Serbiens Wasserballer: „Holen auch so Gold“

(c) AP (Julio Cortez)
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Die Wasserballmannschaft von Serbien ist bei den Olympischen Spielen in London Mitfavorit für die Goldmedaille. Wären die einstigen Kollegen von Montenegro noch dabei, dann wären sie beinahe unschlagbar.

Als die Nummer elf lässig in Richtung Becken der Londoner Water-Polo-Arena trottete, jubelte die Halle. Andrija Prlainović sollte auch am Montag wieder Tore für die serbische Mannschaft werfen. Mit Rumänien trafen die Medaillenfavoriten auf einen nominell deutlich schwächeren Gegner. Der Torjäger ließ sich nichts anmerken, mimte den abgeklärten Athleten, der nur auf seinen Sport fokussiert ist. Aber nicht jeder auf der Tribüne war dem Mittelstürmer wohlgesinnt. „Verräter!“, brummte ein Journalist auf der Pressetribüne.

Andrija Prlainović ist einer der besten Wasserballspieler der Welt. Mit Serbien hat er in den letzten Jahren mit Welt- und Europameisterschaften fast alles gewonnen, was es zu holen gab. In London will die Nation erstmals auch olympisches Gold gewinnen, was seit dem Zerfall Jugoslawiens keinem der Nachfolgestaaten gelungen ist. Was Prlainović dabei zur streitbaren Person macht, ist seine Herkunft. Im kroatischen Dubrovnik wurde er 1987 geboren, damals noch als Teil Jugoslawiens. Als Kind und jugendlicher wuchs er im montenegrinischen Herceg Novi auf, und nachdem sich Montenegro vor sechs Jahren für unabhängig erklärt hatte, beschloss Prlainović, für Serbien zu spielen.

Ein Aufreger

„Das ist lange her“, sagt Prlainović nach dem gewonnenen Spiel etwas apologetisch. „Es ist doch meine Entscheidung, oder?“ Noch 2005 war er als bester Nachwuchssportler Montenegros geehrt worden, in dem Land, in dem er mit dem Wasserballspielen begonnen hatte. Dort galt er als die große Hoffnung für die Zukunft. „Aber es gibt in Montenegro eben viele Menschen, die sich als Serben verstehen“, sagt Prlainović. „Ich weiß, dass sich viele Leute über meinen Beschluss aufregen. Aber ich kann es nicht jedem recht machen.“

Der Staat Serbien und Montenegro, für den Prlainović seine ersten Länderspiele bestritt, war erst 2003 nach dem Zerfall des Staatenbundes Jugoslawien entstanden und löste sich 2006 schon wieder auf. Bei einem Volksentscheid stimmte damals eine knappe Mehrheit der Montenegriner für die Unabhängigkeit, womit auch neue Sportverbände entstanden. Auf viele Spieler, von denen einige noch gemeinsam die olympische Silbermedaille 2004 in Athen gewonnen hatten, kam die Entscheidung zu, welche Nation sie fortan vertreten wollten. Da Wasserball in beiden Ländern eine beliebte Sportart mit vergleichsweise hohen Zuschauerzahlen ist, war die Diskussion unter der Bevölkerung entsprechend hitzig.

Aleksandar Radović, der Presseattaché des Montenegrinischen Olympischen Komitees, kennt die Querelen gut. Neben Prlainović wechselte auch der Verteidiger Dusan Mandic die Seiten. Mandic wurde in der montenegrinischen Handelsstadt Kotor geboren, ist aber heute Serbe. Der in Serbiens Hauptstadt Belgrad geborene Torwart Denis ?efik hingegen, der 2004 noch als bester Athlet von Serbien und Montenegro ausgezeichnet wurde, läuft heute für Montenegro auf. „Diese Spieler treffen die Entscheidungen ganz allein“, versucht Radović zu erklären. „Häufig weiß man nicht genau, warum sie sich wie entscheiden, aber die Leute müssen es einfach akzeptieren. Montenegro ist eben ein multinationales Land.“

„Sind alle noch Freunde“

Schon im ersten Gruppenspiel der Londoner Olympiade schlug die serbische Auswahl den Titelverteidiger aus Ungarn, der bei den letzten drei Malen noch Gold gewonnen hatte. Das einzige Spiel, das Serbien nicht gewinnen konnte, war die Partie gegen die alten Mannschaftskollegen aus Montenegro, die Ungarn ebenfalls besiegten. So sind sich Serben wie Montenegriner einig, dass das aktuelle Aufgebot an Spielern, wenn es noch gemeinsam anträte, kaum zu schlagen wäre. „Wir sind auch alle noch Freunde“, versichert der Serbe Filip Filipović. „Spiele gegen Montenegro sind immer besonders emotional, weil wir beide unbedingt gewinnen wollen. Aber wir hassen uns nicht, wir sind alte Kameraden.“

Die Spannung komme von außen, und nicht selten auch von der Tribüne. Ksenija Maoduš vom Serbischen Olympischen Komitee sieht die Trennung der Länder zumindest aus sportlicher Sicht gelassen. „Wir werden auch so Gold holen“, sagte sie nach dem Spiel erst lächelnd und machte dann mit ernstem Blick klar: „Das ist kein Scherz.“ Schließlich habe man Andrija Prlainović in seinen Reihen. Beim lockeren 12:4-Sieg über Rumänien steuerte dieser wieder einmal drei Tore bei.

Auf einen Blick

Im Viertelfinale treffen die Serben heute auf Australien, Kroatien spielt gegen die USA. Zum Prestigekampf kommt es zwischen Olympiasieger Ungarn und Weltmeister Italien. Zudem spielt Spanien gegen den EM-Zweiten Montenegro. Gastgeber Großbritannien blieb sieglos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.08.2012)

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