Caren Ohrhallinger Roland Gruber Peter Nageler

Caren Ohrhallinger Roland Gruber
Caren Ohrhallinger Roland Gruber
  • Drucken

Nonconform: Architekten bringen den Menschen neue Möglichkeiten der Partizipation sprichwörtlich näher.

Zu allem eine Meinung zu haben, das ist gar nicht so leicht. Bei Architektur, Bauprojekten und Stadtentwicklung tun sich viele leichter. Schließlich kann man sich recht schnell betroffen fühlen, von visuellen und anderen Effekten. Nur wohin mit der Meinung? Am Stammtisch schimpfen? Nur kurzfristige Erleichterung. In sich hineinärgern? Auch keine Lösung, sagt der Arzt. Gesprächsstoff gibt es zuhauf, nur Möglichkeiten mitzureden kaum. Das weiß auch Architekt Roland Gruber, der selbst gerne kompetent und regelmäßig den Mund aufmacht, wenn es um Architektur geht. Aber noch wichtiger: Auch das professionelle Zuhören bei Planungsprozessen hat er systematisch intensiviert. Gemeinsam mit seinen Partnern von „Nonconform. Architektur Vor Ort“, Peter Nageler und Caren Ohrhallinger. Zusammen entwickelten sie ein Format, das Partizipationsprozesse sinnvoll innerhalb dreier Tage auf den Punkt bringt. Ein Modell, das Gruber „leichtgängig, aber trotzdem intensiv und inhaltsorientiert“ nennt – die „Vor Ort Ideenwerkstatt“.

Live und eben vor Ort zeigen Nonconform, dass Architekten viel mehr sprechen lassen können als bloß ihre Entwürfe und ihre eigenen Vorstellungen: Alle Betroffenen und Beteiligten füllen dabei ein riesiges Sammelbecken. Was einfließt sind Anregungen, Einwände, Meinungen, Erfahrungen. Und die strömen wiederum über ganz unterschiedliche Kanäle, aus verschiedenen Quellen ein. Das kann der Bürgermeister sein, der Vereinsobmann, der Manager. Oder natürlich auch der einfache Bürger, der vorbeikommt und seine Meinung und seinen Input einfach so mal dalässt.

Das Modell wurde bereits vielfach in kleineren Gemeinden erprobt. So erfolgreich, dass es kürzlich auch in Innsbruck antreten durfte. Bei der Nachnutzung des Rotundenareals galt es ebenso Interessen, Meinungen und Bedürfnisse auszubalancieren. „Dass das jetzt auch in der Dimension einer Stadt funktioniert, ist irgendwie der Kick“, schwärmt Gruber. Plötzlich werden die Bürger zu relevanten Mitentwicklern: „Wir haben mit ihnen gemeinsam Ideen und Kriterien erarbeitet.“ Dazu öffneten die Architekten sieben Beteiligungskanäle. Die klassische Abendveranstaltung samt vollgekritzeltem Flipchart war natürlich auch darunter. „Manche kann man eben nur so erreichen“, sagt Gruber. Andere wiederum finden leichter Zugang über ein ganz anderes Portal, das Internet. Vor allem die Jüngeren. Nonconform haben dafür ein Onlinespiel kreiert, das zur Beteiligung animiert und motiviert. Drei Tage lang lief der Prozess, der dramaturgisch auf eine Schlussveranstaltung hinauslief, die bereits erste Ergebnisse und Aussichten präsentieren konnte. „Das Modell zeigt, dass Bürgerbeteiligung auch kurzweilig und spannend und gar nicht schwerfällig sein kann“, meint Gruber.

Alle drei Partner von Nonconform stammen aus kleineren Gemeinden. Und genau in diesem Umfeld hat sich das Modell zunächst etabliert. Bei einem Wettbewerb für die Ortskerngestaltung der Stadt Haag, öffnete sich die „Vor Ort Ideenwerkstatt“ zum ersten Mal für die Meinung anderer. Danach wurde emsig am System gefeilt, parallel zum architektonischen Tagesgeschäft. Bildungscampus Moosburg, Ortszentrum Wildschönau, Bundesschulzentrum Traun, Dorfplatz Zeilern, Masterplan Innenstadt Traismauer – überall, wo das Architekturbüro anrückte, verfeinerte sie das System. Und irgendwann kam der Schritt, auch den digitalen Kanal aufzuschließen. Gruber studierte auch Kulturmanagement und meint: „Ohne dieses Studium hätten wir das wahrscheinlich nicht gemacht.“ So fahren Nonconform mit ihrem Partizipationsmodell weiterhin dort erfolgreich vor, wo etwas passieren soll, bevor etwas passiert. Auch bei Projekten, bei denen sich Meinungen und Interessen scheinbar hoffnungslos ineinander verkeilt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2012)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.