Julia Timoschenko
Aufstieg und Fall der ''Gasprinzessin''

Julia Timoschenko war 2004 Galionsfigur der pro-westlichen Orangenen Revolution in der Ukraine. 2005 übernahm die heute 53-jährige das Amt der Ministerpräsidentin der Ex-Sowjetrepublik. Doch ein 2009 unterzeichnetes Gasabkommen mit Russland wurde ihr bald zum Verhängnis. Nun will sie an die Staatsspitze. Der Weg der umstrittenen Politikerin im Überblick. ..
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Geboren wurde sie am 27. November 1960. Ihre Karriere begann als Wirtschaftsingenieurin in einer Maschinenfabrik. Danach übernahm sie gemeinsam mit ihrem Mann von 1995 bis 1997 die Leitung des ukrainischen Erdgasunternehmens EESU. In dieser Zeit erhielt sie den Spitznamen "Gasprinzessin" .
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Daneben begann sie sich vermehrt für die politische Lage in der Ukraine zu engagieren. Im Jahr 1996 wurde sie mit großer Stimmenmehrheit für den Wahlkreis Kirowohrad in das ukrainische Parlament gewählt.
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Schon in dieser Zeit zeichnete sich Timoschenko als Rednerin aus.Die Frau mit dem geflochtenen blonden Haarkranz als Markenzeichen präsentierte sich bereits zu Beginn ihrer politischen Laufbahn als Vorkämpferin für soziale Gerechtigkeit.
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Im Jahr 1999 wurde sie unter Ministerpräsident Viktor Juschtschenko dessen Stellvertreterin. Als solche war sie für den Energiebereich verantwortlich. Ihr Ziel war es, Oligarchen Steuerschlupflöcher zu verbauen - eine Ambition, die zu ihrer Entlassung führte.In dieser Zeit gründete sie die Partei Batkiwschtschina, deren Vorsitzende sie bis heute ist.
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Nach ihrer Entlassung musste die Politikerin 2001 einige Wochen im Gefängnis verbringen. Zur Last gelegt wurden ihr die Fälschung von Zolldokumenten und der Schmuggel von Gas. Sie wurde in allen Punkten freigesprochen.
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Bei den Parlamentswahlen 2002 trat ihre Partei in einem Bündnis mit anderen Parteien als "Block Julia Timoschenko" an und erreichte 7,2 Prozent der Wählerstimmen. In der Opposition entwickelte sie sich neben Viktor Juschtschenko zu einer treibenden Kraft gegen die autoritäre Herrschaft des Präsidenten Leonid Kutschma.
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Gemeinsam mit Juschtschenko führte sie im Jahr 2004 die "Orange Revolution" an. Damals trieben Wahlfälschungen bei der Präsidenten-Stichwahl die Massen auf die Straße.Nach Juschtschenkos Wahl zum Präsidenten machte er Timoschenko zur Ministerpräsidentin.
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Als Ministerpräsidentin schreckte sie mit ihren radikalen Forderungen nach einer Überprüfung der Privatisierungen im Land viele Investoren ab.
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Bereits nach acht Monaten, im September 2006, musste die erste Frau das Amt des Ministerpräsidenten wieder aufgeben. Der Vorwurf lautete: Korruption.
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Bis dahin hatte sie sich zudem mit dem zweiten Revolutionshelden, Präsident Viktor Juschtschenko, überworfen. Der Streit zwischen den beiden ehrgeizigen Repräsentanten des orangen Lagers setzte sich auch nach dem erneuten Wahlsieg der Reformer im März 2006 fort.
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Im Dezember 2007 wurde Timoschenko erneut Regierungschefin. Die Koalition zwischen ihr und Juschtschenko zerbrach aber im März 2010. Im selben Jahr trat Timoschenko bei der Präsidentschaftswahl an, landete dabei aber hinter Viktor Janukowitsch auf dem zweiten Platz.
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Immer wieder wurde Timoschenko mit Vorwürfen des Amtsmissbrauchs konfrontiert. Schließlich wurde sie angeklagt und am 5. August 2011 in Untersuchungshaft genommen. Am 27. September beantragte die Staatsanwaltschaft eine Strafe von sieben Jahren, die Verteidigung verlangte einen Freispruch. Am 11. Oktober 2011 wurde Timoschenko schuldig gesprochen.
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Timoschenko verteidigte sich: "Ich habe meinen Weg selbst gewählt." "Das ist alles ein Test, aber ich werde meinen Kampf für eine europäische Zukunft der Ukraine fortsetzen", sagte Timoschenko und bedankte sich bei ihren Anhängern: Tausende Menschen demonstrierten am 11. Oktober 2011 in Kiew für ihre Freilassung.
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Ende Dezember 2011 wurde Timoschenko in ein Straflager im ostukrainischen Charkow verlegt. Bald häuften sich Gerüchte, dass sie ernsthaft erkrankt sei. Spezialisten der Berliner Charité untersuchten sie dort und mahnten eine Therapie außerhalb der Haftanstalt an. Timoschenko kam daraufhin für kurze Zeit in ein Krankenhaus der Stadt Charkow, wurde dann aber ins Straflager zurückgebracht.
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Nach dem erzwungenen Klinik-Transport soll ihr Körper nach Angaben ihres Anwalts schwere Blutergüsse aufweisen. Auch soll es in ihrer Zelle viel zu kalt sein und die Politikerin an Rückenschmerzen leiden. Aus Protest gegen ihre Haftbedingungen trat sie daher am 20. April 2012 in einen Hungerstreik.
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Timoschenkos Tochter versuchte immer wieder ihre Landsleute zum Beistand für ihre Mutter zu mobilisieren. "Ich wende mich an jeden Ukrainer: Seien Sie nicht gleichgültig!", so Jewgenija auf ihrer Homepage. Der im tschechischen Exil lebende Mann Timoschenkos warf dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch indes vor, das Leben der 51-Jährigen auslöschen zu wollen. "Er ordnet Folter und Schikane an."
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Am 9. Mai 2012 wurde die ukrainische Oppositionsführerin schließlich aus ihrer Gefängniszelle in Charkiw in ein örtliches Krankenhaus verlegt. Wenige Tage später kam ein deutscher Arzt zu Timoschenko in die Klinik, um ihre Behandlung zu unterstützen. Am 15. Mai brach die 51-Jährige ihre Behandlung allerdings ab, weil ihre Therapiepläne veröffentlicht wurden.
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Am 21. Mai wurde ein zweiter Strafprozess gegen Timoschenko wegen angeblicher Steuerhinterziehung und Veruntreuung vertagt. Weitere schwere Anschuldigungen der Justiz sorgten schon im Jänner 2013 für Aufsehen: Timoschenko müsse sich auch wegen Mordes an einem Abgeordneten verantworten, den sie 1996 in Auftrag gegeben habe.
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Im April 2013 rügte die kleine Kammer des EGMR schließlich die Ukraine und kritisiert die Inhaftierung Timoschenkos einstimmig als "willkürlich" und "rechtswidrig". Timoschenko hatte wegen der Haftbedingungen geklagt, zudem wirft sie der Ukraine vor, das Strafverfahren gegen sie sei politisch motiviert gewesen.
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Im Oktober behauptete der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch, er wolle die inhaftierte Oppositionspolitikerinins Ausland ausreisen lassen. Wenn das Parlament einem entsprechenden Gesetz zustimme, werde er dieses auch unterzeichnen, sagte Janukowitsch. Mit einer Freilassung der "gefallenen Gasprinzessin" wäre die Bahn frei für ein Assoziierungsabkommen der Ukraine mit der EU gewesen.

Das Gesetz kam vorerst nicht zustande, genauso wenig wie das EU-Assoziierungsabkommen. Dass Janukowitsch Brüssel einen Korb gab, löste Massenunruhen aus. Am 22. Februar übernahmen die Regierungsgegner die Kontrolle über das Parlament - und beschlossen auch die Freilassung Julia Timoschenkos.