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Wirtschaftsstrategie: Bildung und Umwelt

Autobahnkreuz bei Nacht =
Autobahnkreuz bei Nacht =(c) Christian Ammering / picturedesk
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Für Vorarlbergs Wirtschaft sind die Industrie und das kreative Handwerk relevant. Die großen Herausforderungen liegen aber im Bildungsbereich und im Klimaschutz.

Vorarlberg habe sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten von einer ursprünglichen Monokultur (Textilindustrie) zu einer vielfältigen Wirtschaft entwickelt, sagt der noch amtierende Wirtschaftslandesrat, Karlheinz Rüdisser: „Die Exporte sind von 2,9 Milliarden Euro im Jahr 1996 auf derzeit 10,5 Milliarden Euro gestiegen. In diesem Zeitraum wurden 40.000 Arbeitsplätze geschaffen — das ist bei den aktuell 380.000 Einwohnern nicht schlecht.“

Der Handelskonflikt zwischen den USA und China, der Brexit und die schwächelnde deutsche Industrie sind auch in Vorarlberg spürbar: Die Industrie im „Ländle“ sieht laut der Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung (IV) eine spürbare Abschwächung. Es sei quer über alle Branchen erstmals ein Dämpfer zu erkennen, und nur mehr 51 Prozent der befragten Unternehmen empfanden die Geschäftslage als gut. Eine Rezession ist laut IV-Geschäftsführer Mathias Burtscher zwar nicht zu erwarten, die Maschinen- und Metallindustrie des Landes ist aber stark vom Preisdruck betroffen. In der Textilindustrie befanden 62 Prozent der Unternehmen die Geschäftslage als schlecht, 97 Prozent beurteilten die Ertragssituation negativ.

Keiner der Textilbetriebe erwartete in den kommenden Monaten eine höhere Produktionstätigkeit, bessere Verkaufspreise oder eine höhere Beschäftigung — allerdings hoffte gut die Hälfte auf steigende Erträge in einem halben Jahr.

„Eine große Herausforderung des Landes ist das sehr beengte Platzverhältnis“, sagt Rüdisser und meint insbesondere die Regionen Rheintal und Walgau. Die flächenmäßige Expansion von Unternehmen sei durch die Lage bedingt schwierig, in der Folge ergibt sich ein Fachkräftemangel. „Bis zu 16.000 Menschen pendeln jeden Tag von Vorarlberg in die Schweiz oder nach Liechtenstein“, so Rüdisser. Die Engpässe seien vor allem in der Elektro- und Elektronikindustrie spürbar. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, will das Land mit dem Ausbau von Bildungsstätten wie der Fachhochschule (FH) und Projekten wie „Frauen in die Technik“ Ausbildungsmöglichkeiten in technischen Berufen forcieren. „Auf dem FH-Campus gibt es eine bedeutende Start-up-Szene, die sich international in der Digitalisierungsbranche bewegt“, so Rüdisser.

Wegen der Klimakrise müssen sich viele gesellschaftliche Bereiche ändern: Wirtschaft, Umwelt und Klimaschutz sollen nicht länger als Gegensätze betrachtet werden. Eine gesunde Umwelt und der schonende Umgang mit natürlichen Ressourcen seien Voraussetzung für eine stabile wirtschaftliche und soziale Entwicklung, heißt es im Vorarlberger Regierungsprogramm. Als erster Schritt soll ein Strategiedialog Wirtschaft & Umwelt etabliert werden, in dem Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gemeinsam eine Zukunftsstrategie erarbeiten. Neue Umwelttechnologien sollen Chancen für Vorarlberger Unternehmen bieten. „Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Fachkräfteausbildung, der Klimaschutz und die Klimawandelanpassung, die Etablierung eines Campus der Innovation und eines Campus der Regionalität sowie die Bereiche Gesundheit und Pflege, die Fortsetzung der Wohnbauoffensive und die nötige Vorsorge, damit Vorarlberg auch in Zukunft eine der sichersten Regionen weltweit bleibt“, heißt es vonseiten der Landesregierung. Der Wohlstand sei derzeit in allen Landesteilen gleichmäßig verteilt, die höheren Lebenserwartungen erforderten aber enorme Ressourcen im Gesundheits- und Sozialbereich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2019)


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