Globale Erwärmung: Die Sonne ist es (diesmal) nicht!

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Die Sonne hat mit ihrer Aktivität schon manches Mal das Klima auf der Erde mitbestimmt. Aber für den derzeitigen Wandel kann sie nichts.

Wenn man die Tabelle der Weizenpreise in Windsor auswertet, die in Dr. ADAM SMITH's verdienstvollem Inquiry into the nature and causes of the wealth of Nations aufgeführt ist, dann scheint es wahrscheinlich, dass die Zeiten hoher Preise die waren, in denen die Sonne wenig fruchtbares Licht und Hitze ausgestrahlt hat.“ So fasste der britische Astronom William Herschel 1801 zusammen, was ihm beim langjährigen Beobachten der Sonne aufgefallen war: Wenn die Sonne viele Flecken hatte, waren die Weizenpreise tief, die Ernten also gut, die Sonne muss das Klima günstig beeinflusst haben – und umgekehrt: wenige Sonnenflecken, teures Getreide, schlechtes Klima (Philosophical Transactions of the Royal Society, 91, 261).

Obwohl Herschel hochrenommiert war, erntete er Hohn, zu neu war die Idee, die Sonne könne das Wetter auf der Erde mitbestimmen; und zu entlegen waren die Getreidepreise, die Herschel aushilfsweise heranzog, das Wetter wurde nicht systematisch aufgezeichnet. Später kamen exaktere Indikatoren, die auf die Bedeutung der Sonnenaktivität für unser Klima deuteten (es geht hier um Sonnenaktivität, nicht um Änderungen etwa der Umlaufbahn der Erde, die unstrittig Einfluss auf das Klima hat): 2001 bilanzierte Gerard Bond (Columbia University) die Klimageschichte des Atlantiks der letzten 11.000 Jahre. Die kann man im Meeresboden lesen, er dokumentiert, wie weit die Eisberge drangen, sie bringen Gestein mit, beim Schmelzen versinkt es.

Kosmische Strahlung

Alle 1500 Jahre kamen sie besonders weit, ein Rhythmus, der mit der Sonnenaktivität korreliert (Science, 294, S.2130). Auch die ist im Sediment archiviert, in den Isotopen 14C und 10Be. Die werden in der Atmosphäre gebildet, von kosmischer Strahlung, und die kommt aus dem All. Aber ihre Stärke in der Erdatmosphäre wird von der Sonne beeinflusst: Ist sie aktiv und schickt viel Sonnenwind, schirmt der die Erde gegen kosmische Strahlung ab: wenig 14C und 10Be erst in der Atmosphäre, dann im Sediment. Ähnliches zeigte sich in Tropfsteinen im Oman (Nature, 411, S.290), es legte den Verdacht nahe, auch die gegenwärtige Erwärmung komme von der Sonne – und nicht vom Menschen mit seinen Treibhausgasen. Beide Hypothesen wurden (und werden) kräftig vermarktet, die einen singen im weltweiten Konzert das CO2 in die Hölle, die anderen halten mit Verschwörungstheorien dagegen: „The Great Global Warming Swindle“ hieß eine britische TV-Sendung diesen März.

Nur: Wie soll die Sonne das Wetter machen? Durch die direkte Einstrahlung? Die reicht nicht: Die Sonnenaktivität ändert sich gering, um 0,1Prozent pro Dekade, viel zu wenig, um die Erde groß zu wärmen. Es müsste einen Verstärkereffekt geben, man hat nur nie einen gefunden. Doch, einen: kosmische Strahlung. Diesmal sollen die Ionen, die sie in der Atmosphäre bildet, die richtige Größe haben, um als Kristallisationskerne für Eis zu dienen, Wolken zu bilden: Hohe Sonnenaktivität hieße dann wenig kosmische Strahlung gleich wenig Wolken gleich starke Erwärmung. Entwickelt wurde die Idee von Henrik Svensmark (Kopenhagen) 1997, seitdem ist sie umstritten.

Dem Streit machen nun Mike Lockwood (Chilton) und Claus Fröhlich (Davos) ein Ende – indem sie ihn umgehen, nicht theoretisch argumentieren, sondern die Entwicklung der Sonne in den letzten 20 Jahren bilanzieren (und dabei den normalen elfjährigen Zyklus herausrechnen): Seitdem ist weder ihre Strahlung stärker geworden, noch sind die kosmischen Strahlen schwächer geworden, im Gegenteil: „Alle Trends der Sonne, die einen Einfluss auf das Erdklima haben könnten, sind in die entgegengesetzte Richtung von der gegangen, die die Temperaturerhöhung erklären könnte“ (Proceedings of the Royal Society A, 11.7.). Die Gegenseite gibt sich nicht geschlagen und vermutet eine zeitverzögerte Wirkung der Sonne.

SONNE: Rhythmen

Alle elf Jahre ist die Sonnenaktivität an einem Höhepunkt, aber der vorletzte war höher als der letzte: Im großen Trend schwächt sich die Aktivität.

Woran das liegt, ist ebenso unklar wie die Ursache des Elf-Jahre-Rhythmus und die anderer, längerer Rhythmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2007)

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