175 Jahre „Die Presse“

Kaiser „von Gottes Gnaden“

Dezember 1848. „Die Presse“ beruhigte ihre Leser beim Thronantritt von Franz Joseph I.

Eines hatte 1848 gezeigt: Die kaiserliche Autorität war ein Gebilde aus dünnem und zerbrechlichem Glas, das jeden Augenblick zerspringen konnte. Franz Joseph, der Thronfolger, so jung er war, erkannte die Gefahr und schlief damals schlecht. Von Anfang an war er ängstlich darauf bedacht, die kaiserliche Autorität vor jedem Windhauch zu bewahren. Jedenfalls herrschten in Olmütz, dem Sitz des Hofes, am 2. Dezember 1848 nur Glück und Sonnenschein. Franz Joseph I. beugte vor seinem Vorgänger, Onkel Franz Ferdinand I., das Knie. Der wehrte den Dank ab: „Lass nur, es ist gern geschehen. Gott segne dich, bleib nur brav.“

Kaiser „von Gottes Gnaden“ wollte der Neue sein, kein „konstitutioneller Kaiser“. Auf die Hervorhebung seiner Herrscherwürde und gebührenden Abstand von den Beherrschten legte er also Wert. Abhängig zu sein von den Paragrafen einer Verfassung, von einem Reichstag oder gar von der Gunst des Volkes war schwer vorstellbar. „Wir Franz Joseph der Erste, von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich“ begann daher seine Erklärung zum Thronantritt, die „Die Presse“ am 5. Dezember 1848 abdruckte.

Das „alte Recht der Thronfolge“

Die Ausgabe vom 6. Dezember zeigt freilich, dass das Blatt der liberalen Bürger am Begriff Gottesgnadentum zu kiefeln hat. Sie beruhigt die Bürger: „Dieser Beisatz darf nach unserer Ansicht keine Besorgnis einflößen, er bezeichnet einzig und allein das unbestrittene, alte Recht der Thronfolge, welches kein Umsturz unterbrochen hat . . . ,Von Gottes Gnaden‘ bezeichnet nicht die absolute Macht. Wir haben eine Dynastie, deren Ansprüche die Ereignisse nicht geschwächt oder gebrochen haben, wir können in unserer Verfassung die Größe der Freiheit mit allen Bedingungen festen Bestehens verbinden, wir haben nicht nötig, die Bezeichnung ,von Gottes Gnaden‘ anzugreifen, weil sie den Charakter würdiger Vererbung in sich trägt.“

Nicht mehr? Man hatte am Hof zweifellos eine andere Vorstellung von der Souveränität eines Monarchen. Eine konstitutionelle Monarchie hätte vielleicht die Zukunftschancen Österreichs gefördert, dem Monarchen und seinen Paladinen musste sie freilich als Sünde wider das geheiligte monarchische Prinzip erscheinen. Am 7. März 1849 schickte man die Volksvertreter nach Hause, der Reichstag wurde aufgelöst. Hans Kudlich, der „Bauernbefreier“, schrieb: „Die Tyrannei des Metternich ist denn doch ein Kinderspiel gegen die Willkürherrschaft Franz Josephs und die Grausamkeit dieser Bach und Schwarzenberg“(Alexander Bach wurde 1849 Innenminister, Felix Fürst zu Schwarzenberg war ab November 1848 Ministerpräsident).

Totengräber der Revolution

1849 umgab sich der Neoabsolutismus noch mit einem konstitutionellen Mäntelchen und demonstrierte so etwas wie Reformbereitschaft. Friedrich Engels brachte das auf die Formel, die Totengräber der Revolution würden notgedrungen auch zu ihren Testamentsvollstreckern. So gab sich die Reaktion nun modern, ein Teil der Reformer von 1848 wurde ins bürokratische System integriert.

Das Lager der 1848er teilte sich in die Karrieristen und die Schikanierten und Verfolgten. Es sah sehr nach Willkür aus, wenn manche je nach Laune für dieselben politischen Vergehen ganz unterschiedlich bestraft wurden. Wer wenn nicht Nestroy konnte das treffend formulieren: „Nach Revolutionen kann‘s kein richtiges Strafausmaß geben. Dem Gesetz zufolge verdienen so viele Hunderttausende den Tod – natürlich, das geht nicht; also wird halt einer auf lebenslänglich erschossen, der andere auf fünfzehn Jahre eing‘sperrt, der auf sechs Wochen, noch ein anderer kriegt a Medaille – und im Grund hab‘s alle das Nämliche getan.“ Das Zitat stammt aus dem Stück „Der alte Mann mit der jungen Frau“ von 1849, das zu seinen Lebzeiten aber auf keiner Bühne aufgeführt wurde.

Dass der neue Kaiser mit der Volkssouveränität nichts anfangen konnte, war bald mehr als klar geworden. Er löste im März 1849 den Reichstag auf und legte eine Verfassung in seinem Sinn vor. Zwei Jahre später war von der Teilhabe des Volkes an der Macht keine Rede mehr. Aus dem Reichstag wurde – nomen est omen – ein Reichsrat, dem erlaubt wurde, Krone und Regierung zu beraten. Nicht mehr. Die Grundrechte verloren an Gewicht, die richterliche Unabhängigkeit war nicht mehr garantiert, die Gewaltenteilung war kein Thema mehr. Man war wieder mitten im 18. Jahrhundert gelandet. Fast ein Jahrzehnt sollte sich der Neoabsolutismus halten. Dann machten ihm militärische Niederlagen ein Ende.

Jubiläum

Welche Zukunft haben Liberalismus und Meinungsfreiheit? Diese Frage stellte sich im Revolutionsjahr 1848, als „Die Presse“ erstmals erschien. Und sie stellt sich heute mehr denn je. In unserem Schwerpunkt zum Jubiläum blicken wir zurück und nach vorne.

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