Culture Clash

Ist es Gesinnungsterror, dass die AUA jemanden wegen Demo-Dumpfparolen kündigt?

Private Arbeitgeber sollen das Recht haben zu sagen: „Bei mir nicht!“

Die AUA hat die 24-jährige Flugbegleiterin Christina Kohl – Listenplatz 17 beim Team Strache – gekündigt, weil sie auf einer Demo in die „Kurz muss weg!“-Rufe ihrer Truppe hineingerappt hat: „Antifa muss weg, Soros muss weg, Rothschild muss weg, Rockefeller muss weg, Illuminati müssen weg.“ Da dabei sie und ihre Umgebung lachen, könnte es auch nur ein selbstironischer Gag gewesen sein. Aber ich bin notorisch wohlwollend. Für ihre Arbeitgeber waren es jedenfalls „öffentliche antisemitische Äußerungen“, somit ein „unentschuldbares Verhalten“, das „mit unseren Firmenwerten in keiner Weise zu vereinbaren“ sei.

Soros und Rothschild sind von Antisemiten gern verwendete Codewörter, die für das Judentum stehen. Rockefeller und die Illuminaten verweisen auf häufig antisemitisch aufgeladene Weltverschwörungstheorien. Man kann nun diskutieren, ob das Skandieren von Codewörtern schon als öffentlicher Antisemitismus zu verfolgen ist: Was nur Eingeweihten verständlich ist, kann die Allgemeinheit nicht verhetzen und richtet in ihr somit keinen Schaden an. Es stellt aber doch ein Ärgernis dar und ruft daher einen Arbeitgeber berechtigterweise auf den Plan. Darf aber ein privater Arbeitgeber Mitarbeitern bestimmte Meinungsäußerungen – die unterhalb der Schwelle des Strafrechts liegen – bei Verlust des Arbeitsplatzes untersagen?

Immerhin verbietet das Gleichbehandlungsgesetz eine Diskriminierung aufgrund der Weltanschauung. Und bei der heutigen Arbeitsplatzsituation in der Reisebranche ist die Kündigung einer Flugbegleiterin sehr hart. Eine Klage dagegen könnte Chancen haben. Zumal sich im Firmenleitbild kaum die Werte finden, gegen die Frau Kohl verstoßen hat.

Trotzdem sollte ein privater Arbeitgeber das Recht haben zu sagen: „Bei mir nicht!“ Vielleicht zeigt gerade dieser Fall die Problematik der Diskriminierungsverbote für den nicht staatlichen Bereich. Es ist nicht Zensur oder Gesinnungsterror, sondern eine Frage der Freiheit, dass sich ein privater Arbeitgeber seine Mitarbeiter etwa nach Weltanschauung oder Religionszugehörigkeit aussuchen oder sie nach diesen Kriterien ablehnen kann.

Es gibt ehrenwerte Gründe, den Privaten das zu verbieten. Aber dann haben irgendwann nur noch die an der Staatsspitze die Macht, ihre Überzeugungen oder auch ihre Antipathien zur Richtschnur zu machen – und dann nicht nur für einige, sondern für alle. Ein solches staatliches Diskriminierungsmonopol ist furchterregender als die miteinander im Widerstreit liegenden Willkürlichkeiten der Einzelnen.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.08.2020)

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