Scientology: "Organisierte Betrüger"

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Die Haupteinrichtungen der umstrittenen Sekte in Frankreich müssen wegen organisierten Betruges 600.000 Euro Strafe zahlen. Das rechtskräftige Urteil ist international ein Novum.

Vier Jahre lang hat Scientology dagegen angekämpft, nun ist es fix: Die zwei größten Einrichtungen der Sekte auf französischem Boden sind wegen organisierten Betrugs rechtskräftig verurteilt worden. 600.000 Euro Strafe müssen sie zahlen.

Der Fall reicht weit zurück, ins Rollen brachte ihn die Beschwerde einer Frau. Sie gab an, Scientology habe ihr 140.000 Euro entlockt, für illegal verschriebene Medikamente, Bücher und ein sogenanntes „E-Meter“ (mithilfe dessen man laut Scientology auf seelische Zustände schließen kann).

Getäuscht mit wertlosten Tests

2009 erklärte ein Gericht Scientology für schuldig; man habe die Opfer mit wertlosen Persönlichkeitstests getäuscht, um Dienstleistungen und Produkte zu verkaufen. Scientology berief erfolglos dagegen, beantragte zuletzt die Revision des Urteils vor dem Kassationsgerichtshof in Paris – vergeblich, wie nun am Mittwoch bekannt wurde.

Mit Gerichtsprozessen hat Scientology reichlich Erfahrung, aber dieses Urteil ist ein Novum. Dass einzelnen, auch hochrangigen Scientology-Mitgliedern der Prozess gemacht wurde, war man ja gewohnt; in solchen Fällen distanzierte sich die Organisation dann gern von den verurteilten „schwarzen Schafen“ und machte weiter wie bisher.

Diesmal aber trifft das Urteil nicht nur Einzelne (allen voran den Chef von Scientology Frankreich, Alain Rosenberg), sondern zusätzlich zwei Institutionen, und nicht nur irgendwelche: Das „Celebrity Center“ und die Buchhandlung „SEL“ sind nämlich das Herz der französischen Scientology. Kein Wunder, dass das Urteil in Frankreich von vielen als „historisch“ und „bisher schwerster Schlag gegen Scientology“ gefeiert wird.

Frankreich und Scientology, das war freilich Krieg von Anfang an. In Ländern wie den USA und Österreich ist Scientology viel wohlwollender eingestuft, sie gilt als gemeinnützige Organisation und zahlt keine Steuern. Die USA erkennen sie sogar als Religionsgemeinschaft an.

In Deutschland ist das Misstrauen größer, der rechtliche Status ist nach wie vor umstritten, und der Verfassungsschutz beobachtet Scientology seit über 15 Jahren wegen Verdachts auf „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung“.

Schon L. Ron Hubbard verurteilt

In Frankreich schließlich war und ist die Sache klar: Scientology ist offiziell eine gefährliche Sekte. Das Land hat 1978 schon Scientology-Gründer L. Ron Hubbard in Abwesenheit wegen Betrugs zu einer Geldstrafe und vier Jahren Gefängnis verurteilt. Seitdem hat der Kampf gegen Scientology politische Tradition – mit gewissen Ausnahmen: Ex-Präsident Nicolas Sarkozy etwa empfing ostentativ Scientology-Ikone Tom Cruise; es gab sogar Gerüchte, der umtriebige Präsident würde es Scientology gesetzlich ermöglichen, staatliche Gelder zu erhalten.

Mit dem Urteil haben die Scientology-Gegner wieder Rückenwind, sie hegten in den letzten Jahren sogar die Hoffnung, mithilfe dieses Falls Scientology in Frankreich als Ganzes verbieten zu können. Das hat sich allerdings vorerst als unmöglich herausgestellt.

Trifft Scientology als Ganzes

Das französische Urteil ist das härteste in der Geschichte Scientologys, denn die Richter haben gewissermaßen Scientology als Ganzes verurteilt. Und sie haben auch dafür gesorgt, dass das Urteil in die Welt hinausgetragen wird: Die Verurteilten müssen, so heißt es, selbst für die Veröffentlichung des Urteilsspruches in großen französischen und englischsprachigen Zeitungen wie „Time Magazine“ und „Herald Tribune“ zahlen.

Das ist keine gute Werbung. Weniger Kopfzerbrechen dürfte Scientology indes die Geldstrafe bereiten: Mark Rathbun, einst rechte Hand des Scientology-Chefs Hubbard, hat das Vermögen von Scientology 2012 mit drei Milliarden Dollar beziffert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2013)

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