Culture Clash

Echt geil

Über den geheimnisvollen Bezug des Heiligen Gangolf zum umstrittenen Nummer-eins-Hit „Layla“, neben dessen genereller Geschmacklosigkeit der Sexismusvorwurf verblasst.

Es klingt nach Räuber Hotzenplotz – das liebliche Bühlertann im Landkreis Schwäbisch Hall, in dem Polizeihauptkommissar Florian Fallenbüchel Bürgermeister ist und der hl. Gangolf eine Kapelle hat. Einem der Söhne dieses Örtchens verdanken wir, dass das Musikprogramm von Bierzeltfesten selbst in Intelligenzblättern heiß diskutiert wird: Schürze. So nennt sich der Schlagersänger Michael Müller, Autor jenes Hits, der seit Wochen die deutschen und österreichischen Charts anführt: „Layla“.

„Layla“ ist ein Höhepunkt der Minimalistik: Nur vier Akkorde, ein auch von achtjährigen Schlagzeugern gut meisterbarer Stampfrhythmus und Lyrics ohne jede Lyrik. Von 43 Textzeilen bestehen zwölf aus der Repetition der Silbe „la“. 19 Zeilen sind Refrain, in dem eine Puffmama Layla als „schöner, jünger, geiler“ und zweimal als „Luder“ besungen wird. Der Song gehört dem Genre „Ballermann“ an, das dazu da ist, dass die Partymeute auf Mallorca im Takt zuckend Bier verschütten kann. Dass er die Charts anführt, lässt mich an Gerhard Bronner denken, der 1979 in seiner Sendung „Schlager für Fortgeschrittene“ betrauerte, dass der Songcontest-Beitrag „des Volkes der Dichter und Denker“ mit den Worten „Uh-Ah-Uh-Ah“ beginnt.

„Layla“ regt auf, weil es als sexistisch gilt. Ich weiß nicht genau, warum. Vielleicht liegt es an den Worten „geil“ und „Luder“. Dabei ist „geil“ längst so harmlos wie „famos“ und hat seit 2004 selbst in der Literatur explosionsartige Verbreitung gefunden. Und von Bühlertann bis Gaildorf sind es zu Fuß auch nicht mehr als zweieinhalb Stunden. „Layla“ wird jedenfalls von den großen Stimmungszentren unserer Zeit gemieden. Der Schützenverein St. Sebastianus hat es schon vom Düsseldorfer Kirmes verbannt, auch beim Kiliani-Volksfest in Würzburg wird es nicht gespielt.

Ob deshalb weniger Frauen belästigt werden, ist wohl nicht messbar. Ein Dienst am guten Geschmack ist es jedenfalls. Der Song ist so tiefe Schublade, dass er die Würde aller verletzt – auch die der Künstler selbst. Und ist nicht überhaupt jede Betrachtung des Weiblichen eine Anstandsverletzung, wenn sie gegrölt wird?

Der hl. Gangolf war übrigens ein burgundischer Edelmann. Der Legende nach hat er seine liederliche Frau verlassen, sein Geld den Armen geschenkt und wurde Einsiedler. Nachdem ihn der Liebhaber seiner Frau erschlagen hatte, geschahen an seinem Grab viele Wunder. Seine Gattin soll dazu ungläubig gesagt haben: „Gangolf verbringt ebenso Wunder, wie mein Hintern Lieder singt.“ Worauf sie zur Strafe Dauerfurzerin wurde. Echt geil.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien. 

meinung@diepresse.com

diepresse.com/cultureclash

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.07.2022)

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