Genugtuung für Srebrenica

2012 – was für ein Jahr für die internationale Strafgerichtsbarkeit!

Wenn heute in Potočari bei Srebrenica tausende Menschen zusammenkommen, um der Opfer des Massakers von 1995 zu gedenken, wird sich in die Trauer erstmals Genugtuung mischen. Genugtuung darüber, dass Ratko Mladić diesen Tag nicht als rüstiger Pensionist und Kriegsverbrecher a.D. auf dem Bauernhof seines Vetters verbringen und in seinen Tagebüchern schmökern kann, in denen er sorgfältig seine Untaten aufgezeichnet hat. Stattdessen sitzt er, geschniegelt in Anzug und Krawatte, auf der Anklagebank des Haager Jugoslawien-Tribunals.

Was für ein Jahr für die internationale Strafjustiz! Im Mai fasste Liberias Ex-Präsident Charles Taylor für Kriegsverbrechen im Nachbarland Sierra Leone 50 Jahre Haft aus, erst gestern verurteilte der Internationale Strafgerichtshof einen kongolesischen Rebellenführer zu 14 Jahren.

Zu langsam, zu zögerlich, zu selektiv: Die Vorwürfe, die man dem 2002 begründeten Haager Gericht und seinen Prototypen wie dem Jugoslawien-Tribunal gemacht hat und macht, sind vielfältig. Dabei gilt es zu bedenken: Hier wird vielfach juristisches Neuland beschritten, überhastete Verfahren würden also mehr schaden als nützen. Ins Leere läuft die vor allem von afrikanischer Seite vorgebrachte Klage, das Gericht gehe selektiv vor. Ja was denn sonst? Man kann nur Leute vor Gericht stellen, derer man auch habhaft wird. Dass hier politische Ursachen die Hauptrolle spielen, zeigte nicht zuletzt das Beispiel Mladić.

Freilich: In einer perfekten Welt sähen dieser Gerichtshof und seine Verfahren wohl anders aus. Aber in einer perfekten Welt würde man ihn gar nicht brauchen.

helmar.dumbs@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.07.2012)

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