Culture Clash

Chancen und Gleichheit

War die Bevorzugung Schwarzer und Hispanics bei der Vergabe begehrter US-Studienplätze gut – oder doch nur gut gemeint?

Für viele Liberals in den USA gilt sie als ein weiterer Verrat des konservativ dominierten Obersten Gerichtshofs an den progressiven Errungenschaften der 1970er-Jahre: die Einstufung der Affirmative Action, der Bevorzugung von Schwarzen und Hispanics bei der Aufnahme an Universitäten, als verfassungswidrig. Affirmative Action war eine massive Positivdiskriminierung: In einem von den „New York Times“ genannten Beispiel hat ein Schwarzer einen Vorsprung von 310 Punkten gegenüber einem gleich qualifizierten Weißen und 180 gegenüber einem Hispanic – bei maximal 1600 Punkten.

Nicht wenige Liberale sind aber auch Kritiker der Affirmative Action. Ihre Gründe reichen von der Feststellung, dass laut Verfassung ja tatsächlich niemand, auch kein Weißer oder Asiat, aufgrund seiner Rasse schlechter gestellt werden darf, bis hin zur These von Richard H. Sander und Stuart Taylor Jr. in ihrem viel beachteten Buch „Mismatch“: Das System schade gerade jenen, denen es helfen will – weil Studenten, die es trotz schlechterer Qualifikation dank ihrer Hautfarbe in eine Eliteuni geschafft haben, dort häufig scheitern. Ein von links immer wieder gebrachter Einwand ist auch: Bevorzugung nur nach Hautfarbe begünstigt reiche Schwarze auf Kosten aller sozial Schwachen. Wenn schon Bevorzugung, dann besser nach sozialen Kriterien – das würde ohnehin auch tendenziell (und verfassungskonform) Schwarzen und Hispanics helfen.

Für mich ist einer der interessantesten Langzeit-Kritiker aber der gerade 93 Jahre alt gewordene Konservative Thomas Sowell, in seiner Blütezeit der meistzitierte schwarze Ökonom der USA. In einer armen Familie ohne Eltern im Süden, dann in New York aufgewachsen, hat er mit 17 die Schule abgebrochen, sie nach dem Militärdienst nachgeholt und danach zuerst in Abendkursen und dann in Harvard, Columbia und Chicago studiert. Sowell hat sein Leben lang gegen die Opfermentalität gekämpft und gegen die Entwürdigung durch eine Haltung, die den Schwarzen signalisiert, dass sie es nur schaffen, wenn man es ihnen leichter macht: „Meine eigene Erfahrung als Lehrer war, dass schwarze Studenten hohen Anforderungen entsprachen, wenn man sich weigerte, für sie die Anforderungen herabzusetzen.“ Wenn die Höchstrichter die Universitäten tadeln: „Sie haben den falschen Schluss gezogen, dass der Prüfstein der Identität eines Individuums nicht die bestandenen Herausforderungen, die erworbenen Fähigkeiten oder die gewonnenen Erkenntnisse sind, sondern die Farbe ihrer Haut“, dann könnte dieser Satz auch von Sowell stammen.

Der Autor war stv. Chefredakteur der „Presse“ und ist nun Kommunikationschef der Erzdiözese Wien.

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