Kunst
Die Ausstellungen des Sommers
Nach zwei Jahren erzwungener Distanz sind Fragen des Miteinanders umso mehr zu einer Agenda der zeitgenössischen Kunst geworden, wie zahlreiche Ausstellungen diesen Sommer zeigen. (Text: Johanna Hofleitner)

1. Kunstverein Eisenstadt: „The Somnambulists“. Die Group-Show widmet sich jungen Tendenzen der erweiterten Zeichnungen, die den Zwischenbereich von bewusster Absicht und Kontrollverlust ausloten. Angelehnt an Surrealismus und Automatismus, werden Intuition, Spontaneität und Zufall als legitime künstlerische Strategien zugelassen. Traditionelle Zeichentechniken treten in Dialog mit Schrift, Raum oder objekthaft-räumlichen Erweiterungen (Bild: Edita Štrajtová und Barbora Volfová). 27. 6.–4. 9., www.kunstvereineisenstadt.at

Belvedere 21: Stanislava KovalcikovaDie Erfahrung geografischer, sprachlicher, kultureller und gesellschaftlicher Grenzen ist für Stanislava Kovalcikova zu einem Schlüsselthema ihrer Kunst geworden. Zugleich ist sie Katalysator für die Fragen nach der persönlichen Identität und deren Konstruktion. Die thematische Brisanz und das momenthaft Flüchtige dieser Bilder stehen in spannungsvollem Widerspruch zum langsamen Entstehungsprozess ihrer Malerei und ihren historischen Anleihen. 16. 9.–5. 2. 2023, www.belvedere.at
(c) MATTHIAS KOLB /Courtesy Peres Projects,

Mumok: „Das Tier in Dir“. Im Mumok, genau genommen seinem Sammlungsbestand, tummelt sich ein regelrechter Zoo, darunter Hunde, Katzen, Rinder, Karpfen, Riesenspinnen, sogar Maden. Sie sind nicht bloß Sujets oder Symbole, sondern auch Katalysatoren und Auslöser von Rollenspielen (Bild: Valie Export mit Peter Weibel, 1969). Und sie werfen eine lange Reihe von Fragen auf, etwa über Familien- und Geschlechterbeziehungen, Liebe, Sex, Zuneigung, Freiheit und Domestizierung, Kolonialgeschichte. Grund genug, den Tieren eine eigene Ausstellung zu widmen. 22. 9.–26. 2. 2023, www.mumok.at
(c) mumok/deinhardstein2014 Valie Export/Bildrecht Wien 2022

Fotohof: Christian Wachter. Seit den 1980ern beschäftigt sich der Wiener Fotokünstler mit analytischen und konzeptuellen Fragen wie jener nach den Räumen der Fotografie: dem Raum der Präsentation, dem Raum des Bildes, dem Raum seiner Entstehung. Die Werkgruppe „Non-Fungible Tobacco Containers“ etwa ist eine Reminiszenz an die analoge Dunkelkammer. Anfang der Nullerjahre aufgelöst, wurde sie von Christian Wachter bis 2015 als „Fumoir“ verwendet. 2017 hat er die darin gesammelten Zigarettenschachteln in Form einer konzeptuellen Serie verewigt. 4. 10.–26. 10., www.fotohof.at
(c) Christian Wachter © 2017

Akademie der bildenden Künste: „Speculative Fiction“. Angelehnt an Donna Haraways Konzept der spekulativen Fabulation, versammelt das Screening Arbeiten von vier Künstlerinnen, die in filmischen Arbeiten imaginäre Alternativen zu einer als unbefriedigend empfundenen Gegenwart entwerfen. Science-Fiction, Fragen der Verbundenheit unterschiedlicher Lebensformen, aber auch Formen der künstlichen Intelligenz erhalten neue Relevanz. Mit Barbara Kapusta, Ursula Mayer, Marlies Pöschl und Flavia Mazzanti (Bild). 13. 7.–16. 10, www.akbild.ac.at
Flavia Mazzanti

Kunsthalle Wien: Katrina Daschner„Burn and Gloom! Glow and Moon! Thousand Years of Troubled Genders“: Üppig, fordernd, leidenschaftlich ist der Titel von Katrina Daschners bislang umfassendster Ausstellung, so wie auch ihre Filme, Drehbücher, Performances und Installationen. Seit zwei Jahrzehnten beschäftigt sie sich mit queeren Praktiken. Fragt, wie unsichtbare Formen queerer Erfahrung in Ästhetik umgesetzt werden können. Und kontert dem Patriarchat mit Bildern fluider Körperlichkeit. 28. 6.–23. 10., www.kunsthallewien.at
Katrina Daschner/Filmstill/Courtesy die Künstlerin

Künstlerhaus Wien: „Loving Others“. Künstlerische Produktion im Kollektiv ist oft von der Idee getragen, alternative Arbeits- und Lebensformen zu praktizieren. Neben sozialer Interaktion und Kommunikation spielt dabei auch die Emotion eine wesentliche Rolle. Die Schau stellt verschiedene Modelle der Zusammenarbeit vor, darunter Ruangrupa, Forensic Architecture, Karpo Godina (Bild), Group Material, ____fabrics interseason sowie das Wiener Kollektiv Bar du Bois & Friends, das auch in situ arbeiten wird. 13. 10.–15. 1. 2023., www.k-haus.at
Karpo Godina

Kunstmuseum Lentos: Iris AndraschekSie ist eine der maßgeblichen österreichischen Künstlerinnen der mittleren Generation. In ihrem von alltagskulturellen und sozialpolitischen Motiven geprägten Werk reflektiert Iris Andraschek die Beziehung zwischen Mensch und Natur, alternative Lebensentwürfe, Fragen nach einem gerechteren Zusammenleben. Mit Zeichnungen, Fotografien und teils neu geschaffenen Installationen dokumentiert ihre erste museale Überblicksschau Arbeiten aus 35 Jahren. 16. 6.–11. 9., www.lentos.at
Bildrecht Wien 2022 / Foto Kunsthaus Graz/Martin Grabner.

Kunstraum Innsbruck: „Zoopolis“. Nicht nur für die Menschen, sondern auch für viele Tiere ist die Stadt mit Parks, Baustellen, Stadtwildnis, Brachen, Friedhöfen ein idealer Lebensraum, wo sie ausreichend Nahrung finden. Verstärkt wird diese Migration zudem durch ländliche Monokulturen. Zugleich aber tragen Verstädterung und Versiegelung auch Mitschuld am Klimawandel und Artensterben. Die Gruppenausstellung beleuchtet die ambivalente Rolle der Städte angesichts der ökologischen Krise. 3. 6.–31. 8., www.kunstraum-innsbruck.at
(c) dotgain.info

MAK: La Turbo Avedon. Männlich? Weiblich? Künstlerin, Künstler? Kuratorin, Kurator? Egal. La Turbo Avedon ist ein Avatar, die Frage, ob er, sie, es, ist somit hinfällig. La Turbo Avedon ignoriert das Fehlen jeglicher realer Körperlichkeit. Was zählt, sind die Potenziale nicht physischer, fluider Identitäten. Elemente aus Netzkultur, Videospielen und Popkultur kommen vor, tun aber nichts zur Sache, denn in kreativen Umgebungen verschmelzen das Reale und Virtuelle ohnehin. 22. 6.–25. 9., www.mak.at
LATurbo Avedon

Secession: Neil Beloufa. Die digitale Durchdringung unserer Existenz ist das zentrale Thema der immersiven Installationen und Videoskulpturen des französisch-algerischen Künstlers Neil Beloufa. Angelehnt an das Vokabular des Informationszeitalters, von Internet und Videospielen über Reality-TV bis zu politischer Propaganda, entwickelt er Szenarien, in denen er soziale Konflikte, Hegemonie, Unterdrückung und postkoloniale Fragen verhandelt. 29. 6.–4. 9., www.secession.at (alle Texte: Johanna Hofleitner)
Neil Beloufa/Austellungsansicht / Digital Mourning