österreichische Aktienmarkt auch politische Impulse. Welche das sein könnten und wie eine nachhaltige Belebung erreicht werden kann, darüber diskutierten deshalb Kapitalmarktvertreter am 14. Oktober anlässlich des 30-jährigen Fondsjubiläums des RaiffeisenÖsterreich- Aktien. Zu den Diskutanten in den Räumlichkeiten der Raiffeisen Bank International am Wiener Stadtpark zählten Günther Schmitt, Fondsmanager bei der Raiffeisen KAG, Diana Neumüller-Klein, Leiterin Investor Relations der Strabag SE und Vorstandsmitglied des Cercle Investor Relations Austria (CIRA), sowie Christoph Boschan, Vorstandsvorsitzender der Wiener Börse AG. Durch den Round Table führte Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group.

Zinstief in Europa

Schmitt, der seit 2006 den Raiffeisen- Österreich-Aktien managt, beobachtet den heimischen Markt schon sehr lange. Und sieht gerade in der Zusammensetzung des ATX einen der Gründe für die verhaltene Wertentwicklung. Doch wie sieht diese aus? „Ein großes Indexgewicht entfällt auf Banken- und Versicherungen“, erklärt Schmitt. Viele dieser Konzerne stehen aufgrund des anhaltenden Zinstiefs in Europa unter Druck. Allein bei den Banken schmilzt die Zinsspanne zwischen Einlagen und Krediten deshalb zunehmend weg. Da war die jüngste Senkung des EZB-Einlagensatzes auf inzwischen -0,5 Prozent freilich wenig hilfreich.

Mehr Gefallen findet Schmitt derzeit hingegen an etablierten Industriekonzernen wie zum Beispiel dem Öl- und Gaskonzern OMV. Dieser vollziehe gerade einen Transformationsprozess, mit einem wachsenden Fokus hin zu Erdgas und der Petrochemie. Der oberösterreichische Faserhersteller Lenzing sei wiederum mit seiner nachhaltigen Zelluloseproduktion auf einem guten Weg.

Doch auch anderswo macht sich das Thema Nachhaltigkeit an der Wiener Börse durchaus positiv bemerkbar. Denn der heimische Stromproduzent Verbund gerät deshalb zunehmend in den Fokus vieler internationaler Anleger, die ihren Fokus auf Nachhaltigkeit legen. Dabei gefällt die umweltfreundliche Stromerzeugung aus Wasserkraft. Die steigende Nachfrage hatte in den vergangenen Monaten auch dem Aktienkurs der Verbund einen kräftigen Schub verpasst. Für Schmitt war das immerhin ein guter Grund, Gewinne mitzunehmen.

Bislang konnte Raiffeisen-Experte Schmitt aber auch von der besonders guten Wertentwicklung kleiner heimischer Titel profitieren. Das könnte sich in Zukunft ändern. Denn entsprechende Investments seien zuletzt zunehmend schwieriger geworden, konstatiert der Raiffeisen- Experte. Den Grund sieht Vorstandsmitglied Neumüller-Klein in der novellierten Anlegerrichtlinie „MiFID II“, die Anfang 2018 EU-weit in Kraft trat. Sie umfasst unter anderem strenge Regeln für die Erstellung und Distribution von Unternehmensanalysen der Banken und Broker. Viele Finanzhäuser haben ihre Analysetätigkeit von kleinen Unternehmen aus diesem Grund nunmehr eingestellt, da sich der Aufwand für sie nicht mehr lohne. Seither stehen kleine Firmen noch weniger im Anlegerfokus, weshalb das Handelsvolumen mit deren Aktien zunehmend schrumpft. Für Großanleger wie Fondsmanager Schmitt ist ein Investment deshalb teils kaum noch möglich.

©Richard Tanzer

Zeichen der Politik notwendig

Neumüller-Klein sieht auch die Politik gefordert. Sie habe etwa die Thematisierung des Aktienmarktes beim jüngsten Wahlkampf vermisst. „Dabei müsste die Politik ein deutliches Zeichen in diese Richtung setzen“, konstatiert Neumüller-Klein. Immerhin belegten zahlreiche Studien, dass die Wirtschaft in jenen Ländern mit einem entwickelten Aktienmarkt meist schneller wachse, der Wohlstand in den Regionen höher sei, und diese sich von Krisen rascher erholten, ergänzt der Wiener- Börse-Vorstand Boschan.

Doch wie könnten konkrete Maßnahmen zur Belebung des heimischen Aktienmarktes aussehen? Boschan verweist dazu auf wichtige Impulse, mit denen Kleinanleger verstärkt von den Vorzügen einer Aktienanlage überzeugt werden könnten. Und plädiert etwa für die Wiedereinführung der einjährigen Behaltefrist, nach jener die realisierten Kursgewinne steuerfrei lukriert werden können. Aber auch die Anhebung der Wertpapier-KESt (Kapitalertragsteuer) von 25 Prozent auf 27,5 Prozent sei nicht das richtige Signal an Kleinanleger gewesen, findet Boschan und meint: „Gut wäre es, diese wieder zu senken. Damit würde eine Aktienanlage attraktiver werden.“

Und selbst die Gesellschaftspolitik sei gefordert, betonten die Diskutanten. So könne man zum Beispiel eine Finanzbildung in die Lehrpläne integrieren und auch junge Menschen an das Thema heranführen. Letztendlich sei der mangelnde Aktienbesitz hierzulande eben eine Mentalitätsfrage, meint Raiffeisen- Fondsmanager Schmitt: „Die Österreicher haben einen sehr konservativen Zugang zu dem Thema.“ In diesem Zusammenhang verweist Schmitt auf die Möglichkeit, mittels Fondssparplan in ein Aktieninvestment einzusteigen: „So können Kleinanleger mit kleinen Summen langfristig sparen und zwischenzeitliche Kursschwankungen besser ausgleichen.“

Osteuropa-Story

Doch auch die Entwicklungen in Osteuropa sind wichtige Aspekte. Viele heimische Firmen hatten schon vor Jahrzehnten Fuß in der Region gefasst und vom Aufschwung kräftig profitiert, was sich auch auf dem heimischen Aktienmarkt deutlich widerspiegelte. Im Zuge der Finanzkrise mussten weltweit viele Börsen starke Einbrüche in Kauf nehmen, so auch die Wiener Börse. Doch die meisten dieser Verluste sind inzwischen längst wieder aufgeholt. Das zeigt sehr deutlich, dass Langfristigkeit ein wichtiges Kriterium beim Veranlagen ist. Auch in Osteuropa hat sich das Blatt längst wieder ins Positive gewendet. Das werde jedoch vor allem von internationalen Anlegern zu wenig wahrgenommen, monierten die Marktexperten einhellig. „Dabei wächst die Wirtschaft in Osteuropa gut doppelt so stark wie jene im Westen. Die Strabag profitiert derzeit zum Beispiel vom Aufholbedarf bei der Infrastruktur in zahlreichen Ländern“, ergänzt Neumüller-Klein. Auch andere heimische Unternehmen verspürten positiven Rückenwind in der Region.

Plädoyer für heimische Aktien

In diesem Zusammenhang verweist Boschan auch auf die wichtige Brückenfunktion der Wiener Börse: „Anleger können auf die Entwicklung in Osteuropa mit heimischen Aktien setzen und profitieren zugleich von der Infrastruktur einer modernen Börse.“ Schließlich gebe es an der Wiener Börse eine klare Rechtssicherheit, faire Spielregeln aufgrund des sogenannten Governance Code sowie eine hohe Transparenz. Jedenfalls sollten heimische Aktien in keinem gut diversifizierten Europaportfolio fehlen, betont Boschan. Immerhin könnten heimische Firmen mit zahlreichen Nischenprodukten erfolgreich punkten. Und welche Risiken gibt es? Der globale wirtschaftliche Abschwung ist derzeit das realste Risiko. Sollte sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China weiter verschärfen, könnten die Aktienmärkte unter Druck geraten.

Doch schon für das kommende Jahr gibt sich Schmitt angesichts des US-Präsidentschaftswahlen zuversichtlich. „Diese möchte Donald Trump sicherlich wieder gewinnen.“ Und deshalb werde Trump wohl auch alles daransetzen, dass die Börsenbarometer noch weiter ansteigen werden. 

INFORMATION: Der Round Table fand auf Einladung von „Die Presse“ statt und wurde finanziell unterstützt von der Raiffeisen Kapitalanlage-Gesellschaft.


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