Stille Autorität: Über die Dynamik der Anerkennung

Echte Autorität braucht keinen Jubelruf. Sie strahlt aus und findet Anerkennung im Handeln. Wo erlebe ich sie?

Der jetzige General der Jesuiten, Pater Adolfo Nicolas, ist gebürtiger Spanier, im Herzen aber Japaner, und seine Liebe zu diesem Land verbirgt er nicht. Das japanische Volk habe nicht nur mit Disziplin und Professionalität auf die dreifache Katastrophe des Erdbebens, des Tsunami und des atomaren Unfalls reagiert, sondern mit echtem Mitgefühl und im Geist gegenseitiger Hilfe: „Wenn Gott dort nicht am Werk ist, wo sonst? Das ist keine Frucht christlicher Mission. Gottes Wirken ist frei, anders und größer als wir uns vorstellen können.“

Nicolas betont nicht nur die Freiheit Gottes, sondern auch jene der Menschen. „Wir Jesuiten vertrauen unseren Leuten. Ein Jesuit soll sein Leben in Freiheit hingeben. Welchen Wert hätte sein Einsatz sonst?“ Was die Kirche heute brauche, seien Tiefe, Kreativität und Geist.

Das Auftreten dieses Chefs einer weltweit tätigen Organisation entspricht seinem Zeugnis für die Freiheit. Wenn Nicolas vor seinen jesuitischen Mitbrüdern auftritt, die nicht gerade als unkritisch oder überschwänglich bekannt sind, kommen ihm Freude, Dankbarkeit und sogar Ehrfurcht entgegen.

Joh 12,13

„Sie riefen: Hosanna!“

Echte Autorität braucht keinen Jubelruf. Sie strahlt aus und findet Anerkennung im Handeln. Kritische Distanz gegenüber „Heil!“-Rufen der Massen für charismatische Führer hat nicht erst das 20. Jahrhundert gelehrt.

Diese politische Grundeinsicht kommt schon in den großen biblischen Erzählungen zum Ausdruck. Beim Bundesschluss auf dem Sinai beschwört das Volk Israel dreifach seine Loyalität gegenüber der Autorität des göttlichen Rechts. Doch bei der ersten Gelegenheit wendet es sich von Gott ab und dem Goldenen Kalb zu.

Als Mose nach vierzig Jahren der Wüstenwanderung mit der neuen Generation des Volkes den Bund schließt, beschwört er sie, die Entscheidung für das göttliche Gesetz, für das Leben und gegen den Tod zu treffen. Erst in den allerletzten Versen der fünf Bücher Moses erfahren wir, dass das Volk nun nach Moses Weisung und damit nach dem göttlichen Gesetz handelte. Der stillschweigende Gehorsam Israels gegenüber Mose bezeugt seine Autorität.

Eine solche Dynamik der Anerkennung zeigt sich im Neuen Testament. Als Jesus in Jerusalem einzieht, jubeln die Massen: „Hosanna!“ Das hebräische Wort bedeutet: „Rette doch!“ Wenige Tage später wird dieselbe Menschenmenge Jesus kreuzigen lassen. Nach der Auferstehung gibt es keine Jubelrufe mehr.

Die vier Evangelien berichten stattdessen von intimen Begegnungen mit dem Auferstandenen und von Jesu Auftrag, die christliche Botschaft in der ganzen Welt zu verkünden.

Dies ist die stille Autorität eines sanft strahlenden Auferstandenen, wie ihn hellsichtige Maler dargestellt haben, etwa Mathias Grünewald im Isenheimer Altar. Wo erlebe ich solch glaubwürdige Autorität?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2011)

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