Architektur

Soll man Sechzigerjahre-Gebäude überhaupt noch renovieren?

Auf dem Gelände des Sportplatzes könnte die Schule neu errichtet werden – doch auch eine Sanierung des Gebäudes wird erwogen.
Auf dem Gelände des Sportplatzes könnte die Schule neu errichtet werden – doch auch eine Sanierung des Gebäudes wird erwogen.Christian Kühn
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Lieber günstiger neu bauen oder doch das bestehende Gebäude sanieren? Für die renovierungsbedürftige Mittelschule im steirischen Weiz gibt es zwei Optionen – noch ist nichts entschieden.

Die Bau-Scham geht um. Von der Architekturbiennale in Venedig bis zu den Einführungsseminaren an den Architekturschulen der Welt wird über die Frage diskutiert, ob man in fortgeschrittenen Industriegesellschaften noch neue Gebäude errichten darf. Vor ein paar Jahren wäre die Antwort der Mehrheit der Architekturszene ein klares Ja gewesen. Gerade wegen der drohenden Klimakatastrophe müsse man die neuesten Technologien nutzen und Häuser bauen, die praktisch keine Energie mehr verbrauchen oder sogar als Plus-Energie-Häuser einen Überschuss produzieren.

Inzwischen hat sich der Horizont dieser Debatte erweitert. Berücksichtigt man die graue Energie, die in die Produktion von Baumaterialien, in deren Transport auf die Baustelle und schließlich in die Kosten für Abbruch, Recycling und Endlagerung fließt, sieht die Bilanz düster aus. Klimaneutrales Bauen mit den Technologien der Industriegesellschaft ist langfristig so gut wie unmöglich. Allein die Zementherstellung erzeugt zwischen fünf und sieben Prozent der weltweiten CO2-Emissionen. Im besten Fall lässt sich der Zementeinsatz effizienter gestalten, durch intelligente Konstruktionen, etwa Schalentragwerke im mehrgeschoßigen Bauen, oder durch Wiederverwendung von Bauteilen. Die geringsten CO2-Emissionen erzeugt allerdings, wer nichts Neues baut, sondern einen Bestand adaptiert.

Angesichts beachtlicher Leerstände quer über alle Sektoren des Immobilienwesens liegt hier beachtliches Potenzial. Doch kann es sein, dass eine Sanierung höhere Kosten verursacht als Abbruch und Neubau. Eine konsequente und drastisch höhere CO2-Bepreisung für Baumaterialien könnte das ändern und die für den „Naturverbrauch“ ausgelagerten Kosten wieder in die Kalkulation hereinholen. Zumindest für die nächsten Jahre ist eine solche Entwicklung angesichts hoher Inflationsraten politisch nur schwer zu vermitteln, selbst wenn die CO2-Bepreisung aufkommensneutral angelegt ist. Umso wichtiger ist die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand im Umgang mit ihrer Bausubstanz, gerade in schwierigen Fällen, bei denen eine rein ökonomische Betrachtung eher gegen Erhaltung spricht.

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