Interview

Haslauer: „Einen zweiten Ausfall der Wintersaison darf es nicht geben“

INTERVIEW: LH WILFRIED HASLAUER
INTERVIEW: LH WILFRIED HASLAUER(C) BARBARA GINDL / APA / picturedes
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Der Fachkräftemangel sei in allen Branchen ein Hemmschuh des Aufschwungs, sagt Salzburgs Landeshauptmann, Wilfried Haslauer (ÖVP), im Gespräch mit der „Presse“. Eine Gegenstrategie: mehr Maturanten für eine Lehre interessieren.

Salzburg liegt bei der Inzidenz im negativen Spitzenfeld, Deutschland stuft Österreich als Hochrisikogebiet ein. Ist unter diesen Voraussetzungen eine touristische Wintersaison überhaupt denkbar?

Landeshauptmann Wilfried Haslauer: Der Wintertourismus wird stattfinden, das steht für mich außer Frage. Einen Lockdown für Geimpfte schließe ich aus, das wäre verfassungsrechtlich problematisch. Aber es wird klare Regeln für Hotels, Seilbahnen und Après-Ski geben.

Aber die Reisewarnung aus Deutschland gibt es bereits. Was nun?

Business-Award:

Natürlich ist eine entscheidende Frage, was das Ausland macht. Aber Reisebeschränkungen gelten ja nur für ungeimpfte Personen, für geimpfte Menschen ist das nicht zu argumentieren. Das sieht auch Deutschland so. Die entscheidende Frage ist, unter welchen Bedingungen Wintertourismus möglich ist. Es braucht einheitliche und klare Regeln für alle Bundesländer. Mit der bundesweiten einheitlichen Einführung der neuen Regeln gibt es nun diese Klarheit.Das Interview wurde im Rahmen des Austria's Leading Companies Award geführt.

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„Austria's Leading Companies“ wird von der „Presse“-Redaktion in völliger Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, Donau Versicherung, Škoda, TÜVAustria und Zero Project.

Wie sieht die Bilanz der zu Ende gegangenen Saison aus?

Wir hatten einen sehr guten Sommer. Der Tourismus hat langsam begonnen und ist dann immer besser geworden. Der September war mit einem Plus von elf Prozent gegenüber 2019 sogar der beste September, den wir je hatten. Das stimmt mich auch für den Winter sehr zuversichtlich.

Welche Bedeutung hat der Tourismus für Salzburgs Wirtschaft?

Er ist besonders in den südlichen Bezirken ein sehr wichtiges Standbein. In dieser Branche sind in Salzburg rund 27.000 Menschen beschäftigt. Während im Pinzgau auf einen Einwohner rund 120 touristische Nächtigungen pro Jahr kommen, sind das im Flachgau 20. Das zeigt die unterschiedliche Gewichtung in den Regionen, im Zentralraum haben wir mit Dienstleistung und Handel andere starke Schwerpunkte.

Dennoch ist die Entwicklung der vergangenen Tage dramatisch. Wäre ein neuerlicher Lockdown für den Wintertourismus überhaupt verkraftbar?

Nein. Ein zweites Mal halten wir einen Totalausfall einer Saison nicht aus.

Wie sieht es auf dem Arbeitsmarkt in Salzburg aus?

Wir hatten zuletzt eine Arbeitslosenquote von 4,1 Prozent in Salzburg, das ist Vollbeschäftigung. Der Mangel an Personal zieht sich quer durch alle Branchen. Man darf aber nicht vergessen, dass in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Beschäftigten stark gewachsen ist. Dazu kommt die momentan so boomende Wirtschaft mit Wachstumsraten von vier bis fünf Prozent. Ich gehe davon aus, dass sich das wieder normalisieren wird und das Pendel wieder zurückgeht. Ziel muss ein stabiles Wachstum sein.

Der größte Hemmschuh beim Wirtschaftsaufschwung scheint derzeit der Fachkräftemangel zu sein. Was tut Salzburg dagegen?

Wir versuchen, die Lehrausbildung noch attraktiver zu machen. In Salzburg kommen derzeit auf einen Lehrstellensuchenden 6,5 offene Stellen. Dieses Verhältnis hatten wir noch nie, es lag früher bei 1 zu 3. Die Lehre wird in der Gesellschaft oft als Ausbildung zweiter Klasse angesehen. Das stimmt einfach nicht, mit einer Lehre hat man alle Chancen. Ich glaube, es hilft viel, dass der Abschluss als Meister dem Bachelor gleichgestellt wurde. Wir forcieren die Lehre mit Matura und wollen nun auch verstärkt Maturanten für eine Lehrausbildung gewinnen. In Deutschland machen 23 Prozent der Abiturienten eine Lehrausbildung, in Österreich sind es nur zwei bis drei Prozent der Maturanten. Diesen Anteil wollen wir durch Beratung wie den neuen Karrierecheck heben. Uns geht es nicht darum, möglichst viele für eine Lehre zu gewinnen, sondern darum, dass möglichst viele die für sie richtige Bildungsentscheidung treffen. Die Menschen sollen Erfüllung finden in dem, was sie tun. Nur wenn man einen Beruf gern macht, macht man ihn auch gut.

Wie hat sich die Salzburger Wirtschaft in Zeiten von Corona entwickelt? Wo haben sich die Stärkefelder gezeigt, die man vorher vielleicht wenig beachtet hat, wo haben sich Schwächen aufgetan?

Die vier großen Themen für die Zukunft sind aus meiner Sicht Klimaschutz, Digitalisierung, Regionalität und Bildung. Das sind Themen, die alle miteinander vernetzt sind und auf die wir uns konzentrieren müssen. Salzburgs Wirtschaft steht auf vier starken Säulen: Tourismus, Dienstleistungswirtschaft, Produktion und Kulturwirtschaft. Wir haben in Salzburg sehr große Handelsbetriebe wie Spar oder Porsche, die von hier aus riesige internationale Unternehmen steuern. Der Salzburger Zentralraum, wo viele dieser Betriebe ihren Sitz haben, ist übrigens unter den fünf aktivsten wirtschaftlichen Regionen Europas. Es gibt eine gute Durchmischung von großen, mittleren und kleinen Unternehmen. Eine der Erfahrungen der Pandemie war, wie wichtig die Kulturwirtschaft für unser Land ist und wie vielen Menschen sie Arbeit gibt. Ich denke da nicht nur an Künstler, sondern auch an Beleuchter oder Tontechniker, die alle von dieser Branche abhängen. Salzburg hat eine extrem hohe Veranstaltungsdichte, wir haben in der Stadt Salzburg die höchste Theaterdichte in Europa. Die Kulturwirtschaft ist eines unserer Stärkefelder.

Wie kann man diesen Bereich weiter stärken?

Wir investieren in die Infrastruktur. Unser Generalplan für Kulturbauten sieht 22 Projekte vor, sie sind Teil des Konjunkturstützungspakets, das wir nach der Pandemie beschlossen haben. Meine Überlegung war, dass wir, um unser Profil zu schärfen, in unsere Stärken investieren müssen. Mit Ausnahme des Fotomuseums sind alle Vorhaben auf Schiene, beim Fotomuseum hängen wir noch vom Bund ab.

Hat der Bund eigentlich bei der Stadtregionalbahn schon eine Finanzierungszusage gegeben?

Es gibt ein Memorandum über die Finanzierung, ich rechne mit einem Baubeginn im Jahr 2023, die erste Etappe wird vom Bahnhof bis zum Mirabellplatz führen, im Endausbau soll die Bahn bis Hallein gebaut werden. Bei der Stadtregionalbahn ist uns in dieser Legislaturperiode ein echter Durchbruch gelungen.

Die Trasse der Pinzgauer Lokalbahn wurde heuer zum dritten Mal durch ein Hochwasser schwer beschädigt. Ist ein Wiederaufbau überhaupt sinnvoll?

Wir bekennen uns dazu, dass die Lokalbahn wieder aufgebaut wird. Die Fahrgastzahlen entwickeln sich gut, sie wird von einer Millionen Menschen pro Jahr genutzt. Die Bahn soll hochwassersicherer werden, in manchen Bereichen wird eine andere Streckenführung überlegt. Außerdem müssen wir die Bahn elektrifizieren, ein Dieselbetrieb ist auf Dauer ein Unding.

Wie steht Salzburg bei der Digitalisierung da?

Sehr gut. Wir haben mit über 90 Prozent die höchste Erschließung mit Breitband in Österreich. Wir liegen besser als Wien, was für ein Flächenbundesland eine große Leistung ist. Unser Vorteil ist das Glasfaserkabel der Salzburg AG, es ist die ideale Basis für die Digitalisierung. Das Glasfaserkabel ist das Rückgrat der Versorgung, für die Lücken setzen wir auf das Funknetz. Die Salzburg AG investiert bis 2030 mehr als 250 Millionen Euro in den Breitbandausbau.

Beim Klimaschutz könnte Salzburg schneller vorangehen?

Wir liegen sehr gut bei der Nutzung der Wasserkraft. Beim geplanten Kraftwerk Stegenwald an der Salzach gibt es einen positiven Bescheid der Naturschutzbehörde, der wurde aber beeinsprucht. Windkraft ist in Salzburg nicht überall möglich, derzeit wird ein Projekt in Flachau geprüft. Bei der Fotovoltaik stehen wir vor einer Grundsatzentscheidung: Wollen wir Fotovoltaik nur auf Dächern oder sollen Anlagen auch auf Freiflächen möglich sein?

Salzburg sieht in den Budgets seit dem vergangen Jahr wieder neue Schulden vor, ist das Ziel, keine neuen Schulden mehr zu machen, damit langfristig passé?

Salzburg hat zwischen 2014 und 2020 die Hälfte seiner bestehenden Schulden abgetragen. Wir haben über eine Milliarde Euro zurückbezahlt. Und das, ohne irgendwo brutal den Sparstift anzusetzen. Dieser Sparkurs gibt uns jetzt den Spielraum, um in wichtige Infrastrukturprojekte zu investieren. Mich interessiert aber weniger der Budgetansatz als der endgültige Rechnungsabschluss. Da hat sich gezeigt, dass sich die tatsächliche Neuverschuldung sehr in Grenzen hält.

In den kommenden Tagen fällt die Entscheidung über die Nachfolge von Festspiel-Präsidentin Helga Rabl-Stadler. Ihre Erwartungen an die künftige Führungspersönlichkeit?

Er oder sie muss das Gesicht der Festspiele nach innen und außen sein, gut vernetzt in der Stadt und zu den Entscheidungsträgern, parkettsicher sowie Kontakt zu Sponsoren und Mäzenen halten können. Es sollte jemand sein, der gewisse ausgleichende Fähigkeiten mitbringt, innerhalb des Direktoriums, in der Belegschaft, aber auch in der Stadt. Die Festspiele stehen vor großen Bauprojekten. Diese zu managen ist eine wichtige Aufgabe der Präsidentin oder des Präsidenten.

Hätte Sie diese Position gereizt?

Ja, sehr. Aber in Zeiten großer Herausforderungen verlässt man das Schiff nicht.

Sie werden also 2023 wieder als Spitzenkandidat für die ÖVP in Salzburg antreten?

Das habe ich mir vorgenommen, ja.

Rechnen Sie eigentlich auf Bundesebene mit baldigen Neuwahlen?

Nein, das glaube ich nicht. Die Regierung hat eine gute Arbeitsbilanz vorzuweisen, die wird aber jetzt durch die Härte der politischen Auseinandersetzung übertönt. Diese Tonalität sehen wir in Salzburg sehr differenziert und skeptisch. Es erinnert ein wenig an eine Kultur der Zwischenkriegszeit. Es ist natürlich wichtig, dass die Opposition die Finger in die Wunden legt, wenn das aber mit persönlichem Hass und Erniedrigungen passiert, dann ist das nicht gut für die Demokratie.

Impressum:

„Austria's Leading Companies“ wird von der „Presse“-Redaktion in völliger Unabhängigkeit gestaltet und erscheint in Kooperation mit dem KSV1870 und PwC Österreich. ALC wird unterstützt von A1, Casinos Austria, Commerzbank, Donau Versicherung, Škoda, TÜV Austria und Zero Project.

Redaktion: Hans Pleininger,
hans.pleininger@diepresse.com

Autoren: Christian Scherl
Online: Marc Kiemes-Faucher
Grafik: Linda Gutzelnig
Infografik: Gregor Käfer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.11.2021)


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