Spindeleggers Mann fürs Blaue

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Als Generalsekretär der ÖVP hatte Hannes Rauch noch kaum Zeit für inhaltliche Fragen. Die Fibel gegen Rot-Grün ist das erste Lebenszeichen. Ein kräftiges und typisches.

Wien. Ein Mann der sanften Worte ist Hannes Rauch, anders als sein Parteichef Michael Spindelegger, nie gewesen. Falls es dafür noch eines weiteren Beweises bedurfte, so hat ihn der ÖVP-Generalsekretär nun erbracht: Er verfasste eine 61-seitige „Fibel" über das Ungemach, das Österreich drohe, wenn die SPÖ nach der Nationalratswahl 2013 mit den Grünen koaliere: Abtreibung auf Krankenschein. Haschisch. Noch mehr Schulden. Hohe Energiepreise. Und so weiter. Kurz: „Chaos und Anarchie".

Rauchs Opus nennt sich „Rot-Grün - eine gefährliche Drohung", es passt in jedes Trachtenanzugjacket und jedes umgehängte Gemeinderatssakko, weil es den ÖVP-Funktionären als Argumentationshilfe auf der Straße oder im Wirtshaus dienen soll. In Wahrheit hat die Fibel einen tiefenpsychologischen Zweck: Erst ein gemeinsamer Feind, der in die Köpfe projiziert wird, macht der Parteibasis bewusst, wie schlecht es der ÖVP - skandalbedingt und überhaupt - derzeit geht. Die Botschaft zwischen den Zeilen lautet: Jeder Einzelne wird ab sofort rennen müssen, wenn er nicht will, dass die Partei auf Platz drei hinter SPÖ und FPÖ zu liegen kommt. Oder noch schlimmer: in der Opposition.
Dass Rauch damit den Wahlkampf eröffnet hat, tat er auch um seiner selbst willen: Der 40-jährige Tiroler ist kein Friedensgeneralsekretär, kein Lobliedsinger auf die (ohnehin spärlich vorhandenen) Regierungserfolge. Er braucht das Match mit der Konkurrenz, die tägliche Herausforderung - und ja: auch das Schmutzige in der Politik. Dann funktioniert er am besten. Der Wahlkampf ist seine Zeit.

Viel von Ernst Strasser gelernt

Sein Geschäft hat der Kufsteiner, der Politikwissenschaften studiert hat, von einem Mann gelernt, der heute schlecht beleumundet ist: Innenminister Ernst Strasser machte ihn 2003 zum Pressesprecher. Rauch blieb, als Strasser ging, und diente auch unter Liese Prokop. Nach einem kurzen Gastspiel als Kommunikationschef der Bundes-ÖVP wechselte Rauch nach der Nationalratswahl 2006 wieder ins Innenministerium, diesmal als stellvertretender Sektionschef.
Über seine Zeit bei Strasser sagte Rauch später, dass er viel gelernt habe - die schmutzigen Aufträge habe Strasser jedoch anderen übergeben. Im Oktober 2007 holte ihn Landeshauptmann Herwig van Staa als Hauptgeschäftsführer der Tiroler Volkspartei nach Innsbruck zurück. Doch der schnelle Erfolg blieb aus: Bei der Landtagswahl im nächsten Jahr verlor die ÖVP die absolute Mehrheit. Nicht besser erging es Rauch im Tandem mit Van Staas Nachfolger Günther Platter: Bei den Gemeinderatswahlen 2010 ging die Volkspartei vieler ihrer einstigen Hochburgen, darunter Lienz, verlustig.

Im Frühjahr 2011 packte Rauch erneut die Koffer und übersiedelte nach Wien: Michael Spindelegger, neuer Parteichef und wie Rauch dem ÖAAB entstammend, hatte ihn gebeten, die Bundesgeschäftsführung zu übernehmen - vielleicht auch, weil der Tiroler so anders ist, als er selbst: eine Eisenfaust, wenn es darum geht, die ÖVP gegen Gegner zu verteidigen.

SPÖ-Politiker und Grüne werfen Rauch vor allem vor, mit den jüngsten Angriffen Stil, Rhetorik und Sprüche der FPÖ zu verwenden. In den Oppositionsparteien ätzt man zusätzlich über die Grenzen des Rauch'schen Intellekts. Derlei prallt an ihm ab, schon weil er solche Urteile gewohnt ist.
In seiner Heimatgemeinde Kufstein warnte Rauch schon einmal davor, dass der Ort ein Auffanglager für Ausländer werde. Bei den Grünen ortete er weltfremde Multikulti-Fantasien. Und im kleinen Kreis kritisierte Rauch immer wieder, dass sich die ÖVP zu sehr auf die Mitte konzentriere und rechts immer mehr an die FPÖ verliere. Dagegen kämpft er nun offenbar an.

Als Generalsekretär hatte er in den vergangenen Monaten kaum Zeit für inhaltliche Fragen: Er musste sich um die ständigen Korruptionsvorwürfe und die finanziellen Probleme der ÖVP kümmern. Rauch ordnete einen straffen Sparkurs in der Parteizentrale an und trennte sich von Mitarbeitern. Die Fibel ist - nach einer kleinen Welle von Spindelegger-Plakaten - das erste Lebenszeichen Rauchs. Ein kräftiges und typisches.

Zur Person

Hannes Rauch (40) ist seit April 2011 Generalsekretär der ÖVP. Davor war er unter anderem Pressesprecher der Innenminister Ernst Strasser und Liese Prokop, stellvertretender Sektionschef im Innenministerium, Geschäftsführer der Tiroler ÖVP und Landtagsabgeordneter. Er ist verheiratet und Vater zweier Töchter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2012)

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