Das Phänomen ist so alt wie Hollywood: Wenn ein europäischer Film Erfolg oder wenigstens eine gute Story hat, wird er in den USA nachgedreht. So geschehen auch bei der Verfilmung von Stieg Larssons Bestseller-Trilogie, die man unter dem Namen "Millennium" kennt. Aber diesmal - das muss man zugeben - behält Hollywood mit seinem Neuaufguss, der Anfang 2012 in die Kinos kam, wohl Recht. Text: her
Erst drei Jahre vor der US-Neuverfilmung kam der erste Teil der Trilogie, "Verblendung", in die Kinos - und wurde ein Hit. In Skandinavien hält er bis heute einen Einspiel-Rekord. Kein Wunder, denn Regisseur Niels Arden Oplev, der bis dahin Fernsehfilme gedreht hatte, brachte den ersten Roman packend und düster auf die Leinwand. Auch die Besetzung passte: Michael Nyqvist spielte den Journalisten Mikael Blomkvist und Noomi Rapace die Hackerin und Schnüfflerin Lisbeth Salander, die eine dunkle Vergangenheit quält.
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Trotz des Erfolges von Teil eins wurde für den zweiten Teil der Trilogie der Regisseur ausgetauscht: Daniel Alfredson lenkte fortan die Geschicke und es ging es bergab. Der zweite und dritte Teil, "Verdammnis" und "Vergebung", haben das Niveau und die Optik von Fernsehfilmen. Auf der großen Leinwand wirkten sie zu blass. Fürs Fernsehen machte man aus allen drei Filmen eine sechsteilige Miniserie.
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Zu hoffen ist nur, dass die amerikanische Trilogie nicht das gleiche Schicksal erleidet wie die schwedische. Denn in der US-Version von "Verblendung" erwies sich die Wahl des Regisseurs als Glücksfall: David Fincher drehte Filme wie "Fight Club", "Sieben" und "The Social Network" und gilt als Spezialist für Düsternis und psychologische Abgründe.
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In die Hauptrollen schlüpften James-Bond-Darsteller Daniel Craig (Mikael Blomkvist) und Jungstar Rooney Mara (Lisbeth Salander). Währen diese beiden schon zugesagt haben, Teil zwei zu drehen, zögert Regisseur Fincher noch. Lange war es ruhig um das Filmprojekt, seit Sommer 2013 gibt es einen neuen Drehbuchautor.
Zum Plot: Der beruflich desavouierte Journalist Mikael Blomkvist erforscht für eine reiche Industriellenfamilie den Mord an einem jungen Mädchen, das vor 40 Jahren verschwand. Unterstützung bekommt er von der jungen, entmündigten Hackerin Lisbeth Salander.
Der Film ist nicht jugendfrei: Er zeigt unter anderem eine Vergewaltigung. Zum Plot passt auch der schwedische Originaltitel besser als der deutsche: "Männer, die Frauen hassen". Im Englischen wurde daraus "The Girl With The Dragon Tattoo".
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Gespannt waren die Kritiker und Fans vor allem auf die Darstellung der Lisbeth in der US-Version: Denn Noomi Rapace heimste für ihre Darstellung der verschlossenen, hochintelligenten und durchaus zu Gewalt fähigen Heldin Lob und Preise ein. Inzwischen dreht auch sie Hollywood-Filme, zuletzt "Sherlock Holmes". Große Fußstapfen für Rooney Mara.
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Der Amerikanerin ist ist gleichzeitig härter und weicher als Rapace: In den Gewaltszenen wirkt sie brutaler als die Schwedin, aber auch zerbrechlicher. Das liegt mitunter an ihrer Jugend: Mara war bei den Dreharbeiten 26, die Roman-Lisbeth 24 Jahre alt.
Für Mara, die aus einer Football-Dynastie stammt (ihr Großvater gründete die Pittsburgh Steelers), ist "Verblendung" bereits die zweite Zusammenarbeit mit Fincher: In "The Social Network" spielte sie die Freundin von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg (Jesse Eisenberg).
Während Mara vor "Verblendung" wenig Bekanntheitsgrad besaß, war die Besetzung des Mikael Blomkvist umso berühmter: Daniel Craig kämpft im Film gegen sein Image als harter Macho James Bond an. Manchmal zum Gaudium der Zuschauer: Etwa, wenn Craig wegen einer kleinen Wunde auf der Stirn minutenlang jammert. Das mag man ihm nicht so recht abkaufen.
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Künstlerisch übertrifft die US-Version von "Verblendung", in der auch Christopher Plummer, Stellan Skarsgård und Robin Wright mitspielen, den schwedischen Vorgänger. Sie hält sich recht genau an die Buchvorlage und entwickelt trotz Überlänge - 160 Minuten, die zwei Helden treffen erst nach über einer Stunde aufeinander - einen unerbittlichen Sog. Finanziell startete der Film enttäuschend: Nur 13 Millionen Dollar spielte er an seinem Eröffnungswochenende in den USA ein. Weltweit spielte er 233 Millionen Dollar ein - damit sind die 80 Millionen Dollar Produktionskosten drin.
Autor Stieg Larsson hat seinen weltweiten Erfolg (75 Millionen verkauften Exemplaren von "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung") übrigens nicht mehr erlebt: Er verstarb 2004 50-jährig an einem Herzinfarkt, kurz nachdem er die Manuskripte beim Verlag ablieferte. Vorrangig galt Larsson als führender Experte für faschistische und rechtsextreme Gruppen, Mitte der 1990er Jahre hatte er die Anti-Rechtsextremismus-Zeitschrift "Expo" gegründet. Sein plötzlicher Tod löste einen Erbstreit aus.
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Seine langjährige Lebensgefährtin Eva Gabrielsson und sein Vater und Bruder stehen sich darin erbittert gegenüber. Überdies scheint es ein unfertiges Manuskript des vierten Bandes der ursprünglich auf zehn Teile angelegten Serie zu geben. 2010 ließ Gabrielsson damit aufhorchen, dass sie sowohl inhaltlich wie auch formal an der Entstehung der Bücher beteiligt war.
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Schweden vs. Hollywood
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