Symbolische Taten, die Flächenbrände entfachen

Nur wenige heroische Aktionen lösen Revolutionen aus. Aber Menschen, die Zeichen setzen, sind zweifellos in meiner Nähe.

Obwohl Jesus so viele Zeichen vor ihren Augen getan hatte, glaubten
sie nicht an ihn.

Joh 12,37

Mohamed Bouazizi war 26 Jahre alt, als er sich inmitten einer belebten Straße von Sidi Bouzid mit Benzin übergoss und in Flammen setzte. Doch nicht nur sich selbst setzte er in Brand, sondern auch Tunesien und die arabische Welt. Aus Wut und Verzweiflung protestierte er gegen die Schikanen lokaler Beamter, die er über Jahre hinweg ertragen hatte.

Mit seinem Gemüsestand unterstützte er seine Mutter und seine Geschwister; er bezahlte das Studium einer Schwester, um ihr zu ermöglichen, was ihm selbst verwehrt war; armen Familien schenkte er Lebensmittel. Er kaufte seine Waren auf Kredit und konnte daher keine Schmiergelder bezahlen, die Beamte von ihm erpressen wollten, indem sie seinen Verkaufsstand regelmäßig beschlagnahmten.

Als der Bürgermeister sich weigerte, ihn anzuhören, selbst als er mit Selbstverbrennung gedroht hatte, sah Mohamed keinen anderen Weg mehr, als seine Drohung umzusetzen. In seiner Heimatstadt löste die Verzweiflungstat unmittelbar Proteste aus, die sich bald über Tunesien ausbreiteten und später zur Flucht von Präsident Ben Ali führten. Revolutionen in Ägypten und Libyen folgten, jene in Syrien und anderen arabischen Ländern sind noch im Gange.

Bouazizis symbolische Tat entfachte den politischen Flächenbrand erst, als sein Leben nicht mehr zu retten war. Wie viel bescheidener und stiller Protest war zuvor an der arroganten Selbstsicherheit des Regimes abgeprallt?

Bouazizis Schicksal spiegelt eine biblische Wahrheit wider: Der erbärmlichste Verlierer kann zum rettenden Zeichen werden. „Er wurde verachtet und von den Menschen gemieden, ein Mann voller Schmerzen, mit Krankheit vertraut. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt. Zu unserem Heil lag die Strafe auf ihm, durch seine Wunden sind wir geheilt.“

Was Jesaja über den leidenden Diener Gottes schrieb, lasen die ersten Christen als Verständnisschlüssel für das Leben Jesu. Wie schon Mose war auch Jesus trotz seiner Zeichen zu Lebzeiten vielfach gescheitert. Erst nach seinem Tod begann sich seine Glaubwürdigkeit auszubreiten.

Jesus und Mohamed Bouazizi bewegten den Lauf der Geschichte auf sehr unterschiedliche Weisen. Was sie verbindet, sind ehrlicher Einsatz und ein geradliniger Charakter – aber auch, dass sie ihr Leben aufgeben mussten, bis seine Bedeutung erkannt wurde. Nur wenige heroische Taten lösen Revolutionen aus. Doch ehrliche Menschen, die Zeichen setzen und dabei übersehen werden, sind zweifellos in meiner Nähe. Wessen kleines Zeichen überzeugt mich?

Bimail steht für Bibelmail, ein wöchentliches Rundschreiben des Teams um Pater Georg Sporschill, adressiert an Führungskräfte. Darin werden Lehren aus der Bibel auf das Leben von heute umgelegt.


E-Mails: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2012)

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