Alt gegen Jung: Wer stiehlt da wem die Butter vom Brot?

"Presse"-Leser fühlen sich durch Kommentare auf den Debattenseiten herausgefordert: viel Empörung, aber auch Applaus.

Die Beiträge von Kurt Kotrschal „Österreichs junge Leute in der Demografie- und Demokratiefalle“ (22.1.), Sibylle Hamann „Was für mich okay war, wird den Jüngeren auch nicht schaden“ (23.1.) und Peter Menasse „Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer? Dann zahlt auch die Zeche!“ (23.1.) zum Ergebnis der sonntägigen Volksbefragung haben einen Sturm an Leserreaktionen ausgelöst. Hier eine Auswahl:

Jung und Alt
waren einer Meinung

Da war wohl der Wunsch der Vater des Gedankens, als Peter Menasse seinen Kommentar „Pensionisten, ihr wollt das Zwangsheer?“ verfasste. Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Jung und Alt lassen sich beim Thema Wehrpflicht nicht auseinanderdividieren. Die Arge Wahlen kommt in einer umfangreichen Befragung (6000 Personen) zum Ergebnis: 55 Prozent der bis 30-Jährigen und 69 Prozent der Personen 60 plus haben für die Beibehaltung von Wehrpflicht und Zivildienst gestimmt.

Es stellt sich die Frage, ob der Journalist Menasse ein Prinzip des Journalismus – nämlich das der guten Recherche – vernachlässigt oder bewusst dagegen verstoßen hat. Beides lässt ihn in keinem guten Licht erscheinen.

In einer Demokratie entscheidet nun einmal die Mehrheit. Das weiß selbst das absolut regierte Wien. So prangt auf der Titelseite der jüngsten Ausgabe des stadteigenen Magazins „Wien at“ folgendes: „Direkte Demokratie ist Respekt vor einer anderen Meinung.“ Merk's Menasse!

LAbg. Ingrid Korosec, Vorsitzende
des Wiener Seniorenbundes

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Das Schönreden eigener Lebenserfahrungen

Ich danke für den ausgezeichneten Beitrag von Sibylle Hamann, der weit über das Thema „Wehrpflicht“ hinausgeht! Als Bibliothekarin lese ich die „Presse“ regelmäßig und schätze Hamanns Kolumnen sehr. Diesmal hat sie mir wirklich aus der Seele gesprochen – vor allem was das Schönreden eigener Lebenserfahrungen angeht. Als 59-Jährige zähle ich mich übrigens nicht zu den beharrenden Kräften und habe auch noch nie argumentiert: „Was für mich gut war, wird für dich ebenfalls gut genug sein.“

Dr. Madeleine Wolensky, 1020 Wien

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Was rechtfertigt

diese Hetzkampagne?

Da kriechen sie aus den Löchern. Wahre Demokraten, diese Gastkommentatoren und Querschreiber, Prof. Kurt Kotrschal, Peter Menasse und Sibylle Hamann. Weil ihnen das Ergebnis der Volksbefragung nicht passt, weil die „Kronen Zeitung“ und die SPÖ versagt haben, weil die Leute „einfach zu blöd“ sind, werden „die Alten“ beschimpft. Als jene, die den Jungen die Zukunft verbauen, ihnen die Butter vom Brot stehlen. Und das rechtfertigt diese Hetzkampagne? Nur weil die Linken (SPÖ und deren Vorfeldorganisation „Die Grünen“) an den Menschen vorbeiagieren; besserwisserisch, rechthaberisch. Übrigens, Frau Hamann: Kreisky fuhr 1970 nicht die Absolute ein; er bildete unter Duldung des SS-Obersturmführers Peter eine Minderheitsregierung. Ab 1971 war er Alleinherrscher.

Wie sagte doch Kreisky? Lernen Sie Geschichte! Bleibt die Frage: Mit wem müssen wir in der „Presse“ noch rechnen?

Klaus Brandhuber, 4600 Wels

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Das Ganze geht
doch ins Faschistoide

Unglaublich, wie bei dieser letzten Volksbefragung die Analyse angewendet wurde. Sofort mit der Hochrechnung kamen detaillierte Auflistungen, wer was gewählt hätte. Ja, es wurde gleich gar nicht im Konjunktiv gesprochen, sondern einfach gesagt, die „Alten“ seien schuld am Wahlausgang.

Erstens stellt sich die Frage, ob man das dermaßen hundertprozentig sagen kann – und zweitens, ob wir uns mit so einer Wahlanalyse einen großen Gefallen tun. Das Ganze geht doch ins Faschistoide. Der Einzelne bekommt das Gefühl, bei der Wahl nicht mehr geheim abstimmen zu können.

Was damit angerichtet werden kann, sieht man im Text des gescheiten Peter Menasse und in vielen anderen Reaktionen und Redaktionen. Freilich, das Schlechtmachen von Bevölkerungsteilen bzw. Berufsgruppen etc. hat bereits Tradition, man denke etwa nur an die Lehrerdebatte.

Mag. Manfred Palmberger,
3730 Eggenburg

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Volle Zustimmung

Ich kann dem Gastkommentar von Herrn Menasse nur voll und ganz zustimmen, wüsste aber noch eine zusätzliche Einsparungsmöglichkeit. Weg mit diesem Idio...verein, denn wer braucht heute noch ein Bundesheer? Zivile Katastrophen bewältigt sowieso größtenteils die Feuerwehr, und Rettungsfahrer können wir mit den jährlich eingesparten zwei Milliarden Euro massenhaft einstellen.

Walter Klausser, 3426 Muckendorf

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Alte bevorzugen im Zweifel das Bisherige

Es befremdet mich, dass „Die Presse“ als Qualitätszeitung einem derartig gehässigen Artikel überhaupt eine Plattform bietet. Peter Menasses Behauptung, dass „jede“ Meinungsumfrage zeige, dass die Alten den Jungen missgünstig gegenüberstehen, weil sie ihnen möglicherweise die Jugend neiden würden, ist völlig grotesk.

Menasse ignoriert zudem, dass auch gar nicht so wenige Junge für die Wehrpflicht gestimmt haben. Wie legt er deren Motive aus? Ein Motiv für das Abstimmungsverhalten der Alten war sicherlich, dass sie aufgrund ihrer langen Erfahrung nicht mehr so leicht auf Wahlkampfgags und Boulevardkampagnen hereinfallen und im Zweifel das Bisherige bevorzugen.

Dr. Heinz Baumgartner, 1160 Wien

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Erbärmliche Diskussion

Die Diskussion, die jetzt aufgrund des Ergebnisses der Volksbefragung losgetreten wird, ist erbärmlich. „Die Alten haben die Jungen zum Wehr- oder Zivildienst verpflichtet“, heißt es. Abgesehen davon, dass die Experten sich streiten, wie viele der Jungwähler überhaupt für den Wehrdienst gestimmt haben, könnte man ja auch behaupten, die Frauen, die nicht betroffen sind, haben die männliche Jugend zum Dienst an der Allgemeinheit verpflichtet.

Auch zum Thema Wehrpflicht ist einiges zu sagen. Von den Kritikern hört man kein Wort über Kindergartenpflicht, Schulpflicht, verpflichtende Gesamtschule oder Ganztagsschule. Wo bleibt hier die Wahlfreiheit?

Wolfgang Kropf, 4451 Garsten

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Versklavung? Das ist weit danebengegriffen

Die Heeresvolksbefragung wird von Herrn Kotrschal als unwürdiges Spiel mit der Demokratie gebrandmarkt. Das sieht ein großer Teil der Wähler so, auch die jungen. Aber von einer „demografisch-politischen Versklavung der Jungen“ zu sprechen, ist weit danebengegriffen. Den „offenen Bruch des Generationenvertrags“ verursacht nicht die alte Bevölkerung und auch nicht so direkt die Politik, sondern die Jugend selbst, weil sie zu bequem geworden ist, für ausreichend Nachwuchs zu sorgen.

Dass die Politik den Ausgleich zwischen den Generationen zu schaffen habe, ist eine zu billige Forderung, wohin soll diese führen – ohne Kinder? Herr Kotrschal macht ja auch selbst keinen konkreten Vorschlag dazu und versagt damit auch selbst „spektakulär“.

Dipl.-Ing. Gerhard Lutz, 6114 Kolsass

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.01.2013)

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