Psychotherapie: Neues Zentrum für kranke Kinder

Behandlungsdefizite. Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen nehmen zu. Nur ein Drittel der Betroffenen ist in Behandlung. Die Wiener Gebietskrankenkasse bietet ein neues Behandlungs- und Beratungszentrum an.

Wien/Ib. Leistungsprobleme in der Schule, familiäre Spannungen, Handy- oder Internetsucht: Psychische Erkrankungen nehmen zu – auch bei Kindern und Jugendlichen. Zu Pubertätskrisen und Ängsten kommen Essstörungen sowie Trauerarbeit nach Verlusten hinzu. Bis zu 25 Prozent der Kinder und Jugendlichen würden eine Therapie brauchen, so der Wiener Landesverband für Psychotherapie gegenüber Radio Wien.

Doch nur ein Drittel der Betroffenen sei in Behandlung. Grund dafür seien unter anderem mangelnde Therapieplätze sowie die Kosten.

Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) erweiterte nun in Kooperation mit der Sigmund-Freud-Universität ihr Angebot für Kinder und Jugendliche: Seit Montag gibt es im Gesundheitszentrum der WGKK in der Andreasgasse im siebten Bezirk ambulante Behandlung und Beratung für Betroffene.

Rund 160 Kindern und Jugendlichen im Jahr soll dadurch geholfen werden.

Das Angebot steht allen Versicherten der WGKK kostenlos zur Verfügung. Der Bedarf sei riesig und es gebe lange Wartezeiten, sagt Alfred Pritz, Rektor der Sigmund Freud Universität. „Der Trend geht weg von körperlichen Erkrankungen hin zu seelischen Störungen. Eine Einrichtung wie diese müsste es in jedem Wiener Bezirk geben.“ Nach Überweisung vom praktischen Arzt wird den Betroffenen ein Erstgespräch sowie eine klinisch-psychologische Untersuchung angeboten. Je nach Diagnose folgen anschließend Einzel- oder Gruppenpsychotherapien.

Auch Eltern in Beratung

Doch auch Eltern und andere Bezugspersonen bekommen im Gesundheitszentrum Hilfe. Bei ihnen sei das Ausmaß an Hilflosigkeit sehr groß, so Pritz.

Zehn Therapeuten werden das Zentrum betreuen. Die Umbaukosten beliefen sich auf 50.000Euro. Doch „wer Kindern hilft, spart Kosten an der Gesellschaft“, sagte Gesundheitsminister Alois Stöger (SP) am Montag bei einem Pressegespräch.

„8000 Kinder unter zehn Jahren nehmen Psychopharmaka in einem hohen Ausmaß“, sagt Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse. Auch im Erwachsenenalter sind psychische Erkrankungen verbreitet: 900.000 Österreicher sind betroffen, 840.000 erhalten Psychopharmaka verschrieben, 78.000 sind arbeitsunfähig.

17 Millionen Ausgaben

Über 17 Millionen Euro werden für Psychotherapien ausgegeben, so Stöger. Bei privaten Therapiestunden bekommen Betroffene einen Krankenkassenzuschuss von rund 22 Euro. Für mehr finanzielle Unterstützung würde das Budget nicht reichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2011)

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