Hintergrund

Piqués Fußball-Revolution

Für seine ganz große Fußball-Show hat sich Gerard Piqué (r.) die Dienste von Legenden wie Andrea Pirlo gesichert.
Für seine ganz große Fußball-Show hat sich Gerard Piqué (r.) die Dienste von Legenden wie Andrea Pirlo gesichert. Getty
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Der frühere Barcelona-Star hat schon dem Tennis-Davis-Cup ein umstrittenes neues Format verpasst, nun fordert er mit der Kings League den „veralteten“ Profifußball heraus.

Barcelona/Wien. Der Fußball der Zukunft sieht für Gerard Piqué ganz anders aus. Mehr Show, mehr Action, viel weniger Spielzeit: Mit diesem Rezept seiner Kings League will der Ex-Profi des FC Barcelona den Kampf um Aufmerksamkeit und ein junges weltweites Publikum gewinnen.

„90 Minuten sind sehr lang. Man muss kurze, unterhaltsame Inhalte erstellen, denn heutzutage ist das Produkt Fußball selbst veraltet“, sagte der frühere Welt- und Europameister zu seinem Projekt, das abseits des klassischen Fußballs für Schlagzeilen sorgt und von seiner eigenen Agentur Kosmos, gegründet 2018 mit Kapital von Rakuten-CEO Hiroshi Mikitani, organisiert wird. 

Piqué selbst hat seine eigene Profikarriere vergangenen Herbst beendet. Zuvor hatte der 36-Jährige schon die Tenniswelt aufgemischt, als er mit seiner Agentur den Davis Cup übernahm, dem traditionellen Teambewerb ein zeitgemäßes, aber alles andere als unumstrittenes Format verpasste, und die Partnerschaft vom Weltverband ITF nach nur drei Finalturnieren wieder aufgekündigt wurde.

Anders als im Tennis versucht Piqué nun aber nicht mehr einen bestehenden Bewerb zu reformieren, er entwickelte einen gänzlich neuen Wettkampf. Was er im Fußball vorhabe, spiegle wider, was er selbst konsumieren würde, erklärte der einstige Barça-Star. „Eine Mischung aus Sport und Unterhaltung. Und die Leute mögen das.“ 

Immer nah am Geschehen

So verbindet das Konzept der Kings League den herkömmlichen Fußball mit Show-Elementen. Zwölf Mannschaften mit Ex-Stars, aktiven Fußballern, YouTubern und Streamern treten in zwei Hälften zu je 20 Minuten gegeneinander an. Gespielt wird auf einem Kleinfeld im Sieben-gegen-sieben-Format. Ein Unentschieden gibt es bei den Spielen nicht. Stattdessen Shoot­out: auf den Tormann zulaufen und versuchen zu treffen. Auch der klassische Anstoß wird ersetzt: Wer zuerst am Ball ist, darf ihn behalten. Action-Karten, die während des Spiels eingelöst werden können – etwa ein sofortiger Elfmeter oder für zwei Minuten ein Mann mehr auf dem Platz –, sorgen für zusätz­liche Spannung. Sponsoren wie Adidas oder Spotify sind mit an Bord.

Elf Spieltage duellierten sich die Teams in der ersten Saison sonntags rund sechs Stunden lang in einer Messehalle im Hafen von Barcelona. Iker Casillas, Sergio Agüero und ­Andrij Schewtschenko standen auf dem Platz. „In der Ligaphase ist die Kings League nicht auf eine gewisse Zuschauerzahl in einem Stadion oder einer Arena ausgerichtet. Die rund 300 Plätze in der Halle sind ausschließlich für Gäste der Mannschaften vorgesehen“, erklärt der deutsche Marketingexperte Mario Leo, der die Entwicklung im Fußball seit Jahren verfolgt. „Es geht vordergründig um das Erreichen der Zielgruppe in den Wohnzimmern.“ 

»Der Fußball benötigt Änderungen, neue Regeln. Auch die jungen Leute müssen sich wieder für diesen Sport interessieren.«

Gerard Piqué

Ex-Barça-Star

Dafür werden alle Spiele live im Internet gestreamt und kommentiert. Die Zuschauer sind dabei immer nah am Geschehen: In der Pause wird aus den Kabinen übertragen, die Schiedsrichter tragen kleine Kameras am Körper und erläutern hörbar ihre Entscheidungen. „Die Übertragungen werden sehr emotional, empathisch und euphorisch moderiert. Auch wenn gerade weniger im Spiel passiert, wird immer ein Spannungsbogen eingebaut“, sagt Vermarktungsfachmann Leo. Über zwei Milli­onen Menschen haben offiziellen Angaben zufolge die Spiele Ende Februar über die Kanäle Twitch, TikTok und YouTube verfolgt.

Doch auch außerhalb des Internets weckte die Kings League bereits in ihrer ersten Saison viel Interesse. Bei den Finalspielen im Camp Nou Ende März kamen über 90.000 vor allem junge Zuschauer in die Heimstätte des FC Barcelona. Da störte es auch nicht, dass Javier Tebas, der Präsident der spanischen Liga, die Kings League zuvor als Zirkus verspottet hatte.

Nach diesem Erfolg will die Liga nun expandieren. Mit den etablierten großen Ligen und dem großen Fußballinteresse sind Frankreich, England und Deutschland neben den spanischsprachigen Ländern weitere Zielgebiete.

Die VAR-Lösung?

Über radikale Ansätze wie größere Tore und eine Nettospielzeit wird längst auch in den europäischen Topligen nachgedacht. „Man muss über alles ergebnisoffen disku­tieren dürfen, damit mehr Attraktivität entsteht: größere Tore, größerer Strafraum, Spielzeit, fliegende Wechsel. Einfach alles einmal diskutieren“, sagte RB Leipzigs Sportvorstand, Max Eberl, unlängst im „Kicker“. Er plädierte dafür, unkonventionell zu denken, um junge Menschen weiterhin zu begeistern. 

Ein Problem, das die Fußballwelt seit Jahren beschäftigt, hat die Kings League für sich offenbar schon gelöst. Denn während in den traditionellen Ligen Woche für Woche über den Einsatz des Videoschiedsrichters diskutiert wird, greift dieser im Piqué-Spektakel nur auf Wunsch der Teams ein. Und die Entscheidungen der Schiedsrichter werden über das Mikrofon erklärt. (DPA/joe)

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