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Branchentalk

Angst vor dem Börsengang ist unbegründet

Regina Prehofer, ehemalige Bankmanagerin, Aufsichtsrätin bei Wienerberger und AT&S, beim Branchentalk der "Presse".
Regina Prehofer, ehemalige Bankmanagerin, Aufsichtsrätin bei Wienerberger und AT&S, beim Branchentalk der "Presse".(c) Uwe Strasser
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Branchentalk. Vom Tech- bis zum Familienuntenehmen kann eine Börsennotierung für die Kapitalaufnahme, eine Wachstumsstrategie und letztlich auch zur Behebung des Fachkräftemangels eine gute Option sein.

Börse und Familienunternehmen – das muss kein Widerspruch sein, wie der Branchentalk der „Presse“ und der Wiener Börse belegte, bei dem „Presse“-Redakteur Jakob Zirm neben Christoph Boschan, CEO der Wiener Börse, Regina Prehofer, ehemalige Bankmanagerin, Aufsichtsrätin bei Wienerberger und AT&S, Robert Machtlinger, CEO der FACC AG, und Felix Strohbichler, CFO der Palfinger AG, begrüßte.

Palfinger aus Salzburg feiert heuer sein 90-Jahr-Jubiläum. Seit 23 Jahren ist das Unternehmen mittlerweile schon an der Wiener Börse gelistet und entwickelte sich in seiner Historie von der kleinen Schlosserwerkstatt zum Global Player und steht weltweit für innovative Hebe-Lösungen. FACC, das Technologieunternehmen aus Oberösterreich, ist seit acht Jahren an der Wiener Börse. 1989 als Tochterunternehmen des Skiherstellers Fischer Sports gegründet, hat sich das Unternehmen längst als Spezialist für die Entwicklung und Fertigung von Komponenten und Systemen für die Aerospace-Industrie einen Namen gemacht. Der Kernaktionär sitzt in China. Beide Unternehmen bereuen ihre Präsenz an der Börse nicht. Im Gegenteil – für beide war es ein unverzichtbarer wirtschaftlicher Booster.
Durch die Inflation und die Geldpolitik sind die heimischen Finanzmärkte Veränderungen unterworfen. Für Unternehmen bringt das Konsequenzen bei der Kapitalaufnahme mit sich.

Eine starke Eigenkapitalbasis ist essentiell. Investoren achten noch stärker auf die Performance und wollen vor allem Transparenz. Das rückt den Börsengang für viele Unternehmen näher in den Mittelpunkt. Im Branchentalk wurden Vorteile, aber auch Herausforderungen diskutiert. „In erster Linie steht bei einem Börsengang die Aufnahme von Eigenkapital im Fokus, aber daneben existieren weitere Gründe, die immer wichtiger werden“, sagte Finanzexpertin Prehofer. „Transparenz und Veröffentlichungspflichten, die mit einer Börsennotierung einhergehen, tragen wesentlich zu Vertrauen und Effizienz bei.“ Dabei dürfe man nicht nur an Banken und Investoren denken, sondern auch an Kunden, Zulieferer und Mitarbeiter. „Ein Börsengang beschleunigt alle Finanzthemen und führt zu einer Professionalisierung.“ Prehofer betonte, dass in nicht-börsennotierten Unternehmen das Thema Kommunikation und Öffentlichkeit häufig unterschätzt werde. „Wir haben in Österreich viele Hidden Champions, aber der Börsengang ist die große Chance, zum Champion zu werden, der als solcher in der breiten Öffentlichkeit auch wahrgenommen wird.“

Enorme Veränderungen

Natürlich darf nicht verschwiegen werden, dass ein Börsengang für ein Unternehmen ein großer Einschnitt ist. Das berichtet auch FACC-CEO Machtlinger: „Der ganz große Unterschied betrifft das Reporting. Darauf muss man sich intensiv vorbereiten.“ Mit der Kommunikation geht die kontinuierliche Transparenz einher. Daran muss sich die gesamte Belegschaft erst einmal gewöhnen. Know-How wächst. Informationen sind wichtig für den Markt „Selbst der Umgang mit Medien verändert sich stark und jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt.“

Robert Machtlinger: Durch den Börsengang konnten wir unsere globale Wachstumsstrategie umsetzen und unseren Umsatz bis 2019 ca. verdreifachen.
Robert Machtlinger: Durch den Börsengang konnten wir unsere globale Wachstumsstrategie umsetzen und unseren Umsatz bis 2019 ca. verdreifachen.(c) Christian Huber Fotografie

Ein Börsengang bringt frisches Kapital, das dauerhaft zur Verfügung steht und erleichtert in der Regel auch die Aufnahme von Fremdkapital. „Die Kommunikation mit den Geldgebern wird auf Basis von offiziellen Dokumenten eine ganz andere, weil alles transparent ist. Mit dem Börsengang konnten wir wirklich große Wachstumssprünge erzielen“, sagte Palfinger-Finanzvorstand Strohbichler. Insbesondere beim immer wichtigeren Thema Nachhaltigkeit wäre man wahrscheinlich ohne Börsengang nicht da, wo man sich heute befindet. „Von der Nachhaltigkeitsstrategie bis zur Nachhaltigkeitsberichterstattung hat die Börsennotierung den wesentlichen Anschub geleistet“, so Strohbichler.
Durchaus empfehlenswert ist ein langsames Herantasten an die Kapitalmarktöffentlichtkeit und Reporting an Invesoren mit einem Corporate Bond zu trainieren. „Bei der Publicity geht es um ein institutionalisiertes Vertrauensverhältnis mit verschiedenen Regeln, die gewissenhaft erfüllt werden müssen. Miteigentümer wollen informiert werden. Aber im Grunde ist es ein Instrument, das auch im Unternehmen für Struktur und innere Ordnung sorgt“, versuchte Wiener-Börse-Chef Boschan die Furcht zu nehmen. Wer zu einer intensiven Berichterstattung auf offener Bühne nicht bereit ist, für den ist die Börse allerdings tatsächlich der falsche Platz.

Richtige Kommunikation

Die beiden Vertreter von Palfinger und FACC bestätigten, dass der Gang an die Börse mit Aufwand verbunden ist. „Vom Tag 1 an gilt es, das Regelwerk zu befolgen und damit einher geht, dass sich Verhaltensmuster im Unternehmen ändern“, sagte Strohbichler. Aber letztlich stellt sich auch hier eine Routine ein, die, sofern die notwendigen Ressourcen dafür geschaffen wurden, sehr gut zu managen ist.

Christoph Boschan: Nur Eigenkapital kann den Investitionsbedarf decken, der zur Finanzierung von Risiko und Innovation benötigt wird.
Christoph Boschan: Nur Eigenkapital kann den Investitionsbedarf decken, der zur Finanzierung von Risiko und Innovation benötigt wird.beigestellt

„Alle Punkte eines professionellen Börsenganges sind vorbereitbar. Viele Instrumente dazu bietet auch die Wiener Börse. Zum Beispiel mit Workshops“, sagte Boschan. Auch sämtliche Beratungsgesellschaften bieten eine Vielzahl an unterstützenden Programmen an. Viele Firmen nutzen diese Angebote sogar als „Fitnessprogramm“, um zu kontrollieren, ob sie up-to-date sind.

Wichtig ist, dass die Veränderungen und Ziele nicht nur nach außen, sondern auch intern richtig kommuniziert werden. Veränderungen stoßen zwar naturgemäß auch auf Widerstände, Prehofer beobachtet aber, dass es von Seiten der Mitarbeiter kaum Widerstände gegen einen Börsengang gibt. „Im Gegenteil, ein börsennotiertes Unternehmen gewinnt an Attraktivität und das schätzen die Mitarbeiter. Notwendig dazu ist aber der permanente und geregelte Dialog, von der Finanzpresse angefangen bis zu den Aktionären.“

Die Attraktivität lässt sich zusätzlich steigern, indem man Mitarbeiterbeteiligungen andenkt. Bei Mehrheitseigentümern kann so ein Konzept schwieriger umsetzbar sein, aber selbst solche AGs prüfen gegenwärtig verschiedene Modelle, die Mitarbeiterbeteiligungen berücksichtigen, weil immer mehr Unternehmen erkennen, dass es zur Sicherung von Fachkräften beitragen kann.

Klare Aufgabentrennung

Viele Familienunternehmen haben eine patriarchalische Unternehmensstruktur. Das verändert sich selbstverständlich mit einer Börsennotierung. Palfinger ist hier ein Musterbeispiel, wie die Sphärentrennung zu meistern ist. „Bis zum Börsengang hatte bei Palfinger der Gründer das Zepter in der Hand und stets durchgegriffen“, berichtete Strohbichler. „Vor dem Börsengang wurde ein externer Vorstand eingesetzt und die Familienmitglieder blieben im Aufsichtsrat. Damit war die Governance geregelt.“ Für einen externen Vorstand erleichtert sich zudem die Arbeit, weil durch das Börsenlisting die Ziele klarer gegeben sind.

Felix Strohbichler: Für das Reporting und Investor Relations benötige ich rund 15 Prozent meiner Arbeitszeit. Dem gegenüber steht ein großer Mehrwert, der sich für das Unternehmen durch das Feedback von den Investoren ergibt.
Felix Strohbichler: Für das Reporting und Investor Relations benötige ich rund 15 Prozent meiner Arbeitszeit. Dem gegenüber steht ein großer Mehrwert, der sich für das Unternehmen durch das Feedback von den Investoren ergibt.Palfinger

Ein externes Management ist bei einem Börsengang zwar nicht zwangsläufig ein Muss, wird aber in den meisten Fällen von Familienunternehmen eingesetzt. Die Beteiligung von Familien bleibt wichtig und viele Investoren wollen Familienmitglieder auch als Kernaktionäre dabei haben. „Letztlich gibt es für den Erfolg eines Unternehmens durch das Börsenlisting ein unmittelbares Feedback durch den Markt – kommen Zweifel am ausbalancierten Machtverhältnis auf, wird das der Markt bepreisen und ein Unternehmen zum Handeln gezwungen“, meinte Boschan.

Ein guter Mix

Hartnäckig hält sich das Vorurteil, börsennotierte Unternehmen würden aufgrund des Quartalszahlendrucks nur auf kurzfristige Ziele setzen, aber die Experten des Branchentalks erteilten dem eine klare Absage. „Wir denken 15 Jahre voraus. Da braucht es Investitionen und Forschung – das kann das Ergebnis zwar drücken, aber würden wir nicht langfristig planen, würden wir unsere Wettbewerbsfähigkeit aufs Spiel setzen“, sagte Machtlinger und bezweifelte, dass es börsennotiertes Unternehmen gebe, die nur von Quartal zu Quartal arbeiten. Bei Palfinger gibt es drei Investoren-Gruppen: Familienmitglieder, die extrem langfristig planen, um das Unternehmen auf Generationen zu sichern. Institutionelle Investoren, die vor allem bei Themen wie Digitalisierung, Automatisierung usw. mehrere Jahre vorausplanen und dann noch eine Gruppe von Investoren, die innerhalb von 12 Monaten denken. „Alles zusammen eine gesunde Balance, denn es kommt dem Unternehmen entgegen, einerseits kurzfristige Ergebnisse liefern zu müssen, aber gleichzeitig auch einen langen Fokus zu haben“, sagte Strohbichler.

Auf die Story kommt's an

Für einen Börsengang bedarf es einer gewissen Unternehmensgröße. Die Wiener Börse bietet verschiedene Marktsegmente, die unterschiedlichen Unternehmen einen Zugang ermöglichen. Erste Gespräche mit der Wiener Börse sind bereits ab einer zweistelligen Millionen-Bewertung möglich. In der Regel stellen sich aber Unternehmen mit Bewertungen im dreistelligen Millionenbereich an. Unter der Voraussetzung, dass alle Anforderungen erfüllt sind, ist ein Börsengang in der Regel in einem Zeitraum von sechs Monaten durchführbar. Der Prozess, von den ersten Gesprächen bis zum Listing kann sich aber auch über mehrere Jahre erstrecken. Bei FACC dauerte es von 2011 bis 2014. „Wir haben uns mehrere Märkte angesehen, von Hongkong über Frankfurt bis New York. Letztlich wurde es die Wiener Börse, weil es uns um Sichtbarkeit geht. Die haben wir nirgendwo besser als hier“, sagte Machtlinger.

Am allerwichtigsten ist die Story, um für Investoren interessant zu sein. „Das Geschäftsmodell muss passen und die Weiterentwicklung muss vielversprechend sein, um potenzielle Investoren zu überzeugen“, sagte Prehofer. Den ganzen Talk können Sie auf dem YouTube-Kanal der Wiener Börse nachsehen.

INFORMATION

Die Podiumsdiskussion ist eine Kooperation von „Presse“ und der Wiener Börse AG. Mit finanzieller Unterstützung.


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