Culture Clash

Der Mildeste der Männer

Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, warum wir uns nicht mehr an Gladiatorenkämpfen delektieren? Oder warum Papst Paul III. besser war als gedacht?

Weil doch gerade in Rom eine Synode stattfindet, bei der es auch um Recht und Würde der Amazonas-Völker geht, und weil das Motto dieser Ausgabe „Besser als gedacht“ heißt, möchte ich Ihnen Papst Paul III. in Erinnerung rufen. Ein typisches Protektionskind der Renaissance: Seine Schwester war die letzte Geliebte des Borgia-Papsts Alexander VI., der den 25-Jährigen zum Kardinal ernannte. Als dieser dann als Paul III. Papst wurde, machte er sofort zwei seiner Enkel zu Kardinälen, 16 und 14 Jahre alt. Und was die Ketzer seiner Zeit betraf, schwankte er zwischen Dialog und Härte. 1542 gründete er die Römische Inquisition.

Derselbe Papst erließ die Bulle „Sublimis Deus“, die auf die Versklavung und Verfolgung der Indios durch die Konquistadoren reagierte. Paul III. erklärte mit großer Festigkeit, dass auch die Indios Menschen mit einer Seele seien, nach dem Abbild Gottes geschaffen, die in Freiheit vor Gott stünden und nur „durch Predigt und gutes Beispiel“ bekehrt werden dürften. Ihre Menschenwürde zu negieren sei teuflisch, ihre Erniedrigung und Enteignung widerrechtlich. Diese Bulle gilt bis heute als Magna Charta des Völkerrechts.

„Sublimis Deus“ wurde zu allen Zeiten auch missachtet und hat doch eine anhaltende positive Wirkungsgeschichte entfaltet. Für mich ein Beispiel dafür, wie das Christentum seit zweitausend Jahren trotz aller Rückschläge die Menschheit milder macht. Es gibt viele Belege dafür, ein besonders sprechender ist, wie die Volksbelustigung der Gladiatorenkämpfe – selbst beim „Philosophenkaiser“ Mark Aurel noch hoch im Kurs – unter dem Einfluss des Christentums verschwunden ist.

Die Geschichte des Christentums ist auch eine Kriminalgeschichte. Wenn man genau hinschaut, ist es aber eben auch die Geschichte, wie die Milde in der Welt an Boden gewinnt. Die Kirche war und ist auch ein Ort der Bosheiten, von Doppelmoral und Verrat, vernachlässigter Verantwortung und gelegentlich echter krimineller, missbräuchlicher Energie. Aber in meiner Erfahrung heilt sie mehr Wunden, als sie schlägt. Und macht so im Lauf der Zeit nicht nur die Welt rundum milder, sondern sogar sich selbst.

Das hat mit ihrem Glaubenskern zu tun. Für mich besonders beeindruckend festgehalten im Wessobrunner Gebet, dem ältesten freien Gebet in deutscher Sprache (ca. 790 n. C.). Es sollte in wilder Zeit zur Missionierung der außerordentlich kriegerischen Sachsen dienen. Ausgerechnet dort heißt es von Gott, dass er nicht nur allmächtig sei, sondern auch „manno militsto“, der Mildeste der Männer.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

www.diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.10.2019)

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