Johannes Hahn: Ausweitung der bürgerlichen Kampfzone

Porträt. Weshalb VP-Chef Johannes Hahn die Privatwirtschaft verließ und auszog, Wien zu verändern.

Nice to meet you", sagt Johannes Hahn lächelnd. Die beiden chinesischen Touristen schauen erschreckt auf. "Giiiooooo", interveniert dessen Pressesprecherin: "Das sind nicht unsere Wähler!" Als ob Gio, wie Hahn genannt wird, das nicht wüsste. So berechnend ist er nicht. Unhöflich auch nicht. Aber er ist noch einiges nicht. Charismatisch etwa.

Ein sonniger Nachmittag am Naschmarkt. Kaum irgendwo lässt sich Internationalität so leicht inszenieren, wie zwischen türkischen, jugoslawischen, indischen, chinesischen Essens- und Verkaufsständen. So mancher Lokalpolitiker lässt sich im Wahlkampf hier blicken. Für Hahn ist das sozusagen ein Pflichtspiel. Für den 47-Jährigen ist Wien-Wieden die Kampfzone: Die hiesige ÖVP-Bezirksvorsteherin Susanne Reichard sieht einer Attacke ihrer Vorgängerin Susanne Emmerling entgegen. Die war wegen ihres mäßigen Resultats bei der vorigen Wahl VP-intern "abgesägt" worden und versucht nun ein Comeback mit eigener Liste. Und das - buchstäblich - vor der Haustür des "Chefs": VP-Spitze Hahn wohnt auf der Wieden (Mietwohnung, Altbau).

Zurück zum Charisma? Also Volkstribun ist er keiner. Aber sehr gelassen, ein Image, das auch Hahns oberster "Boss" Wolfgang Schüssel pflegt. Statt "gelassen" könnte man bei Hahn freilich auch "unauffällig" sagen. Von bösen Zungen kommt schon einmal das Wörtchen "fad". Das Schmähführen, das der VP-Mann auf Wahlplakaten bei Bürgermeister Häupl anprangert ("Wien lebt nicht vom Schmäh allein") ist Hahn fremd. Er versucht erst gar nicht, den dröhnenden Entertainer zu geben. Als unlängst NÖ-Landesvater Erwin Pröll mit Hahn in Wien unterwegs war, lachte ersterer alle an die Wand. Letzterer war kaum zu bemerken, und wenn, dann wirkte er wie ein kleiner Gefolgsmann des großen Landesfürsten.

Doch der zierliche Brillenträger nennt ohnehin ganz andere Vorbilder. Karl Popper zum Beispiel. Ihn, den großen Erkenntnistheoretiker österreichischer Herkunft, bewundert der gelernte Philosoph Hahn.

Die Philosophie sollte es dann doch nicht werden. Sondern abwechselnd (ein bisschen) Politik (Bezirksfunktionär in Mariahilf) und (schon mehr) Privatwirtschaft (AI Technologies-Manager). Dann folgte wieder (viel) Politik (VP-Landesgeschäftsführer, Gemeinderat); und erneut Privatwirtschaft: Vorstandsvorsitzender des Novomatic-Konzerns (Kasino-Technologie).

Im Dezember 2003 wurde der "Ungeduldige" (Eigendefinition) Stadtrat. Einer dieser "nicht amtsführenden" (ressort-losen) Stadträte. Aber damit kann der "Großstadt-Interessent", wie Hahn das Wort urban definiert, leben. Amtsführend oder nicht - es sei "etwas Schönes, an der Gestaltung der Gesellschaft mitzuwirken".

Vorerst kam es zur "Gestaltung" der eigenen Partei. Voraussetzung war die Machtübernahme. Hahn löste den farblosen Finanzstaatssekretär Alfred Finz an der Spitze der VP-Landesgruppe ab. Gemeinderäte der alten Garde wurden einem Modernisierungsschub geopfert. Sie kandidieren nun nicht mehr, "freiwillig", versteht sich. Der Chef erwarb sich den Ruf des kühlen und harten Strategen.

Und privat? Da war diese Krankheit. Mit 21 erkrankte Hahn an Hodenkrebs. Sieben Jahre Chemotherapie folgten. "Das prägt einen jungen Menschen." Und erklärt die Gelassenheit. Freizeitbeschäftigung? Der mit seiner Ehefrau, eben auf der Wieden, lebende Mann hat ein, wie er sagt, "Passiv-Hobby": "Meinem 17-jährigen Sohn beim Handball zuschauen." Der Junior spielt immerhin im Jugend-Nationalteam.

Bei den "Aktiva" steht Segeln auf der Liste, Segeln im Mittelmeer. "Nach der Wahl kaufe ich mir wieder ein Boot." Und Lesen. "Literatur über das Phänomen Stadt." Damit soll sich der Kreis wohl schließen - rund um die Stadt und deren Politik.

Wie sagte Popper: "Wir möchten gerne gute Herrscher haben, aber die historische Erfahrung zeigt uns, dass wir wenig Aussichten haben, sie zu bekommen." Ob Hahn nun ein guter oder schlechter Herrscher für Wien wäre, steht nicht zur Debatte. Das weiß er. Bescheiden ist er ja. Mehr als eine "Kontrolle der SPÖ-Stadtregierung" werde die Wiener VP in den nächsten Jahren nicht zu Wege bringen. Realistisch ist er also auch noch, der bürgerliche Städter. Und irgendwie gelassen.


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