Nachhaltige Lösung für Athen bis nach der deutschen Bundeswahl vertagt

(c) AP (Petros Giannakouris)
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Ein Schuldenschnitt oder ein drittes Hilfspaket für Griechenland sind für die Regierung in Berlin derzeit nicht vorstellbar. Experten, IWF und EZB drängen jedoch auf neue, tief greifende Maßnahmen.

Wien/Brüssel. Wenn die Finanzminister der Eurozone am Dienstagabend zusammentreffen und nach Lösungen für das klaffende griechische Budgetloch suchen, dürfte das Ergebnis auch diesmal kein bahnbrechendes sein. Obwohl immer mehr Experten zu tief greifenden Schritten – sei es ein Forderungsverzicht der öffentlichen Gläubiger oder die Einigung auf ein drittes Hilfspaket – drängen, können sich die Politiker dazu weiter nicht durchringen.

Besonders Deutschland gefällt sich seit Beginn der Krise in der Rolle des Bremsers – und dieses Gebaren verstärkt sich umso mehr, je näher die Bundestagswahlen 2013 rücken. Bis zum kommenden Herbst, vermuten Beobachter, werden sich die Euroländer weiter nur in kleinen und vorsichtigen Schritten durch die Krise schummeln. Selbst Empfehlungen von oberster Stelle sind für Berlin tabu, wenn dadurch deutsche Steuergelder belastet würden.

So machte Bundesbank-Chef Jens Weidmann jüngst den Vorschlag, einen öffentlichen Schuldenschnitt zumindest für einen späteren Zeitpunkt als eine Art Belohnung für Athens Reformen in Betracht zu ziehen.

„Nach wie vor nicht vorstellbar“

Tatsächlich birgt ein Forderungsverzicht der öffentlichen Gläubiger großes Potenzial, Griechenland auf lange Sicht vor dem ständig drohenden Bankrott zu bewahren. Von den 300 Milliarden Euro an Staatsschulden werden mittlerweile 200 Milliarden von öffentlichen Gläubigern gehalten. Die privaten Kreditgeber haben bereits im März dieses Jahres auf über 100 Milliarden ihrer Forderungen verzichtet. Doch der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble, will von einem nächsten Schuldenschnitt nichts wissen. Dies sei „nach wie vor nicht vorstellbar“, ließ er über seine Sprecherin ausrichten – und zwar auch deshalb, weil das die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten nicht erlaube. Rückendeckung erhält Schäuble von Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) und von seinem Landsmann Klaus Regling, Chef des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM. Ein Forderungsverzicht sei nur „für extreme Ausnahmesituationen“.

Anders sieht das die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die auf eine langfristige Lösung in der Griechen-Tragödie drängt. Sie hält einen Schuldenschnitt für die einzige Möglichkeit, damit Athen seine Verschuldungsquote bis zum Jahr 2020 wie vereinbart auf 120Prozent drücken kann. Eine Vorgabe, die die Euroländer aber ohnehin gerne um zwei Jahre nach hinten verschieben würden.

Seit Längerem im Gespräch ist indes noch eine zweite Variante, wie Griechenland langfristig aus der Schuldenfalle geholt werden könnte: Nach den beiden Hilfspaketen von Mai 2010 und März 2012 könnte Athen von den internationalen Geldgebern aus EU, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) ein weiteres Programm gewährt werden. EZB-Direktor Jörg Asmussen bezeichnete diesen Schritt am Wochenende als unvermeidbar. Schäuble reagierte diplomatisch, aber bestimmt: Wenn Asmussen gemeint habe, es seien zusätzliche Mittel zur Schließung der kurzfristigen Finanzlücke nötig, habe er recht. Denn über eine Sache sind sich die Geldgeber einig: Griechenland für die Haushaltssanierung zwei Jahre mehr Zeit zu gewähren. Dadurch würde sich aber bis zum Jahr 2014 ein weiterer Fehlbetrag von 13,5 Milliarden Euro ergeben. Zumindest der Lösung der Frage, woher dieses Geld kommen soll, wollen sich die Finanzminister heute annehmen. Der positive jüngste Troika-Bericht soll ihnen zudem die Entscheidung über die Freigabe der nächsten Hilfstranche erleichtern – womit aber noch nicht sicher gerechnet wird. Gastkommentar Seite27

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.11.2012)

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