Andreas Tanzer: Zum Monopol verurteilt?

Wenn Bill Gates dieser Tage nach Frankreich blickt, wird er sein Glück kaum fassen können: Dort droht ein Prozess, in dem Unternehmen vorgeworfen wird, mit der Bevorzugung eigener Software ihre Marktposition unlauter zu stärken und die Konsumenten irrezuführen – und Microsoft ist nicht auf der Anklagebank! Mehr noch, geht der Antrag der Konsumentenschützer durch, so profitiert Microsoft sogar davon. Die „Causa“: Apple und Sony verkaufen auf ihren Musikportalen die Titel nicht wie die meisten anderen Musicshops als Windows-Media-Audio (WMA)-Dateien, sondern stellen die Songs in den weniger verbreiteten Formaten AAC (Apple) und ATRAC (Sony) zur Verfügung.

Was daran verwerflich ist, dass Unternehmen eigene Wege gehen, anstatt die Standards der Konkurrenz zu übernehmen? Nach Ansicht des französischen Vereins für Konsumentenschutz UFC-Que Choisir ist das AAC Format primär ein Mittel, um den Absatz von Playern wie den Apple-eigenen iPod zu pushen, der als einziger mit diesen Dateien zurechtkommt. Mag sein. Aber soll man deswegen allen Ernstes Apple dazu zwingen, das WMA-Format des Erzrivalen Microsoft zu verwenden? Warum nicht umgekehrt AAC zum Standard erklären? Schließlich ist iTunes derzeit der größte Download-Musikstore, und AAC steht WMA in puncto Klangqualität in nichts nach und ist als Tonspur Teil des MPEG-4 Videocodex.

Generell stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien der führende Standard denn ermittelt werden sollte: Etwa wenn der Marktanteil über einer bestimmte Schwelle liegt – „The Winner takes it all“ analog zum amerikanischen Wahlsystem? Wenn ja, wer bestimmt den Zeitpunkt für diese „Wahl“? Und wie bewertet man den Umstand, dass zwar ein Format einen größeren Marktanteil hat, ein anderes aber technisch überlegen ist? (Was ja schon vorgekommen sein soll.) Die Idee der Kompatibilität per Gerichtsbeschluss scheitert also schon an der Frage, welches Kriterium das Format bestimmt, dass dann per Dekret zum verpflichtenden Standard erhoben werden soll.

Last but not least mutet es auch mehr als seltsam an, wenn einerseits ein Softwarekonzern von der Zerschlagung bedroht wurde, weil seine Marktanteile monopolartige Dimensionen angenommen haben, ihm andererseits im Namen des Verbraucherschutzes(!) in einem Teilbereich ein De-facto-Monopol zugesprochen werden soll.

andreas.tanzer@diepresse.com


Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.