Und dann? Perspektiven für die Zeit nach dem U-Ausschuss

Sondersitzung. Der „Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen“ wird zur Stunde null unseres politischen Systems hochstilisiert.

Heute findet also eine Sondersitzung des Nationalrats zum laufenden „Untersuchungsausschuss zur Klärung von Korruptionsvorwürfen“ statt. Damit beißt sich die parlamentarische Schlange gewissermaßen in den eigenen Schwanz, wenn es die Auseinandersetzung zwischen Regierung und Opposition je nach Opportunität einmal im Plenum und einmal im Ausschuss führt.

Wie das Hornberger Schießen

Die Aussicht, dass dieser Untersuchungsausschuss in vertretbarer Zeit zu einem Ergebnis kommt, sinkt damit weiter. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass ein solcher Ausschuss wie das Hornberger Schießen ausgeht, dieses Mal ist aber die weitere Selbstbeschädigung des politischen Systems die Folge.

Der Zeitpunkt, an dem ein U-Ausschuss beginnt, „allen auf die Nerven zu gehen“, sei diesmal besonders früh gekommen, meinte Erhard Busek. Es lässt sich schwer sagen, ob das nur die politische Klasse selbst betrifft oder auch das Publikum, das sich nach dem Osterurlaub wieder im gleichen Stück findet und sich gelangweilt oder verärgert abwendet.

Busek wird seine Pappenheimer wohl kennen, wenn er vermutet, dass das Motiv der Opposition weniger die Aufklärung als die eigene politische Darstellung der Akteure ist.

Der Vorsitzenden – wie heißt sie schnell? –, um die es ganz still geworden ist, wird man das nicht unterstellen. Bei Peter Pilz ist es gar keine Unterstellung, sondern gesicherte Erfahrung.

Die Energie der Grünen im U-Ausschuss kommt übrigens nicht nur aus ihrer Gerechtigkeitsliebe, sondern entspricht ihrem Selbstgefühl von moralischer Überlegenheit, die der frühere Vorsitzende Alexander Van der Bellen – sehr erfolgreich für sich selbst – dargestellt hatte. Nach realen Taten oder Erfolgen in der Politik wurde da nicht mehr gefragt.

Ein Vorspiel zum Wahlkampf?

Vor allem ist die Absicht unverkennbar, den Ausschuss möglichst lange hinzuziehen, um ihn schon zu einem Vorspiel auf den nächsten Wahlkampf zu machen. Es halten sich ja hartnäckig Gerüchte, dass der schon im kommenden Herbst stattfinden könnte.

Durch einen U-Ausschuss sei noch nie eine Wahl beeinflusst worden, meint sich dagegen der ehemalige ÖVP-Politiker Busek zu erinnern. Diese Einschätzung teilt auch ein VP-Vorstandsmitglied. Erst wenn sich der Ausschuss bis ins nächste Jahr hinzöge, bestehe diese Gefahr (für die ÖVP).

Die Frage ist aber gar nicht, welches Ergebnis der U-Ausschuss letzten Endes bringen wird – schon was bisher dort vorgeführt wurde, reicht vielen Leuten, um das bestätigt zu finden, was sie über die Politik und ihre Akteure immer schon gewusst haben. Von ernsthafter Untersuchung kann ja bei diesem Ausschuss nicht die Rede sein, es ist eher eine Art Schauprozess, bei dem die Schuldigen schon feststehen, wenn sie den Saal betreten. Das soll natürlich keineswegs bedeuten, wir hätten es mit lauter verleumdeten Unschuldslämmern zu tun.

Der Vergleich mit Italien

Manche Kommentatoren sehen nun schon das gesamte politische System Österreich nahe dem Zusammenbrechen. Der Vergleich mit dem Italien der frühen Neunzigerjahre bietet sich an. Im Untergang der Democrazia Cristiana im Schmiergeldskandal sehen sie ein Fanal für die ÖVP.

Nur sollte die Erfahrung mit Italien nicht zur Erwartung verleiten, solche Systembrüche seien ein Reinigungsbad, aus dem eine neue, höhere Form der Demokratie erblühe. Nach „Tangentopoli“ kamen lange Jahre Berlusconi. Ein nicht einmal sonderlich begabter Populist und Darsteller schuf sich aus den Trümmern der ehemaligen DC wechselnde politische Bewegungen, die ihm nur dazu dienten, seine eigenen Ambitionen zu erfüllen.

Die Parteien, die aus den abgesprengten Teilen der ehemaligen Großparteien (wobei groß heute schon bei etwa 25 Prozent beginnt) entstehen werden, lassen wenig Hoffnung auf eine Besserung zu. Sollten uns die Piraten drohen, werden wir es neben der FPÖ und teilweise den Grünen mit einer weiteren Gruppe von innerer Staatsferne zu tun haben, deren jahrelanger Lernprozess auf öffentliche und nicht nur finanzielle Kosten geht.

Auch mit den Wutbürgern wird kein Staat zu machen sein. Peter Strasser, Philosoph und Kommentator auf diesen Seiten, hat das kürzlich in der „Kleinen Zeitung“ in einer ziemlich bitteren Analyse dargetan. Andere haben das schon früher bemerkt.

Vielleicht sei er zu alt, um die „Frische der Wutbürgerbewegung“ zu bemerken, höhnt Strasser, weil er vermutlich an seinen Studenten bemerkt, dass die Wutbürger seines eigenen Alters sind und deshalb auch die altmodische Versammlungsweise des Stammtisches pflegen.

Verführbarkeit des Volkes

Selbstverständlich ist die Situation nicht erfreulich. Selbstverständlich hat sich Korruption schleichend verbreitet und ebenso selbstverständlich nicht nur dort, wo man sie jetzt fast ausschließlich bemerkt. Selbstverständlich muss man den Nehmern (von Zuwendungen ohne Gegenleistung) und Gebern (etwa von Regierungsinseraten) das Handwerk legen. Aber die Lage ist komplizierter, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Die Politiker hängen mit ihrem Publikum immer durch eine Schwäche zusammen. Die Korruptheit von Politikern (nicht der Politiker) hängt auch mit der – sagen wir es vorsichtig – Verführbarkeit des Volkes zusammen.

Das bedeutet nicht, dass jeder Österreicher bei jeder Gelegenheit die Hand aufhält und für jede Dienstleistung ein kleineres oder größeres Trinkgeld zu zahlen bereit ist. Aber die Gesinnung, man müsse „den Staat“ ausbeuten, denn dazu sei er da, ist keine demokratische Haltung. Der Pensionist, der einem anderen voll Stolz erzählt, „Ich hole mir vom Staat mehr, als ich eingezahlt habe“, ist korrupt, ohne dabei ein schlechtes Gewissen zu haben.

Fatale Komplizenschaft

Es herrscht eine fatale Komplizenschaft zwischen Politikern und Volk, an der jeder Versuch einer Reform zerschellt. Die Leute wollen glauben, was ihnen die linken und rechten Populisten erzählen. Sie wollen glauben, dass man die Budgetprobleme löst, wenn man den Reichtum der „Reichen“ besteuert oder eine Finanztransaktionssteuer einführt.

Sie wollen glauben, dass sie „bis zum Umfallen“ arbeiten, wenn das Pensionsalter auf 67 hinaufgesetzt und die diversen Schlupflöcher zur Frühpension geschlossen werden. Sie wollen glauben, dass man in jeder Bezirksstadt ein unausgelastetes Vollspital braucht. Vor allem aber wollen sie glauben, dass man nicht sparen, sondern nur richtig umverteilen muss.

Wird es für SPÖ und ÖVP reichen?

Die entscheidende Frage ist, wie unter diesen Umständen noch Politik gemacht werden kann, und wer den Willen dazu aufbringt, weil er überhaupt Absichten hat, die über die Machterhaltung oder die Befriedigung eines spezifischen Gruppeninteresses hinausgehen. Ins Praktische übersetzt heißt das: Wird es für SPÖ und ÖVP noch einmal für eine Mehrheit reichen?

E-mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.04.2012)

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