Die Bibel

Die Genese des Buches Josua: KI hilft entschlüsseln

Altes Bibelfragment im Vatikan.
Altes Bibelfragment im Vatikan.APA / Vatican Library
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Wenn sich Bibel- und Computerwissenschaften zusammentun, entsteht ein Online-Tool, das die Zusammenhänge zwischen verschiedenen Versionen und Übersetzungen zentraler Texte nachvollziehbarer macht.

Es war das Bild, mit dem die Uni Salzburg vor einiger Zeit aufgerufen hatte, sich mit Forschungsfragen am Projekt Digital Humanities zu beteiligen, das die Bibelwissenschaftlerin Kristin De Troyer inspiriert: Ein iPad, das sich zwischen mittelalterliche Handschriften in der Universitätsbibliothek schob, brachte sie auf eine Idee. Was, wenn es gelänge, die alten Bücher, mit denen sie und ihre Kollegen tagtäglich arbeiten, mit modernen digitalen Methoden für die Forschung zugänglich zu machen?

Herausgekommen ist ein Projekt, das verschiedene Übersetzungen des Buches Josua – eines zentralen Textes des Alten Testaments – mit künstlicher Intelligenz vergleicht. Es geht dabei um Text, Syntax (Satzbau) und Semantik (Bedeutung). „Die Algorithmen können uns beispielsweise zeigen, wo ein Bruch im Text ist und welche Dinge vermutlich zusammengehören“, nennt De Troyer eine Erleichterung bei der Arbeit mit alten Texten. Denn genau genommen gibt es nicht ein Buch Josua – wie bei anderen Büchern des Alten Testaments auch. „Wir wissen heute, dass es im zweiten Jahrhundert vor Christus zumindest zwei Versionen von Josua gab“, sagt die Wissenschaftlerin. Dazu kommen zahlreiche Übersetzungen des gesamten Textes sowie von Textstellen, von denen man nicht genau weiß, was als Vorlage für welche Sprache diente.

Versionen gegenüberstellen

Alle diese Versionen stellt man in der Grundlagenforschung normalerweise in Synopsen dar. Einzelne Passagen des Textes werden in Tabellen eingetragen und in den unterschiedlichen Sprachen und Versionen gegenübergestellt. Das ist die Basis für eine kritische Edition solch alter Handschriften. Doch das händische Zuordnen, Übertragen und Gegenüberstellen ist aufwendig und dauert sehr lang. Mitlernende Algorithmen würden diese Arbeit wesentlich schneller erledigen, nennt De Troyer als Vorteil. Die Salzburger Bibel- und Computerwissenschaftler entwickeln dabei ein Open-Access-Tool. Das heißt, dass die Ergebnisse auch für andere Forschungsprojekte frei zugänglich sind.

Texte, die Rätsel aufgeben

Das Buch Josua gibt der Bibelwissenschaft nach wie vor Rätsel auf. „Obwohl dieses Buch seit 2000 Jahren studiert wird, wissen wir bis heute nicht, welcher Text der Originaltext ist. Auch über die Beziehungen zwischen den verschiedenen Texten und Fragmenten ist wenig bekannt“, sagt De Troyer. Das Buch Josua handelt von der Einnahme des verheißenen Landes durch Israel. Auf Gottes Gebot hin durchquert das Volk Israel unter der Führung von Josua den Jordan, nimmt das Land Kanaan in Besitz und verteilt es schließlich unter den zwölf Stämmen Israels.

Das Buch ist in mehreren historischen Fassungen und Übersetzungen bekannt: hebräischen, griechischen und jenen Fragmente, die in den Qumran-Schriftrollen gefunden wurden. Die Abfolge der Geschehnisse variiert. So wird im hebräischen Text der Altar von den Israeliten nach der Eroberung von Jericho in Kapitel acht aufgerichtet, im griechischen Text findet die Altarerrichtung in einem früheren Kapitel – unmittelbar nach der Durchquerung des Jordan – statt. „Es sind solche Veränderungen, die die Forschung besonders interessieren“, erklärt De Troyer. Sie zeigen, dass die Texte im Alten und Neuen Testament nicht statisch waren, sondern für die jeweilige Zeit interpretiert wurden.

In Zahlen

24 Kapitel umfasst das Buch Josua, es ist das sechste Buch des Alten Testaments.

300 Jahre lang, vom 2. Jahrhundert vor Christi bis zum 1. Jahrhundert nach Christi, waren mindestens zwei Versionen des Buch Josua im Umlauf. Diese sind in den 1947 entdeckten Qumran-Handschriften (Schriftrollen vom Toten Meer) bezeugt.

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