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Die Quote ist nicht genug

Kristina Giacomelli, Marion Weinberger-Fritz und Sandra Bauernfeind sprachen sehr offen über Kommunikation unter Frauen, Familie und Beruf, Frauennetzwerke und die Notwendigkeit der Frauenquote.
Kristina Giacomelli, Marion Weinberger-Fritz und Sandra Bauernfeind sprachen sehr offen über Kommunikation unter Frauen, Familie und Beruf, Frauennetzwerke und die Notwendigkeit der Frauenquote. (c) Roland RUDOLPH
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Ausgesprochen. Um Frauen bessere Aufstiegschancen in Führungspositionen zu ermöglichen, braucht es Führungsteams, die mit dem traditionellen Rollenverständnis brechen und so den gesellschaftlichen Wandel ermöglichen.

Auf ihrem Karriereweg nach oben erleben Frauen viele Hindernisse und Barrieren. Studien haben gezeigt, dass Männer zwar große Wertschätzung gegenüber qualifizierten und ambitionierten Frauen ausdrückten, die Führungspositionen anstreben, aber dennoch vielfältige Vorbehalte gegen Frauen in Spitzenpositionen haben. Barrieren gibt es aber auch seitens der Frauen selbst. Manche schrecken davor zurück, in die Führungsebene aufzusteigen, da sie befürchten, als Frau mehr beweisen und deshalb mehr leisten zu müssen als ein Mann in derselben Position. Viele denken vor allem aber auch, dass es für sie angesichts der Belastungssteigerung noch schwerer werden wird, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Eine hilfreiche Maßnahme für die berufliche Weiterentwicklung von Frauen sind Vorgesetzte, die weibliche Mitarbeiter fördern und fordern. Für Jungunternehmerin Kristina Giacomelli stand von Anfang an fest, nur Frauen zu engagieren. „Ich denke, dass wir gerade deshalb so erfolgreich sind, weil wir ein reines Frauenteam sind“, sagte sie beim Branchengespräch. „Das kommt bei uns und auch bei unseren Kunden gut an. Außerdem glaube ich, dass es gerade hier von der Wahrnehmung her noch immer so ist, dass Frauen ein beratendes Auftreten haben. Das weckt das Vertrauen der Kunden mehr, als gleich direkt mit Verkaufsstrategien aufzuwarten. Das Vertrauen zum Kunden aufzubauen, ist mir wichtig. Daher suche ich mir meine Mitarbeiterinnen nach ihren sozialen Kompetenzen aus. Keine von ihnen hatte bei ihrer Einstellung Immobilienerfahrung.“ Bauernfeind bestätigte: „Das kann man lernen, wichtig ist ein guter Umgang mit den Kunden.“
„Ja“, fuhr Giacomelli fort. „Deshalb habe ich bevorzugt Mitarbeiterinnen eingestellt, die Hotellerie- oder Gastronomie-Erfahrungen mitbringen. Sie sind den Kundenkontakt gewöhnt und daher auch stressresistent.“ „Das kann ich nur bekräftigen“, sagte Bauernfeind. „Ich habe bevorzugt Flugbegleiterinnen engagiert, da sie im Umgang mit Menschen topausgebildet sind und gelernt haben, in stressigen Situationen ruhig zu bleiben.“

Die neue Offenheit

„Man ist ja nicht jeden Tag supergut drauf. Gelegentlich reagiert man unter Stress gereizt, da kann es mitunter auch einmal zu einem schrofferen Ton kommen. Ich bin aber immer ehrlich und fair und gestehe meinen Mitarbeiterinnen auch mal Üble-Laune-Tage zu. Es braucht Authentizität, um ein starkes Team zu haben“, beschrieb Kristina Giacomelli ihren Führungsstil und Umgang mit ihren Mitarbeiterinnen. „Ich finde, solang der gegenseitige Respekt beachtet wird, kann der Ton auch mal schroffer sein. Das ist für mich geschlechtsunabhängig“, sagte Sandra Bauernfeind.
„Hier habe ich allerdings die Beobachtung gemacht, dass Frauen Männern viel mehr verzeihen als Frauen“, stellte Marion Weinberger-Fritz fest. „Ich habe mitangesehen, was manche Assistentinnen bei ihren Chefs über viele Jahre hinweg erduldet haben. Oft denke ich, wenn ich so mit meinen Assistentinnen umgegangen wäre, dann hätte ich nicht so viel Geduld und Nachsicht erlebt.“ „Ich denke auch, dass Frauen gegenüber anderen Frauen viel strenger und weniger nachsichtig sind“, konstatierte Bauernfeind. „Das finde ich schade.“
„Ich denke, die Ursache dafür liegt darin, dass die klassische Rollenverteilung, bei der Männer im Beruf erfolgreich sind, während Frauen sich hauptsächlich um die Erziehung der Kinder kümmern, nach wie vor kein Auslaufmodell ist“, gab Giacomelli zu bedenken. „In vielen Familien hat sich dies durch die Pandemie sogar verstärkt. Es gibt daher immer wieder Frauen, die im Beruf Schwierigkeiten haben, Konfliktgespräche mit Frauen zu führen, weil sie es einfach nicht gewohnt sind. Sie haben von ihren Müttern über Generationen hinweg gelernt, stets die Bedürfnisse des Mannes in den Vordergrund zu stellen.“

Verschiedene Kommunikation

Bauernfeind warf ein: „Ich denke, dass Männer mit Konflikten anders umgehen. Die sehen das eher sportlich und gehen danach gemeinsam auf ein Bier. Frauen sind tendenziell konfliktscheu. Ich finde, Frauen sollten sich im Beruf mehr zutrauen und ihre Meinung geradeheraus äußern. Selbst wenn sie die einzige Frau unter zehn Männern ist, sollte sie keine Angst davor haben.“ Giacomelli erwiderte: „Tatsächlich war es lange Zeit so, dass ich den Fehler zuerst bei mir selbst gesucht habe, wenn ich auf Ablehnung gestoßen bin.“ „Und genau das ist typisch weiblich“, erwiderte Bauernfeind. „Hier ist Einsicht ein erster Weg zur Veränderung.“
„Wie gesagt, mit den Jahren wird man gelassener und selbstsicherer und es gelingt einem viel besser, solche Situationen zu meistern“, erwiderte Weinberger-Fritz. „Bis dahin braucht man als Frau aber Leidensfähigkeit und Kampfgeist. Als junge Rechtsanwaltsanwärterin habe ich so manche Dinge erlebt, die heute vor die Gleichbehandlungskommission kommen würden. Da war von sexueller Belästigung bis zu Diskriminierung alles dabei. Das ist als junge Frau, die gerade ins Berufsleben einsteigt, nicht gerade ermutigend. Aufgegeben habe ich trotz dieser vielen widriger Umstände nicht, im Gegenteil, ich habe dadurch einen gewissen Kampfgeist entwickelt. Letztlich muss man diese Situationen auch aushalten können und weitermachen. Das hängt natürlich stark von der Persönlichkeit ab. Keine Frau würde bei einem Meeting beispielsweise sagen: ‚Oh, heute ist aber ein hübscher junger Mann dabei.‘ Ich kann nur empfehlen, in solchen Situationen seinen eigenen Standpunkt zu vertreten. Man muss Männern kontra geben, dann sind die Fronten klar. Ich ermutige meine Mitarbeiterinnen immer wieder dazu, sich zu äußern, wenn sie etwas zu sagen haben. Das ist etwas, was man lernen muss, damit man sich auf dem Weg nach oben behaupten und durchsetzen kann.“ „Um nochmals darauf zurückzukommen“, warf Giacomelli ein. „Das traditionelle Rollenverständnis von ,Männer verdienen Geld, Frauen erziehen die Kinder‘ ist eine weitere Barriere für Frauen im Berufsleben. Ich gebe meinen Mitarbeiterinnen, die alle im gebärfähigen Alter sind, die Möglichkeit, ihr Kind mit zur Arbeit zu bringen, wenn es soweit ist, so wie ich es gemacht habe. Ich kann mir auch vorstellen, dass wir eine Betreuerin engagieren, die sich halbtags um die Kinder kümmert, während sich die Mütter um ihren Job kümmern. Dennoch glaube ich, dass sich das traditionelle Rollenverständnis nur langsam ändert.“

Mehr Selbstvertrauen

Die Einsicht zur Notwendigkeit einer veränderten Einstellung sei mittlerweile vorhanden, aber die Umsetzung lässt noch auf sich warten. „Ich finde, dass sich gerade in unserer Branche Familie und Beruf gut vereinbaren lassen, da man die Termine selbst vereinbaren kann“, sagte Bauernfeind. „Das ist in einer Führungsrolle natürlich etwas schwieriger, ist aber dennoch möglich. Ich erlebe aber viele Frauen, die nach dem ersten Kind ganz bewusst sagen, dass sie nicht mehr in den Job zurückkehren wollen, oder in Teilzeit gehen. Das ist die typische Falle, in die Frauen auch gedanklich reintappen, weil sie bei allen Aufgaben gut sein wollen. Ich glaube, dass Frauen einen höheren Anspruch haben, gut zu funktionieren, und den Mut zur Lücke nicht ausüben. Ich versuche daher meine Mitarbeiterinnen zu motivieren. Sie sollen es sich aussuchen können, wann sie und wie sie wieder aus der Karenz zurückkommen wollen. Ich empfehle ihnen aber auch, dass sie den Kontakt während ihrer Abwesenheit zur Firma halten. Ich kann schließlich nicht erwarten, dass ich, wenn ich zwei Jahre oder mehr wegen des Nachwuchses vom Unternehmen weg bin, nahtlos wieder anschließen kann.“ „Trotz dieser Möglichkeiten, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren, gibt es nicht viele Frauen, die den Weg nach oben tatsächlich gehen wollen“, gab Giacomelli zu bedenken. „Viele junge Menschen wollen diese harte Arbeit, die es eben auch braucht, um aufzusteigen, zudem nicht auf sich nehmen.“ Bauernfeind ergänzte: „Wenn man Kinder hat und arbeitet, schränkt das natürlich die Freizeit enorm ein. Will man jedoch beruflich weiterkommen, muss man Prioritäten setzen.“
„Das stimmt schon“, warf Marion Weinberger-Fritz ein. „Nur wenn ich mir die Führungsebenen ansehe, gibt es da meist die Quotenfrau, deren Posten natürlich immer mit einer Frau nachbesetzt wird, aber sonst sitzen in den oberen Etagen doch nur Männer. Ich denke, dass der Mangel an Frauen neben der ganzen familiären Problematik auch darin liegt, dass Vorstandsposten gar nicht ausgeschrieben werden, sondern von Männern mit Männern besetzt werden. Bringt man kein familiäres Netzwerk mit, dann hat man als Frau einfach keine Chance.“

Die Wahrnehmung der Männer

„Ich glaube, es ist auch wichtig, wie man die Quotenfrau kommuniziert“, sagte Giacomelli. „Ich habe bei vielen Gesprächen mit Männern erfahren, dass sie die Regelung der Quotenfrauen unnötig fanden. Sie gingen davon aus, dass die Person, die eine bessere Qualifikation mitbringt, auch den Posten bekomme, ganz gleich ob Mann oder Frau. Genaugenommen denken aber viele Männer nicht daran, die ebenso oder sogar besser qualifizierte Frau einzustellen, da so viele Eventualitäten eintreffen können, wie das Thema Kinder, um die sich ja noch immer zum Großteil die Frauen kümmern müssen. Ich finde, man müsste viel mehr darüber reden, warum es noch immer die Quotenregelung gibt.“
„Viele Frauen trauen sich aber auch nicht, so einen Posten anzustreben“, ergänzte Bauernfeind. „Das weibliche Selbstverständnis funktioniert anders. Männer sind viel selbstbewusster, oftmals in ihren Forderungen auch dreister. Ich ermutige Frauen deshalb, die das Potenzial zu einer Führungskraft haben, und unterstütze sie, sich mehr zuzutrauen.“
„Das Dilemma mit der Quotenfrau ist zudem“, entgegnete Weinberger-Fritz, „dass viele meinen, dass es einfach keine Frauen gäbe, die sich bewerben. Sonst würden ja mehr Frauen in den Führungsriegen sitzen. Ich war früher auch gegen die Quotenregelung, aber mittlerweile sehe ich das anders, denn ich sehe, dass Frauen selten die Chance haben, hohe Führungspositionen zu bekommen. Wir müssen alle noch viel dazulernen, um eine genderorientierte Führungskultur zu erreichen. Ich glaube aber, je mehr Frauen in der Führungsriege sitzen, desto gewohnter wird die Situation für alle.“

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