Sport-Coaching: "Falsche Freunde sind das Schlimmste"

Wie Spitzensportler auf dem Weg zum Erfolg begleitet werden - und von wem.

WIEN. Das Herz rast, die Nerven liegen blank - da sagt der Coach ein passendes Wort, und schon stürzt sich der Sportler auf Skiern dem Sieg entgegen, schießt das entscheidende Tor oder ringt den Gegner nieder: so die laienhafte Vorstellung eines geglückten Sportcoachings. Wie funktioniert es wirklich? Welche Aufgaben haben Menschen zu erfüllen, die Sportler auf dem Weg zum Erfolg begleiten?

"Der Sportler soll gar nicht merken, dass er gecoacht wird", meint Andreas Evers, WC-4 Trainer des ÖSV (mit Hermann Maier, Benjamin Raich, Michael Walchhofer, Mario Scheiber und Mario Matt) der ersten Stunde. "Es soll einfach passieren".

Toni Mathis setzt seit 30 Jahren auf individuelle und ganzheitliche Betreuung bei Rehabilitation und Training. Der Vorarlberger betreut Spitzensportler (wie Heinz Kinigadner oder Mika Hakkinen) ebenso wie Laien im "Therapiezentrum T. Mathis". Mentale und physische Leistungsfähigkeit sind für ihn untrennbar miteinander verbunden: "Alles, was man macht, kommt aus dem Kopf".

Bernd Pansold, Mediziner und Leistungsphysiologe im Red Bull - Trainingszentrum in Thalgau, sieht die mentale Komponente sehr häufig zu isoliert betrachtet und auch überbewertet: "Wenn die körperlichen Voraussetzungen nicht stimmen, kann auch die Motivation keine Berge versetzen." Aus der Sicht der Psychologie sind für ihn die Entwicklung psychomotorischer Fähigkeiten und leistungsfördernder Persönlichkeitsmerkmale ein wichtiges Ziel. Hier müsse der Trainer gekonnt analysieren und aufbauen können. "Ganz generell entsteht sportliche Leistung immer durch Nachhaltigkeit des gesamten Trainingsprozesses. Technisch-koordinative Fertigkeiten, Kondition und mentale Leistungsfähigkeit müssen komplex entwickelt werden." Im Trainingszentrum werden Red-Bull-Athleten wie Kate Allen von einem Expertenteam betreut.

Skitrainer Evers arbeitet mit Einfühlungsvermögen, einem Gespür für Stimmungen und dem Talent zu wissen, wann ein Gespräch sinnvoll ist oder nicht, auf einer gewachsenen Vertrauensbasis. "Wir sprechen die gleiche Sprache, wissen, wie etwas gemeint ist". Der absolute Einklang aller vier Betreuer sei absolut notwendig, Freundschaft könne man das allerdings nicht nennen. "Man ist Betreuer, lebt mit und auch vor. Es gibt nichts Schlimmeres als einen Trainer, der in irgendeiner Art unsportlich ist".

Vor einem Wettkampf bereitet sich Evers mental so auf das Rennen vor, als würde er selbst fahren, analysiert die Bedingungen und bespricht das Ergebnis. Schnee, Wetter, Konkurrenten - auf alles gilt es, sich einzustellen. "Bei der Besichtigung am nächsten Tag gehe ich die Strecke so durch, wie der Läufer sie sieht. Wir sind in Kontakt, gravierende Änderungen gebe ich natürlich aktuell bekannt." Doch im entscheidenden Moment ist der Läufer alleine. Dann heißt es zeigen, was körperliches Training, mentale Vorbereitung und alle Bemühungen gebracht haben. Ob man auf dem richtigen Weg ist - oder nicht.

Wenn ähnliche Verletzungen immer wieder passieren oder vorhandene nicht ausheilen, ist man laut Mathis wahrscheinlich auf einem falschen Weg. "Motivation ist bei der Rehabilitation nur phasenweise wichtig. Spitzensportler wissen, welches Risiko sie mit ihrem Beruf eingehen, und haben zu Verletzungen ein professionelles Verhältnis." Wichtiger ist die Analyse des Problems. Wie lautet die ärztliche Diagnose? Ist das tatsächlich die Ursache des Problems, oder eher die Symptomatik? "Wir gehen der Sache auf den Grund, besprechen körperliche, soziale und mentale Situation und suchen Lösungen, die wir dann gemeinsam angehen," so Tino Mathis, der nach einer Ausbildung zum Physiotherapeut seit drei Jahren seinen Vater unterstützt. "Ernährung, Bewegung und Therapie sind genau so wichtig wie die Freizeitgestaltung. Falsche Freunde können jeden Erfolg zunichte machen. Ein Spitzensportler kann keine längere Auszeit nehmen, das muss man akzeptieren". Oft bleibe als stabile Umgebung nur die Familie, die den Bedürfnissen des Sportlers entgegenkommt.

Eine besonders wichtige Aufgabe des Betreuers ist es, auch in schwierigen Phasen Erfolgserlebnisse möglich zu machen. "Das ist der Ansporn, sich immer wieder zu überwinden." Ziel jeder guten Betreuung: die Selbstständigkeit.

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