Altbau: Wieviel hält der Boden aus?

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Betritt man forschen Schrittes das Parkett, schwingt der Boden in alten Häusern oft bedrohlich. Grund zur Beunruhigung ist dies aber nur relativ selten.

Sollte man vorsichtshalber auf Zehenspitzen durch die Wohnung trippeln, weil es wackelt im Gebälk? Ganz und gar nicht notwendig, versichert Reinhold Romirer, Geschäftsführer von Zinglbau. Im Gegenteil: Altbauholzdecken, (Dübel-)Tramdecken genannt, sind äußerst stabil und hoch belastbar, sogar belastbarer als Beton – gerade weil Holz biegsam ist. Auch wenn der Verputz feine Haarrisse bekommt, ist das noch lange kein Grund zur Beunruhigung, es zeigt nur, dass der Putz im Unterschied zur Holzkonstruktion nicht elastisch ist. „Man kann sich das vorstellen wie ein lackiertes Gummiband“, gibt Baumeister Romirer ein Beispiel. „Zieht man daran, passiert dem Gummiband lange nichts, aber der Lack blättert rasch ab.“

Ächzen ist Alarmzeichen

Gibt es starke Risse oder hängt die Decke beim Nachbarn unterhalb durch, sind das aber sehr wohl Anzeichen für Probleme. „Man kann das auch hören, denn die Decke stirbt nicht leise, sie fängt an zu ächzen und zu stöhnen“, beschreibt Baumeister Hans Herbert Grüner. Ob es wirklich ernst zu nehmende Mängel gibt, ist für den Laien nicht feststellbar, hier braucht es einen Fachmann.

Mögliche Ursachen für Schäden an Althausböden sind Käferbefall oder ein Holzschwamm, meist ist es aber Nässe, die das Holz angreift, und dafür ist nicht selten der Bewohner selbst verantwortlich – der aktuelle oder jene, die schon vor langer Zeit im Haus gelebt haben. Häufig sind es unsachgemäß eingebaute Nassbereiche, die Fäulnis verursachen, denn trotz Verfliesung kann Feuchtigkeit leicht einsickern, vor allem zwischen Wand und Boden.

Bei Verdacht auf Schwierigkeiten muss der Fachmann den ganzen Boden öffnen. Zuerst wird der Parkett- oder Steinboden abgetragen, darunter kommen eine Holzkonstruktion, über der eine sogenannte Beschüttung – für das Laienauge einfach Schutt – liegt. Sie dient als Schalldämmung, aber auch als Brandschutz. Darauf ist zu achten, wenn saniert wird: „Keinesfalls darf die Beschüttung durch brennbares Material ersetzt werden“, warnt Baumeister Walter Brusatti. Unter der Beschüttung befinden sich die namengebenden Trame, Holzbalken, die im Abstand von bis zu einem Meter angebracht sind, darunter eine Bretterdecke, Schilfmatten und schlussendlich der Verputz.

Behoben werden Probleme etwa, indem ein neuer Tram zwischen bestehende gehängt wird. Ist der Schaden zu groß, muss eine tragende Decke errichtet werden. Vorteile: in diese lassen sich wie im Neubau Leitungen oder eine Fußbodenheizung einbauen und der Boden wird durch den Estrich eben. Dass er das im Altbau nicht ist, liegt an der Beschüttung – die verschiebt sich im Lauf der Zeit.

Wie belastbar ist eine gesunde Tramdecke? 200kg pro Quadratmeter Flächenlast sind gesetzlich erlaubt, weiß Brusatti. Was bedeutet, dass etwa der Einbau eines Kachelofens problematisch ist. In so einem Fall muss die Decke verstärkt oder die Last über eine tragende Wand abgeleitet werden.

Punktuelle Belastungen heikel

Jeder Umbau, der eine Gewichtserhöhung zur Folge hat – auch das Verlegen eines Estrichs – ist genehmigungspflichtig. Vorsicht ist auch bei punktuellen Belastungen wie einem schweren Kasten, der auf Füßen steht, geboten.

Fernab aller Grenzwerte ist das Vertrauen der Fachleute zu Holzdeckenkonstruktionen aber groß: Romirer beteuert, er würde sogar mit einem Lkw auf eine entsprechend konstruierte Holzdecke fahren. Allerdings: allein in Wien passiert es ein, zwei Mal im Jahr, dass eine Tramdecke einsturzgefährdet ist. „Es gibt in der Hauptstadt zirka 35.000 Gründerzeithäuser, davon haben knapp 100 einen Mangel“, so Brusatti, der auch als Gutachter tätig ist. Und er hat eine beruhigende Nachricht für die Altbaubewohner in Wien: Laut rot-grünem Wiener Regierungsübereinkommen soll die regelmäßige Kontrolle aller Häuser, die älter als 50 Jahre sind, noch in dieser Legislaturperiode verpflichtend werden. Vertrauen ist gut, Kontrolle besser.

Stichwort „Tram“

Unter „Tram“ versteht man einen aus einem Baum geschnittenen Holzbalken. Am Bau werden solche Balken etwa für Dachstuhl und Zwischendecken verwendet. Bei Decken und Böden hat Massivbauweise nach dem Zweiten Weltkrieg die Tramkonstruktionen verdrängt. Im Zuge des Trends zu umweltbewusstem Bauen erleben sie aber vor allem bei Einfamilienhäusern eine Renaissance. Die Konstruktion ist ähnlich wie bei Altbauten – aber mit statischer Berechnung.

Die Tramway hat ihren Namen übrigens von den Schienen, die früher aus Holz gefertigt wurden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.06.2011)

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