Günter Grass
Moralinstanz und Tabubrecher

Günter Grass ist tot. Der deutsche Literaturnobelpreisträger starb heute, Montag, im Alter von 87 Jahren in einer Klinik in Lübeck. Der in Danzig geborene Grass galt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller der Gegenwart. Er erhielt unzählige Auszeichnungen. Die wichtigste: Der Nobelpreis für Literatur 1999.Sein 1959 erschienener Roman "Die Blechtrommel" wurde zu einem Welterfolg und 1979 von Volker Schlöndorff verfilmt.
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Zum umfangreichen Werk von Grass gehört die Anfang der 1960er Jahre erschienene "Danziger Trilogie". Sie umfasst neben der "Blechtrommel" die Novelle "Katz und Maus" (1961) und den Roman "Hundejahre" (1963). Fast ein halbes Jahrhundert später schrieb Grass seine "Trilogie der Erinnerung" mit den autobiografischen Bänden "Beim Häuten der Zwiebel" (2006), "Die Box" (2008) und "Grimms Wörter" (2010).Im Bild: Nobelpreisverleihung. Grass mit dem schwedischen König Carl XVI. Gustaf.
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Grass war Moralinstanz, er unterstützte Deutschlands Aussöhnungspolitik mit Polen und schaltete sich in gesellschaftspolitische Debatten ein. Grass war auch Tabubrecher und löste Kontroversen aus, etwa mit seinem Gedicht "Was gesagt werden muss": Darin er forderte er auf, Israel dürfe keine deutschen U-Boote mehr bekommen. Israel erklärte ihn daraufhin zur "persona non grata".
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Wie wenige Deutsche genoss der Pfeifenraucher mit dem prominenten Schnauzer international hohes Prestige. Nicht erst seit der Nobelpreis-Ehrung 1999 wurde er als wichtigster deutscher Literat des 20. Jahrhunderts wahrgenommen. Seine Bücher wurden in Dutzende Sprachen übersetzt, die Auflagen gehen in die Millionen.
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Grass war der erste deutsche Schriftsteller, der offiziell 1967 nach Israel eingeladen wurde, wenige Monate vor dem Sechs-Tage-Krieg und zwei Jahre nachdem das Land diplomatische Beziehungen zur Bundesrepublik aufgenommen hatte. Der Autor der "Blechtrommel" galt als "guter Deutscher", erinnerte sich der Journalist und Historiker Tom Segev, der Grass damals als Student erlebte.
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Auch in seiner Heimat galt Grass als moralische Instanz, mitunter auch als Tabubrecher, seine Stimme zählte. Vergleichbar mit Jean-Paul Sartre oder Albert Camus in Frankreich, war Grass der prominenteste unter den engagierten Autoren im demokratischen Nachkriegsdeutschland, der auch heftige Anfeindungen aus konservativen Kreisen aushalten musste.
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In seinem Intellektuellen-Ranking setzte ihn das Magazin "Cicero" 2007 auf den dritten Platz hinter dem Papst und Martin Walser. Das mag eine Momentaufnahme gewesen sein. Doch wenn Grass seine Stimme erhob - das zeigen gerade die Reaktionen auf sein Gedicht -, hörten noch immer viele zu.
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Sein Schweigen hatte Grass schon einmal gebrochen. 2006 bekannte er in seinen Memoiren "Beim Häuten der Zwiebel", dass er mit 17 Jahren in die Waffen-SS eingezogen wurde. "Das musste raus, endlich", erklärte er damals. Auch jenes Bekenntnis erregte eine mediale Welle. Der Personalerfassungsbogen aus der US-Kriegsgefangenschaft, der Grass' Zugehörigkeit zur Waffen-SS beweist
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Er habe wohl Angst gehabt, dass seine Zugehörigkeit zum berüchtigten Korps seine Position als Mahner schwächen könnte, versuchte Mario Vargas Llosa, ebenfalls Literaturnobelpreisträger und mit Grass in herzlicher Abneigung verbunden, das lange Schweigen zu erklären.
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Für einige Verteidiger hat Grass mit seinem Gedicht eine Tugend der Intellektuellen wieder aufleben lassen: Klare Worte der Einmischung "gegen das weichgespülte Talkshowgerede", wie Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste, es damals ausdrückte.
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