Vampire sind so beliebt wie nie zuvor: Jugendliche Kinogänger strömen in Scharen in die "Twilight"-Filme, im Fernsehen machen Serien wie "The Vampire Diaries" und "True Blood" (im Bild) die Untoten zu Helden. Sie alle greifen auf eine alte Tradition zurück: Vampirmythen gibt es fast schon so lange wie die menschliche Fantasie. Von Heide Rampetzreiter
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Die Angst vor dem Toten, der Energie abzapft, zieht sich quer durch die Kulturen. In Südosteuropa entwickelten sich schon vorchristlicher Zeit Kulte, die von Wesen berichteten, die aus Gräbern steigen und Menschen anfallen. Aus der slawischen und rumänischen Mythologie wanderten diese Geschichten dann nach Westeuropa. Im Bild: In Venedig wurde 2009 das Grab dieses "Vampirs" gefunden
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In die Popkultur kam der Vampir über die Literatur: Bram Stoker fasste verschiedene Mythen in seinem "Dracula" von 1879 zusammen. Als blutdurstige Hauptfigur diente ihm der rumänische Fürst Vlad der Pfähler, auch Drăculea (Sohn des Drachen) genannt. Er war bekannt dafür, dass er außen- und innenpolitische Feinde bei lebendigem Leib pfählen ließ.
Abstoßend und grausig waren die Vampire damals, freilich standen auch sie schon für sublimierte sexuelle Begierde mit ihren nächtlichen Besuchen und dem Eindringen der Vampirzähne in den meist weiblichen Körper. Nicht zufällig sind die begehrten Opfer gern jungfräuliche Frauen.
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Schon vor Stokers "Dracula" faszinierte der Untote Schriftsteller: Der Arzt John Polidori, der über das Schlafwandeln promovierte, erfand 1816 Lord Ruthven und machte den Untoten erstmals zum Adeligen. Verfasst hatte er "The Vampyre" am Genfersee aus einem dichterischen Wettstreit mit Lord Byron sowie Mary Shelley und Percy Bysshe Shelley heraus. Als Vorbild soll Lord Byron, legendärer Frauenheld und Autor, gedient haben.
Den ersten weiblichen Vampir schuf der Ire Sheridan Le Fanu mit seiner 1872 erschienenen Novelle "Carmilla", die in der Steiermark spielt. Ihre Begierde gilt einem jungen Mädchen – damit ist Carmilla ebenfalls Symbol für unterdrücktes Begehren und eine Vorläuferin für lesbische Vampire. Im Bild: Edward Munch "Der Vampir", 1893 (Ausschnitt)
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Auch für die Vampirin findet man historische Vorbilder, allen voran die ungarische Gräfin Elisabeth Báthory. Zwischen 36 und 650 junge Mädchen soll sie auf ihr Schloss gelockt und ermordert haben. Das Bad im Blut von Jungfrauen sollte ihr zu ewiger Jugend und Schönheit verhelfen. Im Bild: Szene aus dem Film "Die Gräfin" mit Julie Delpy als Elisabeth Báthory
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Bereits in der Frühzeit des Kinos wurde der Vampir zum Leinwandhelden: 1909 erschien "Vampire of the Coast". 13 Jahre später prägte Schauspieler Max Schreck in Friedrich von Murnaus Klassiker "Nosferatu" das Bild des Vampirs.
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Zum legendären Untoten wurde auch Bela Lugosi. Praktisch jedes Jahrzehnt hatte "seinen" Vampir. Einen grundlegenden Wandel vollzogen die Untoten aber erst in den Neunzigern.
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Deutlicher zum Vorschein kamen Triebe ab den 1960ern: In Roman Polanskis "Tanz der Vampire" steht noch die junge Frau (Polanskis später ermordete Ehefrau Sharon Tate) im Mittelpunkt des Begehrens.
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In den Neunzigern bekamen Vampire eine Seele: Der Graf Dracula (Gary Oldman) in Francis Ford Coppolas "Bram Stoker's Dracula" von 1992 ist mehr als ein sexuelles Ventil, er ist auch ein unglücklich Liebender. Als tragische Figur wird er bemitleidens- und liebenswert.
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Mitte der Neunziger waren sie endgültig nicht mehr hässlich und abstoßend, sondern schön und begehrenswert: Neil Jordan verfilmte 1994 Anne Rice's Vampirroman "Interview mit einem Vampir" mit Tom Cruise und Brad Pitt in den Hauptrollen. Homosexuelle Spannung und Gewissensbisse: Die schöngeistigen Lestat und Louis waren "edle" Vampire, insbesondere letzterer scheute das Morden.
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Erneut einen Wandel vollzogen die unsterblichen Blutsauger nach der Jahrtausendwende: In Stephenie Meyers mit großem Erfolg verfilmter "Twilight"-Reihe entsagt sich der sensible "vegetarische" Vampir Edward Sex mit den Mädchen Bella vor der Hochzeit. Hauptdarsteller Robert Pattinson wurde so zum (unwilligen) harmlosen Sexsymbol für junge Frauen.
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Mit "True Blood" ist der animalische Trieb in den Vampirmythos zurückgekehrt. Es geht um Blut, Drogen und Sex. Nach der Erfindung von künstlichem Blut "outen" sich die Vampire und fordern ihren Platz in der Welt. In der HBO-Serie gibt es gar einen eigenen Begriff für Männer und Frauen, die es auf Sex mit einem Vampir abgesehen haben: Man nennt sie "Fangbanger". Dass ihr Begehren tödliche Folgen haben kann, nehmen sie in Kauf. Der Vampir ist auch unterhalb der Gürtellinie gefährlich. Im Bild: Alexander Skarsgard als Vampir Eric in "True Blood"
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Aber nicht nur in Zeiten, in denen sich Geschlechterverhältnisse und Tabus ändern, tritt der Vampir verstärkt zum Vorschein: Er wird dann besonders lebendig, wenn technische Neuerungen auftreten. War es um die Jahrhundertwende der Film, der die Untoten aus den Gräbern lockte, ist es nun das Internet. Das Netz ist auch die liebste Spielwiese von Fans, die sich selbst als Vampire sehen oder – harmloser – selbst Vampirgeschichten verfassen.
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Die Erotik der tödlichen Untoten
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