Mit schillernden weltoffenen Führungsfiguren erobern Bürgerliche rote Rathäuser. In London schaffte der exzentrische Tory-Politiker Johnson die Wende, in Hamburg verdrängte CDU-Politiker von Beust 2001 die SPD.
Wien. Konservative können auch in Städten stark sein, sie können sogar rote Hochburgen schleifen. In London schaffte 2008 der exzentrische Tory-Politiker Boris Johnson die Wende, in Hamburg verdrängte CDU-Politiker Ole von Beust 2001 die SPD nach 44 Jahren von der Macht. Was sie gemeinsam haben? Beide haben eine schillernde Persönlichkeit, die weit über die Grenzen ihrer Partei ausstrahlt. Beide verkörpern ein urbanes, weltoffenes Lebensgefühl. Und beide schossen sozialdemokratische Bastionen mit angriffslustiger und teilweise auch origineller Oppositionspolitik sturmreif.
Der Blondschopf Johnson triumphierte mit einem Programm, das der Labour-Vetternwirtschaft in London den Kampf ansagte. Damit jagte er den Links-außen-Populisten Ken Livingston aus dem Amt. Von Beust eroberte Hamburg schrittweise: Zunächst paktierte er als Stimmenzweiter mit Roland Schills Rechtspopulisten, um sie dann an den Rand zu drängen und sich schließlich in der Mitte breitzumachen. Damit erreichte er 2004 an der Alster erstmals die absolute Mehrheit für die CDU. 2008 bildete er eine Koalition mit den Grünen. Mittlerweile ist der Freiherr wegen Amtsmüdigkeit zurückgetreten.
Auch Stockholm, jahrelang eine Festung der Sozialdemokraten, wird seit 2006 von konservativen Bürgermeistern regiert. Stadtvater Sten Nordin präsentiert sich derzeit als harter Budgetsanierer und zugleich als innovativer, grüner Stadtentwickler.
Ein ähnliches Rezept verfolgt sein konservativer Madrider Kollege. Seit 2003 gilt Alberto-Ruiz Gallardón als „unbesiegbar“. Auch er besetzt die liberale Mitte. Zum Schrecken etlicher Parteikollegen hat er auch schon homosexuelle Paare getraut.
Doch es geht auch anders: Es war nicht eben Weltoffenheit, mit der Gianni Alemanno 2008 die Linken aus Rom verdrängte. Der Mussolini-Nostalgiker punktete mit Fremdenfeindlichkeit.
Gelassener regieren die Konservativen in den osteuropäischen Hauptstädten: Sie haben derzeit überwiegend keine Konkurrenz von links zu befürchten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2010)