Aufstieg der Kopfhörer: Höret die Signale!

Hoeret Signale
Hoeret Signale(c) Dapd (Michael Gottschalk)
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Vom schlichten Zubehör haben sich Kopfhörer zum Lifestyle-Accessoire gemausert. Gleichzeitig sollen sie auch unterwegs HiFi-Ansprüchen genügen.

Mit dem heute auch in Österreich ausgelieferten iPhone 5 geht eine Ära zu Ende: Die der mittelmäßigen Kopfhörer, die bis dato im Lieferumfang von iPhone und iPod enthalten waren. Abgesehen vom iPod Shuffle bekommen die i-Devices der jüngsten Generation den „EarPod“ spendiert, einen nach Vermessung tausender Ohren gestalteten In-Ear-Kopfhörer, der gleichzeitig Freisprecheinrichtung (für iPhones) ist und im Vergleich mit dem alten Modell besseren Klang mit deutlich mehr Bass verspricht. Besitzer älterer iPhones können den EarPod um 30 Euro separat kaufen.

Preislich ist das Apple-Zubehör damit eher am unteren Ende der schier unübersehbaren Flut an Kopfhörern angesiedelt. In der absoluten Oberliga gibt es ebenfalls ein neues, und zwar auch ein In-Ear-Modell: Der im Frühjahr angekündigte Sennheiser IE 800, der mit sagenhaftem Frequenzgang bis 46.500 Hz aufhorchen ließ, soll demnächst in den Handel kommen – um 700 Euro. Für sportliche Nutzer bringt Bose mit dem SIE2 und dem SIE2i mit im Kabel integrierten Mikrofon und Fernbedienung seine ersten In-Ear-Kopfhörer auf den Markt. Die wasserfesten Modelle kosten 120 beziehungsweise 150 Euro.

HiFi-Kopfhörer für unterwegs

Das dezente In-Ear-Konzept ist zwar für unterwegs naheliegend, doch längst werden die Kopfhörer nicht mehr schamvoll versteckt. Der Siegeszug von iPod und iPhone, und im Fahrwasser die unzähligen Smartphones anderer Hersteller – die ebenfalls kaum adäquate Kopfhörer beigepackt haben –, hat nicht nur das Interesse an höherwertigen Modellen geschürt, sondern ihnen auch einen neuen Stellenwert als Lifestyle-Accessoire beschert. Das schlägt sich laut GfK auch in Zuwachsraten von 26 Prozent für Kopfhörer mit Bügel nieder. Auffällig bei den Neuvorstellungen: Selbst so mancher klassische HiFi-Kopfhörer, der vom Design her eher ins Wohnzimmer als auf die Straße passt, ist mit Freisprecheinrichtung für das Zusammenspiel mit Smartphones gerüstet. Das gilt etwa für den AKG K551, der für unterwegs passive „Noise Reduction“ – besser gesagt besonders abschirmende Ohrmuscheln – besitzt.

Auch Beyerdynamic setzt beim Custom One pro auf passive Geräuschunterdrückung, deren Effektivität reguliert werden kann, und zwar gekoppelt mit dem Bass. Dieser ist mittels Schiebemechanismus, der am Ohrhörer Öffnungen freilegt, an die individuellen Wünsche des Trägers und die Musik anpassbar. Nicht nur der Klang des Custom One ist individualisierbar, auch das Design. Für rund zehn Euro können Inlays für die Kopfhörermuscheln online bestellt werden. Es stehen diverse Motive und Materialien zur Verfügung, in Zukunft soll auch der Upload eigener Motive möglich sein. Und last but not least ist der Custom One auch bezüglich des Einsatzzwecks flexibel: Statt des gewöhnlichen Audiokabels kann optional eines mit integrierter Freisprecheinrichtung angestöpselt werden.

Der Boom – mittlerweile werden mit Kopfhörern höhere Umsätze gemacht als mit Lautsprechern – lockt auch neue Mitspieler. So haben im Sommer sowohl Lautsprecherhersteller Focal als auch das für seine Plattenspieler bekannte Unternehmen Pro-Ject ihre ersten Kopfhörer auf den Markt gebracht. Auch Zubehörspezialist Logitech präsentierte auf der IFA in Berlin seine ersten HiFi-Kopfhörer, die im Hands-on auf der Messe recht überzeugend klangen. Die Palette reicht vom kabelgebundenen Einsteigermodell bis hin zu den kabellosen UE6000/9000 mit Nose Cancelling. Die Preise liegen zwischen 100 und 350 Euro. Zudem wird das Sortiment an In-Ear-Modellen nach oben erweitert. Der 400 Euro teure UE900 beherbergt gleich vier Minilautsprecher für verschiedene Frequenzbereiche.

Mit besonders viel Technik will der Zik von Parrot punkten. Der Bluetooth-Spezialist hat sich wieder einmal mit Designer Philippe Stark zusammengetan und einen kabellosen Kopfhörer inklusive Freisprecheinrichtung und Noise Cancelling kreiert. Der Klang, der auch in den Grundeinstellungen einen guten Eindruck macht, kann per App angepasst werden, und als besonderer Clou lässt sich die Lautstärke durch Berührung an der Kopfhörermuschel regeln. Der Preis für die Kombination aus Design und Technik: rund 350 Euro.

Musiker als Markennamen

Ebenfalls mit auffälligem Design und klingendem Namen will House of Marley auf sich aufmerksam machen. Die Produkte sind laut eigenen Angaben ganz im Geiste der Reggae-Ikone konzipiert, was sich nicht nur im Klang, sondern auch in den verwendeten Materialen wie Leder, Holz (mit Nachhaltigkeitszertifikat) und Metall niederschlagen soll. Abseits der Philosophie stechen die Kopfhörer durch Handmade-Touch mit wertiger Verarbeitung hervor. Die Palette umfasst Modelle aller Bauarten und Preisklassen, das Flaggschiff Destiny versprüht mit stoffüberzogenem Kabel Retro-Touch, hat aber auch (ausschaltbares) Noise Cancelling an Bord.

Auch aktuelle Musiker dienen als Vehikel für Kopfhörer. Nach Dr. Dre mit seinen allgegenwärtigen „Beats“-Modellen vermarktet Rapper-Kollege 50 Cent mit SMS-Audio eigene Kopfhörer, darunter ein Bluetooth-Modell um 400 Euro.

Selbstverständlich haben auch alteingesessene Unterhaltungselektronik-Größen wie Pioneer, Sony oder Philips ein breites Angebot an Kopfhörern im Sortiment. Philips etwa hat seine Fidelio-Reihe mit dem X1 nach oben erweitert und bringt in Kooperation mit O'Neil den „Crush“ heraus. Der 400 Euro teure, ohrumschließende Bügelkopfhörer ist besonders robust gebaut und liefert daher auch beim Snowboarden den passenden Soundtrack.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2012)

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