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Eine Bühne für Wiener Kunstschaffende

Im Rahmen der VIENNA ART WEEK wird Micha Wille ihre aktuelle Serie „Stay at home, Mum!!!“ präsentieren.
Im Rahmen der VIENNA ART WEEK wird Micha Wille ihre aktuelle Serie „Stay at home, Mum!!!“ präsentieren. (c) Daniela Zeilinger
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Kunstszene. Die VIENNA ART WEEK lädt von 12. bis 19. November zu rund 200 Veranstaltungen in Museen, Akademien, Galerien und Studios. Ziel ist es, Wien als Kunststadt in den Fokus zu rücken und Wiener Künstlerinnen und Künstlern eine Bühne zu bieten.

Die VIENNA ART WEEK steht heuer unter dem Motto
„Losing Control“ und bringt neben Aktivitäten in beteiligten Kunstinstitutionen, Akademien und Galerien auch die Open Studio Days sowie ein eigenes Ausstellungshaus: „House of Losing Control“. Wir sprachen mit dem künstlerischen Leiter Robert Punkenhofer und vier beteiligten Künstlerinnen und Künstlern.

Wieso wählten Sie heuer das Motto „Losing Control“, wobei Kontrollverlust ebenso thematisiert wird wie das positiv besetzte Loslassen und die Möglichkeit, Zwängen zu entfliehen?

Robert Punkenhofer: Das lag in der Luft, nicht nur wegen Corona, sondern einfach auch, weil sich die Welt so schnell verändert. Es geht uns nicht nur um Katastrophen, sondern auch um den Prozess eines kreativen Arbeitens, in dem man sich dem Zufall aussetzt und gar nicht alles kontrollieren will, was die Besucher ja auch in unseren Open Studio Days erleben können. Das Thema reicht bis zu politischen Arbeiten, in denen es darum geht, wie wir kontrolliert werden. Es ist sehr weit gefasst und wird sich in vielen Programmpunkten widerspiegeln.

Warum gibt es dieses Mal mit dem „House of Losing Control“ sogar ein eigenes Ausstellungshaus in einem abbruchreifen Gebäude im 20. Bezirk?

Robert Punkenhofer: Als wir die VIENNA ART WEEK vor 17 Jahren gründeten, war unser Vorsatz, das zu featuren, was in der Wiener Kunstszene vorhanden ist. Aber als mir angeboten wurde, das ganze Haus samt Werkstätten und Lagerhallen zu bespielen, konnte ich nicht Nein sagen. Wir haben für die Ausstellung einige Künstlerinnen und Künstler gezielt ausgesucht, aber auch jene angesprochen, die bei den Open Studio Days dabei sind – und das wurde trotz Kurzfristigkeit sehr gut angenommen. Die Arbeiten reichen von einer raumgreifenden Spirale von Peter Sandbichler über eine kleine Figur von Cindy Sherman, die verzweifelt schreit, bis zu einer Videoarbeit von Gelitin. Das verlassene, tote Gelände wird also aufgeladen und zu einem kreativen Ort.

Mathias Hanin, Singuläres Netzwerk I, 2020
Mathias Hanin, Singuläres Netzwerk I, 2020(c) Slavko Pejic

Micha Wille, Isidora Krstic, Mathias Hanin und Navid Nuur – Ihre Werke sind im „House of Losing Control“ vertreten. Wozu hat Sie das Motto inspiriert?

Micha Wille: Mich interessiert es, aus Mikronarrationen über zeitgenössische Debatten Malerei zu generieren. Hier fand ich spannend, wie uns moderne Technologie davongaloppiert und wie das für den heutigen Menschen kräfteraubend und frustrierend sein kann. Ich habe zwei Hände einer meditierenden Mickey Mouse gemalt und dazu eine Sprechblase, in der viele irritierende Augen aufpoppen. Mickey versucht also zu meditieren, aber es kommen immer wieder Störsounds rein. Meine Arbeiten sind oft humorgesteuert, sie wirken sehr schnell, aber sie haben einen konzeptuellen Anspruch. Hier geht es mir um die Pseudogelassenheit in einer Überforderungswelt, um Gegenpole, die sich nicht ausgehen.

Isidora Krstic: Ich zeige eine Video-Arbeit über die Bombardierung von Belgrad 1999, in der ich, die ich diese damals miterlebte, hinterfrage, was dies mit meiner Identität macht. Krieg wird als etwas gezeigt, bei dem etwas außerhalb unserer Kontrolle passiert und wir rein gar nichts entscheiden können.

Wen von Ihnen hat auch der Raum selbst inspiriert?

Mathias Hanin: Ich nutze dort, wo einst Autowerkstätten waren, eine Grube, aus der Mechaniker Autos inspizierten. Hier entsteht eine Installation mit Schaum, der für mich für das Loslassen steht und etwas Meditatives hat. Durch das Gebäude, das ebenso zerfällt wie Schaum, ist gleichzeitig der Verfall Thema. Mit einem Richtmikrophon nehme ich das Knistern des Schaums auf, sodass eine meditative Soundinstallation entsteht. Es geht mir um das Meditative, aber auch darum, dass aus Dekonstruktion etwas Neues entstehen kann.

Navid Nuur: Auch für mich war der Raum wichtig, denn hier darf ich – was nicht überall der Fall ist – Farbbomben verwenden, um mein Werk entstehen zu lassen. Dann wird Rauch hinter einer Plastikplane strömen und förmlich malen. Ich selbst bereite dies zwar genau vor, aber letztlich gebe ich die Kontrolle ab und sehe, wie der Rauch sich durch Ritzen, die ich vorher in die Abdeckung gemacht habe, bewegt und ein abstraktes Bild entsteht. Ich habe keine Ahnung, welche Farbe besser hält und wohin der Rauch sich bewegt.

An den Open Studio Days halten einige von Ihnen Ihre Ateliers geöffnet. Wie stehen Sie diesen Besuchen gegenüber und was zeigen Sie?

Micha Wille: Die Open Studio Days sind eine herrliche Plattform, um die Besucherinnen und Besucher kennenzulernen. Privatpersonen, die sonst wenig mit Kunst zu tun haben, trauen sich ja im Normalfall weniger, Künstlerinnen und Künstler einfach zu fragen, ob sie ins Atelier kommen dürfen. An den ART WEEK-Tagen, an denen das zum sozialen Event wird, ist die Hemmschwelle kleiner. So werden wir, die wir in Wien arbeiten, aus der Arbeitsanonymität gehoben – und können auch Werke im Entstehen zeigen. Ich werde meine „Stay at home, Mum!!!“-Serie präsentieren, die abbildet, wie Mütter im Lockdown ungefragt die Bürde der Kinderwelt-Dominanz aufgedrückt bekamen. Da sieht man riesige Ninjagos, Donalds oder Cookie Monsters, wobei diese beispielsweise Malerpaletten anstelle von Mündern haben – als subtile Referenzen darauf, dass ich eigentlich malen will, aber Home-Schooling machen muss. Die Open Studios sind auch deshalb genial, weil man über die Fragen der Besucher die eigenen Arbeitsprozesse verbalisiert und viel gewinnt, wenn man die Kreationen noch einmal genauer kontextualisiert. Solche Übungsfelder mag ich sehr gern.

Ein Werk aus der Reihe „Stay at home, Mum!!!“ von Micha Wille
Ein Werk aus der Reihe „Stay at home, Mum!!!“ von Micha Wille(c) beigestellt

Isidora Krstic: Ich schätze besonders, dass man hier mit Leuten aus den verschiedensten Backgrounds in Kontakt kommt, nicht nur mit solchen aus der Kunstwelt. Bei den Open Studio Days kann ich ihnen meine Arbeiten erklären. Ich werde eine großformatige, medienübergreifende Serie über Traumata zeigen, darüber, wie man abstrakte Gefühle überhaupt ausdrücken kann.

Mathias Hanin: Ich finde es spannend, wenn Besucher live beim Schaffensprozess dabei sind. Mein Plan ist, den Boden mit Blaufolie zu bespannen, sodass die Leute Abdrücke hinterlassen und ein analoges Speichermedium der Besucher entsteht. Auch auf den Austausch freue ich mich.

Wie beurteilen Sie das aus Sicht der Besucher, Herr Punkenhofer?

Robert Punkenhofer: Hier tun sich für jeden, der sich mit Kunst beschäftigt, fantastische Welten auf. Im direkten Dialog mit dem Künstler oder der Künstlerin und dem Eintauchen in seine oder ihre Gedankenwelt kann man schöne Entdeckungen machen. Und für die Künstlerinnen und Künstler, die keine Galerie haben, ist es ein guter Zugang zum Markt. Es ist für beide Seiten ein großer Gewinn – und das Herzstück der VIENNA ART WEEK.

Inwiefern fühlen Sie sich als Künstler durch die VIENNA ART WEEK sichtbarer gemacht?

Micha Wille: Sehr. Für mich war es zuletzt auch so, dass ich Kontakte zu sogenannten Gatekeepern (mit Augenzwinkern) intensivierte. Genauso, wie die Besucher uns Künstler eher ansprechen, wenn das Setting passt, habe ich auch weniger Hemmungen gehabt, Meinungsmacher anzusprechen. Das ist sehr positiv.

Isidora Krstic: Für mich als aus dem Ausland stammende Künstlerin, die seit neun Jahren in Wien lebt, ist es eine große Sache, hier auszustellen. Die ART WEEK hat einen guten Ruf und ist für mich eine Chance, an ein breiteres Publikum zu kommen. Manchmal fühle ich mich wie in einer Bubble, in der die Künstlerinnen und Künstler einander zwar kennen, aber zu wenig nach außen gegangen wird. Das ist hier ganz anders.

„Notes on Trauma“ von Isidora Krstic im Kunstraum München
„Notes on Trauma“ von Isidora Krstic im Kunstraum München(c) Thomas Splett

Mathias Hanin: Ich bin erstmals dabei und freue mich, dass wir schon im Vorfeld so gut betreut wurden. Für mich ist auch ein Punkt, dass die VIENNA ART WEEK Materialkosten übernimmt, was ja gerade, wenn man installativ arbeitet und das Werk nachher nicht verkaufen kann, ein entscheidender Punkt ist.

Robert Punkenhofer: Wir versuchen ja generell eine Community-Plattform zu bieten, die über die eine Woche im November noch weit hinausgeht. Wir machen das ganze Jahr über viel Kommunikation und vernetzen hiesige Künstlerinnen und Künstler miteinander und mit internationalen, haben auf unseren Social-Media-Kanälen Hintergrundberichterstattung und tun vieles, um die Sichtbarkeit der Wiener Kunstszene zu stärken. Denn unser wichtigstes Anliegen ist es, Wiener Künstlerinnen und Künstlern eine breite Bühne zu bieten.

Information

Die VIENNA ART WEEK versteht sich als Drehscheibe für bildende Kunst in Wien und bringt von 12. bis 19. November rund 200 Veranstaltungen. „House of Losing Control“ (Nordwestbahnstr. 53) wird am 13. November eröffnet, die Open Studio Days finden am 13. und 14. November statt (13–18 Uhr).

Vienna Art Week 2021 - Programm: 
www.viennaartweek.at/de/vienna-art-week-2021/programm

Weitere Informationen online unter: www.viennaartweek.at


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