Wenn der Abschluss nichts wert ist

Matura. Deutschland akzeptiert die Berufsreifeprüfung nicht. Ein Betroffener müsste ein Jahr in Österreich studiert haben. Grund könnte ein bilateraler Konflikt sein.

Das Anliegen, das mich für diese Woche erreicht hat, wirft ein eigenartiges Licht auf den Wert der österreichischen Matura. Ein Österreicher ergreift über den zweiten Bildungsweg die Chance, die Berufsreifeprüfung zu absolvieren (in Österreich wird diese als vollwertige Matura anerkannt). Nach einer Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer bewirbt er sich bei deutschen Fluglinien.

Diese verlangen ein Abitur, eine Matura, eine fachgebundene Hochschulreife oder eine Fachhochschulreife. Seine Berufsreifeprüfung wird paradoxerweise immer wieder abgelehnt. Zur Anerkennung der Berufsreifeprüfung in Deutschland müsste er ein Jahr in Österreich studiert haben. In seiner Situation ergibt das keinen Sinn; er würde unnötig einen Studienplatz belegen.

Die deutsche Kultusministerkonferenz antwortet auf meine Nachfrage folgendermaßen: „Der Beschluss, dass die Berufsreifeprüfung in Deutschland den Hochschulzugang erst in Verbindung mit dem Nachweis eines einjährigen erfolgreichen Hochschulstudiums ermöglicht, ist jüngst nach erneuter Überprüfung bestätigt worden.“ Die Studienberechtigungsprüfung hingegen wird (obwohl diese keine Matura ist) als deutsche fachgebundene Hochschulreife akzeptiert. Die einfachste Lösung wäre, dass in Österreich die Fächer der Matura für die Studienberechtigungsprüfung anerkannt werden. Die Nachfrage beim Unterrichtsministerium überrascht: Eine Anerkennung ist nicht vorgesehen und der Versuch, die Studienberechtigungsprüfung nachzuholen, ist dem Betroffenen verwehrt, weil er bereits die (höherwertige) Matura absolviert habe.

Die Situation ist der österreichischen Bildungspolitik bereits seit Längerem bekannt. Informelle Quellen sprechen von einem bilateralen Konflikt. Deutschland erwarte die Anerkennung der mittleren Reife durch Österreich und verweigere bis dahin die Anerkennung der österreichischen Berufsreifeprüfung als Matura.

Die Zuständigen sind aufgerufen, dringend in Verhandlungen zu treten, um diese Situation positiv aufzulösen. Die Anerkennung der Matura für die entsprechenden Anteile der Studienberechtigungsprüfung wäre als kurzfristige Lösung für die sofortige Umsetzung geeignet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2011)


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