Wirbel um Botschafter-Interview
''Österreich keine Kolonie der Türkei''
"Unwürdig", "absolut inakzeptabel": Der türkische Botschafter hat mit seinem "Presse"-Interview eine Welle der Empörung losgetreten. Vom Kanzler abwärts erntet er scharfe Kritik.

Der türkische Botschafter Kadri Ecved Tezcan hat mit seinen angriffigen Aussagen im "Presse"-Interview eine Welle der Empörung losgetreten. "Mit seinen Äußerungen hat er nicht nur die Menschen im Gastland, demokratische Institutionen, die internationalen Organisationen in Wien und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel beleidigt, sondern auch keinen Beitrag zum guten Zusammenleben geleistet", kritisierte ein "empörter" Bundeskanzler Werner Faymann.
(c) APA (Herbert Neubauer)

Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll sprach im ORF von einem "diplomatischen Affront der Sonderklasse", nachdem der Botschafter seine Partei besonders scharf attackiert hatte. Pröll: "Es ist absolut unangemessen und inakzeptabel, dass sich ein Diplomat in dieser Form über die Innenpolitik seines Gastlandes äußert und ein Regierungsmitglied öffentlich derart abqualifiziert."
(c) Die Presse (Clemens Fabry)

Auch sein Generalsekretär Fritz Kaltenegger verurteilte die Aussagen des türkischen Botschafters: "Dieses Verhalten ist unangebracht und respektlos. Botschafter Tezcan ist sich seiner Rolle als Gast in unserem Land offenbar nicht bewusst." Es gebe aber in der Tat eine Reihe offener Fragen im Bereich der Integration, räumte Kaltenegger ein. "Die Antwort ist aber mit Sicherheit nicht falsch verstandene Toleranz."
(c) Michaela Bruckberger

Namentlich attackierte der Botschafter in dem Interview Maria Fekter, die sich dann auch "schwer verwundert" über die Angriffe gegen Österreich und ihre Person zeigte. "Es ist eine unglaubliche Entgleisung und eines Botschafters unwürdig sein Gastland so zu attackieren", betonte eine "erzürnte" Innenministerin.
(c) Reuters (Liesi Niesner)

Vorarlbergs Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) bezeichnete die Aussagen des türkischen Botschafters als "unzulässig". "Integration bedarf einer Anpassungsleistung jener, die ins Land kommen und hierbleiben wollen." Dazu gehöre die Achtung der österreichischen Wertehaltung und Rechtsordnung, das Erlernen der deutschen Sprache sowie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sagte Sausgruber.
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Eine offizielle Entschuldigung der türkischen Regierung und eine Ablöse des "untragbaren" Botschafters forderte FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache. "Tezcan hat sich als türkischer Nationalist entpuppt, der mit dem abendländischen Wertesystem ganz offensichtlich nichts am Hut hat. Allein seine Aussage, dass die Österreicher in der Kopftuchfrage nichts zu sagen hätten, zeigt seine verwerfliche und arrogante Geisteshaltung", kritisierte Strache. Sein Generalsekretär Harald Vilimsky forderte ein Aussetzen der diplomatischen Beziehungen mit der Türkei ...
(c) Reuters (Liesi Niesner)

Außerdem forderte Strache den sofortigen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. "Die Pöbeleien des türkischen Botschafters gegenüber Österreich" hätten gezeigt, dass die Türkei über keinerlei Europareife verfüge und im abendländischen Wertesystem nicht angekommen ist", sagte Strache und holte weiter aus: "Österreich ist keine Kolonie der Türkei".
(c) APA (Herbert Pfarrhofer)

Der grüne Ex-Bundessprecher Alexander van der Bellen kann die Aufregung um die Aussagen des Diplomaten nicht verstehen: " "Botschafter Tezcan hat den Finger in erfrischend undiplomatischer Weise auf viele wunde Punkte im Umgang mit türkischstämmigen Menschen in Österreich gelegt, wobei er auch seine Landsleute nicht geschont hat." Van der Bellen stimmt mit Tezcan überein, dass die Innenministerin nicht für Integrationsfragen zuständig sein sollte.
(c) Reuters (Leonhard Foeger)

BZÖ-Chef Josef Bucher forderte angesichts der "Österreich-Beschimpfung" durch den Botschafter einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei: "Dieses türkische Herrengehabe hat in einer europäischen Wertegemeinschaft nichts verloren. Die Türkei zeigt hier deutlich ihr wahres Gesicht und was der EU blüht, wenn die Türkei aufgenommen wird", so Bucher.
(c) Reuters (Liesi Niesner)

Der außenpolitische Sprecher des BZÖ und Ex-Verteidigungsminister Herbert Scheibner forderte die Abberufung des türkischen Botschafters Kadri Ecvet Tezcan - andernfalls sei eine "Rückstufung der diplomatischen Beziehungen zur Türkei unausweichlich". "Außenminister Spindelegger muss energischer handeln und den Botschafter zur persona non grata erklären", sagte Scheibner.
(c) APA (Georg Hochmuth)

Die Aussagen des türkischen Botschafters nannte Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer als "verheerend". "Der Schuss geht völlig nach hinten los. Das gute Klima, das größtenteils vorhanden ist, wird zerstört. Es wird hier eine Aversion geschaffen", sagt der Gemeindebund-Präsident.
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Auch türkische Medien setzen sich bereits mit dem Interview auseinander: Über eine "diplomatische Krise in Österreich" berichtet die Online-Ausgabe der Tageszeitung "Sabah". Beim Nachrichtenportal "Internethaber" war von einer "Ghettoisierungs-Krise" die Rede.
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