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Juchhu, wir haben ein neues Wort gelernt: Der Sideletter

Sieht so ein Sideletter aus?
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Der Nebenbuchstabe legt eine steile Karriere hin. Dabei steckt dahinter etwas ganz anderes.

Es ist eine gute Zeit für neue Wörter, die in unserem Sprachschatz viral gehen. Nur dass der neueste Neologismus nichts mit Corona zu tun hat. Gut, wirklich neu ist der Sideletter auch wieder nicht, bei Vertragswerken gibt es dieses Konstrukt schon länger, mit dem Dinge geregelt werden, die nicht im Hauptvertrag oder der Hauptvereinbarung stehen. Gelegentlich hat es der Begriff auch schon in die mediale Berichterstattung geschafft, häufig auch unter Anführungszeichen – ein Zeichen dafür, dass man sprachlich noch ein wenig auf Distanz ist. Die vergangenen Tage haben nun gezeigt, dass man die Gänsefüßchen beiseitelassen kann, herzlich willkommen in unserem Sprachgebrauch!

Aber, werden jetzt manche einwenden, warum muss denn das schon wieder ein Anglizismus sein? Gute Frage. Wirft man den Google-Übersetzer an, macht der aus dem Sideletter einen Nebenbuchstaben. Nun wissen wir allerdings, dass „letter“ im Englischen nicht nur für Buchstaben steht, sondern auch für Brief. Vom lateinischen „littera“ (Buchstabe) hat sich der Begriff auch für Schriftstücke eingebürgert. Und nicht zuletzt kam die Letter auch in der Druckersprache zum Einsatz, wo damit ein Druckbuchstabe, also ein in Metall gegossener Buchstabe, benannt wurde. Im konkreten Fall des Sideletter sind aber weder der simple Buchstabe an der Seite noch eine abseits liegende Drucktype gemeint. Sondern eben das Schriftstück, in dem abseits des öffentlich zugänglichen Vertrags noch ein paar Dinge dezent geregelt werden. Und wie hieße das auf Deutsch? Nun, man könnte etwa auch Begleitbrief (na ja), Nebenvereinbarung, Zusatzvereinbarung oder Nebenabsprache sagen.

Im Übrigen sollte diese Kolumne in der Regel am Ende so etwas wie eine Pointe haben. Die ist diesmal allerdings nicht für jedermann gedacht. Vielleicht findet sie ja irgendwann jemand in einem Sideletter.

E-Mails an:erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2022)

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