Ein riesiges Mikroskop für kleine Proteine

Die Röntgenstruktur-Gruppe des IBN wurde am Institut für Anorganische Chemie der TU Graz herzlich aufgenommen.

„Wir nutzen große Maschinen, um ,kleine‘ Wissenschaft zu betreiben“, sagt Heinz Amenitsch, der nun mit seinem Team am Institut für Anorganische Chemie der TU Graz eine neue Heimat findet. Das Institut für Biophysik und Nanosystemforschung der ÖAW wurde ja 1968 als „Institut für Röntgen-Strukturforschung“ in Graz gegründet und blieb der Röntgentechnologie seither treu: Denn die kurzwelligen Strahlen sollen helfen, kleinste Strukturen sichtbar zu machen, die mit anderen Mikroskopen und Scannern verborgen bleiben.

„Seit 1992 kooperieren wir mit dem Synchrotron Elettra in Triest“, erklärt Amenitsch. Das ist ein Elektronenbeschleuniger und -speicherring mit 254 Metern Umfang. „Wir nutzen hier genau jene Strahlung, die beim CERN als Abfallprodukt anfällt, um neue Strukturen zu untersuchen“, erläutert der Forscher.

„Röntgen-Kleinwinkel-Technologie“ nennt sich diese Art eines Mikroskops, die in Graz von Otto Kratky miterfunden wurde. Damit können einzelne Proteine, pharmazeutische Produkte, menschliche Arterien u.v.m. bis ins kleinste Detail erfasst werden. „Erst wenn man die komplexen Systeme der Natur durchblickt, kann man aus der Struktur etwas über ihre Funktion lernen“, sagt Amenitsch. Er betreut seit 1996 das 35 Meter lange Kleinwinkel-Experiment am Elettra und fährt dazu wöchentlich nach Triest: Vier seiner Mitarbeiter sind dort stationiert, vier arbeiten in Graz.

„Im Vergleich zum normalen Röntgen beim Arzt ist dieser an Brillanz, Lichtstärke, zeitlicher und örtlicher Auflösung um so viel besser wie ein Laser im Vergleich zu einer Kerze.“ Mit diesem Strahl kann man erkennen, wie antibiotische Eiweißmoleküle an Zellmembranen ansetzen bzw. Löcher in die Bakterienoberfläche „hämmern“ (siehe Artikel links). Doch auch unbelebtes Material wird hier erforscht: Zum Beispiel, wie Materialien mit nanometerkleinen Poren entstehen, in denen pharmazeutische Substanzen transportiert werden können. VERS

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.10.2012)

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