China: Erst der Rohstoff, dann die Moral

(c) AP (Li Xueren)
  • Drucken

Das Reich der Mitte deckt jetzt schon 30 Prozent seines Ölbedarfs in Afrika und will den Kontinent zum Absatzmarkt für seine Industrie machen. Für Afrikas Autokraten ist China ein guter Partner, denn Fragen nach den Menschenrechten stellt Peking nicht.

Peking.Für landlose Bauern vom Yangtse hatte der Chef von Chinas Exim-Bank kürzlich einen guten Tipp: Warum nicht nach Afrika ziehen und dort Grundbesitzer werden? „Dort gibt es Land in Hülle und Fülle“, erklärte Li Ruogu. Seine Bank habe in den vergangenen Jahren zahlreiche Landwirtschaftsprojekte in Afrika unterstützt: „Alle erwirtschaften sehr gute Gewinne.“

Chinesische Bauern auf afrikanischen Feldern? Abwegig ist das längst nicht mehr. Für China ist der afrikanische Kontinent näher denn je. Peking hat Afrika zu einem wichtigen Bestandteil seiner Außen- und Wirtschaftspolitik gemacht. Es zieht nicht mehr nur Abenteurer, Arbeitslose und Entwicklungshelfer nach Nigeria oder Angola, sondern auch Ingenieure, Händler und Investoren.

100.000 Chinesen in Afrika

Rund 100.000 Chinesen sind seit den 90er-Jahren in alle Ecken Afrikas gezogen. Manche haben Verwandte und Nachbarn nachgeholt. Viele chinesische Unternehmen bringen ihre eigenen Bautrupps, Techniker und Ingenieure mit, wenn sie in Afrika Staudämme, Straßen und Häfen bauen oder Eisenbahnschienen legen.

Die Zeiten, in denen Peking die Afrikaner vor allem als arme Verwandte in der großen Familie der Entwicklungsländer betrachtete, die man mit revolutionärer Gesinnung und Drittwelt-Solidarität ermutigt, sind vorbei. Kein anderer Staatschef besuchte vergangenes Jahr so viele afrikanische Staaten zwischen Südafrika und Ägypten wie Pekings Präsident Hu Jintao: 17 Länder waren es insgesamt.

Dabei haben die Chinesen afrikanische Rohstoffquellen im Auge. Das Land bezieht mittlerweile 30 Prozent seiner Ölimporte aus Afrika. International umstritten sind die Geschäfte Pekings mit dem Sudan, wo ein chinesisch-malaysisches Gemeinschaftsunternehmen mit sudanesischer Minderheitsbeteiligung Öl fördert. Auch in anderen schwierigen Gegenden des Kontinents schielen die Chinesen nach Öl, Gas oder Uran: etwa im nordöstlichen Somalia, im Niger und in Nigeria, wohin sie auch Waffen und Patrouillenboote lieferten, mit denen die Ölfelder gegen Rebellen geschützt werden.

Gleichzeitig will Peking in Afrika neue Absatzmärkte für seine Fabriken erschließen. Der chinesisch-afrikanische Handel soll sich bis Ende des Jahrzehnts auf 100 Milliarden US-Dollar verdoppeln. Die staatliche Chinesische Entwicklungsbank gründete deshalb jüngst einen Afrika-Fonds, der zunächst über eine Milliarde US-Dollar verfügen soll. Die Einlagen werden, so der Plan, in den kommenden Jahren auf fünf Milliarden Dollar aufgestockt.

Dabei komme es „nicht vorrangig“ darauf an, Gewinne zu machen, erklärte Fonds-Chef Gao Jian, sondern „die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Entwicklung“ in den Partnerländern voranzubringen. Finanziert würden hauptsächlich Projekte, die „das Leben der Bevölkerung verbessern“, wie zum Beispiel Wohnungen, Bewässerungskanäle und Industriezonen. Bisher hatten chinesische Firmen noch nicht sehr viel Geld in Afrika investiert. Experten schätzen die Summe auf insgesamt knapp zwölf Milliarden Dollar bis Ende 2006.

Hilfe für korrupte Regime

Rund 800 Unternehmen aus dem Reich der Mitte engagieren sich derzeit in Afrika. Die meisten sind kleinere Familienunternehmen wie Restaurants, Supermärkte und Handelsbüros, der Rest mittlere und größere Staatsbetriebe. Das chinesische „Drei-Schluchten-Konsortium“, das den größten Staudamm der Welt am Yangtse gebaut hat, interessiert sich für das geplante Grand-Inga-Wasserkraftwerk im Kongo.

Vorwürfe aus dem Ausland, China unterstütze mit seinen Investitionen korrupte und gewalttätige Regime wie etwa den Sudan, weisen chinesische Funktionäre zurück. Westlichen Kritikern werfen sie Heuchelei vor: Peking mische sich prinzipiell nicht in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten ein. China sei, anders als so manches europäische Land, überdies niemals Kolonialmacht in Afrika gewesen – und werde es „auch künftig nie sein, weder wirtschaftlich noch politisch“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.11.2007)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.