Culture Clash

Österreich bei Frauengleichstellung abgestürzt!

Klar, eindeutig und völlig daneben. Österreich bei Frauengleichstellung abgestürzt! Oder: Trauen Sie keinem Index, an dem sie nicht selber herumgepfuscht haben.

Zu den Terribles Simplificateurs unserer Zeit gehören gut klingende Indizes, die nur so tun, als würden sie uns auf einen Blick ein klares Bild über die Fort- und Rückschritte der Welt und einzelner Länder ermöglichen. Ein verlässlicher Lieferant solcher Scheinerhellungen ist das Weltwirtschaftsforum in Davos. Jedes Jahr wurde dort etwa von Oxfam eine Studie präsentiert, die uns anhand der Milliardärsliste des „Forbes“-Magazins und grob geschätzter, für viele Länder gar nicht aktuell vorliegender Volkswirtschaftsdaten aufzeigen wollte, um wie viel Zehntelgrad genau die globale Arm-Reich-Schere gerade wieder weiter aufgegangen ist.

Ein anderes Beispiel ist der vom Weltwirtschaftsforum selbst erstellte Global Gender Gap Index. Die soeben erschienene 2023er-Ausgabe hat uns geschockt: Um 26 Plätze ist Österreich in diesem Gleichstellungsindex seit dem Vorjahr hinuntergerasselt, vom 21. auf den 47. Rang! Erleben wir gerade die Rückabwicklung der Emanzipation? Mitnichten. Es ist nur wieder so ein Index voller Seltsamkeiten. Zum Beispiel, dass das für das Ranking nicht unerhebliche Lohngefälle durch eine Meinungsumfrage unter Führungskräften ermittelt wird.

Was also hat die Gleichstellung der Frauen in Österreich so sehr verschlechtert? Von 14 Teilbereichen des Index tragen hauptsächlich drei dazu bei: erstens die im Beobachtungszeitraum von 76 auf 74 gesunkene Zahl von Frauen im Nationalrat, zweitens die geheimnisvolle Abnahme des Zeitausmaßes einer weiblichen Präsident- oder Kanzlerschaft in den vergangenen 50 Jahren von 2,18 auf 1,16 Jahre. Am meisten reißt uns aber der gesunkene Frauenanteil auf der Ministerbank in die Tiefe: weil die Ministerinnen Schramböck und Köstinger 2022 durch Männer ersetzt wurden. Dabei ist die Statistik ungenau; sie rechnet die Kanzleramtsministerinnen Raab und Edtstadler nicht ein (obwohl sie regulären Ministerrang haben; es waren z. B. auch Figl oder Kreisky als Außenminister Kanzleramtsminister).

Und es hilft auch nichts, dass gleichzeitig unser Frauenanteil bei „legislators, senior officials and managers“ angeblich von 32,80 auf 35,45 Prozent gestiegen ist – der Index bescheinigt uns ein Fiasko bei der Gleichstellung. Die Grünen meinen sogar, er gäbe „der Politik einen eindeutigen Handlungsauftrag“. Der ist wenigstens einfach: Wir müssen nur dem Weltwirtschaftsforum klarmachen, dass auch Kanzleramtsministerinnen richtige Ministerinnen sind, und als nächstes eine Bundespräsidentin wählen – und schon sind bei uns die Frauen wieder viel besser dran. Laut Index halt.

Zur Person

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

meinung@diepresse.com

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