Vor 90 Jahren: Schwarzhemden marschieren nach Rom

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Jahren Marsch(c) EPA (ANSA)
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Am 27. Oktober 1922 begannen die Faschisten ihren Marsch in die "Ewige Stadt". Drei Tage später war die Machtübernahme des "Duce" vollzogen.

„Entweder sie geben uns die Regierung oder wir nehmen sie uns", mit diesen Worten schwor Benito Mussolini seine Anhänger auf seinen Plan ein, Italien unter seine Kontrolle zu bringen. Am 27. Oktober marschierten zehntausende Männer Richtung Rom. Sollte die dortige Regierung ihre Herrschaft nicht abgeben, hatten sie den Auftrag, das Parlament in ein Feldlager zu verwandeln. Die Drohung zeigte Wirkung: Am 31. Oktober wurde der „Duce" zum Regierungschef ernannt, die Basis für seine faschistische Herrschaft war gelegt.

Vorgeschichte: Ein „verstümmelter Sieg"

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg herrschte in der italienischen Bevölkerung Unmut über den Ausgang der Friedensgespräche - Italiens Interessen seien untergraben worden, hieß es. Das Schlagwort des „verstümmelten Sieges" verbreitete sich. Ermutigt durch den Sieg der russischen Oktoberrevolution von 1917, erhoben sich zahlreiche Land- und Industriearbeiter, enteigneten Grundbesitzer und besetzten Fabriken. Auf der Gegenseite versuchten rechte Terrorgruppen (Squadristi) der Linken diese Ziele zu verwehren.

Benito Mussolini nutze die Gunst der Stunde. Er publizierte radikale Beiträge und machte sich einen Namen als „Kriegstreiber". 1919 gelang es ihm, die Squadristi zu „Kampfbünden" (wegen ihrer schwarzen Uniformhemden auch „Schwarzhemden" genannt) zusammenzufassen. Von nun an drangen faschistische Stoßtrupps in immer mehr Städte ein, mit Überfällen auf Gewerkschaften, Kommunisten und Sozialisten sicherten sie ihre Vormachtstellung. Als Mussolini 1921 die „Nationale Faschistische Partei" (PNF) gründete, hatte er bereits mehrere zehntausend Mann auf seiner Seite.

„Stellen Sie Armee nicht auf die Probe"

Im Oktober 1922 versammelte Mussolini die Kräfte des Squadrismus und kündigte den „Marsch auf Rom" seiner Anhänger an. Sollten keine Neuwahlen stattfinden, würden seine Anhänger Rom mit Gewalt einnehmen. Italienische Militärs baten Ministerpräsident Luigi Facta daraufhin, den Notstand auszurufen, doch Facta weigerte sich. Erst in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober, als sich bereits tausende Schwarzhemden zum Marsch bereitstellten, berief Facta das Kabinett ein.

Ein Notstandsdekret wurde aufgesetzt und König Viktor Emanuel III. vorgelegt. Der unentschlossene Regent forderte eine Einschätzung von Marschall Armando Diaz. Dieser soll ihm geraten haben: „Majestät, die Armee wird ihre Pflicht tun, aber es wäre besser, sie nicht auf die Probe zu stellen." Der Monarch verweigerte daraufhin die Unterschrift des Dekretes und entschied, Mussolini zum neuen Ministerpräsidenten zu ernennen.

Im Schlafwagen zur Machtübernahme

Von den Plänen des Königs unterrichtet, bestieg der „Duce" am Abend des 29. Oktober einen Nachtzug und erreichte am 30. Oktober Rom. Im Schwarzhemd trat er vor den König: „Majestät, ich komme vom Schlachtfeld." Tatsächlich existierte aber gar kein „Schlachtfeld". Auch die propagierten 300.000 Kämpfer entsprachen nicht den Fakten. Stattdessen fanden sich zwischen 50.000 und 70.000 schlecht bis gar nicht bewaffnete Männer vor der Stadt.

Der Coup war aufgegangen, ohne dass ein gewaltsamer Marsch stattgefunden hatte. Laut Meinung vieler Historiker, wäre ein solcher auch nicht geglückt, denn die schlecht ernährten und noch schlechter ausgerüsteten Schwarzhemden hätten den italienischen Soldaten nicht standhalten können. So aber stellte Mussolini am 31. Oktober sein Kabinett vor. Bei den Wahlen zwei Jahre später erhielten die Faschisten 65 Prozent. Ab dem Jahr 1935 begann der „Duce" mit dem Aufbau einer totalitären Diktatur: Die PNF wurde zur Einheitspartei, regimekritische Zeitungen verboten, Gegner verfolgt und abgeschoben.

Zur Person

Benito Mussolini wurde am 29. Juli 1883 geboren. Ab 1901 war er als Grundschullehrer tätig und trat der Sozialistischen Partei Italiens bei. Nach einem Aufenthalt in der Schweiz absolvierte er seinen Militärdienst und fasst im Journalismus Fuß. 1915 heiratete er Rachele Guidi mit der er fünf Kinder hatte. Mit dem "Marsch auf Rom" gelang ihm 1922 die Machtübernahme in Italien. 1936 verkündete Mussolini die "Achse Berlin-Rom“ und gab damit einen Bündnisvertrag mit Adolf Hitler bekannt. Am 25. Juli 1943 wurde der "Duce" abgesetzt. 1945 nahmen ihn kommunistische Partisanen gefangen und erschossen ihn zusammen mit seiner Geliebten Clara Petacci. Ihre Leichen wurde kopfüber an einer Tankstelle aufgehängt.

(hell)

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