Sommer

Urlaub ist eine Zumutung

Kaum ein Wochenende vergeht ohne Sport oder Ausflug, dazwischen betreue ich meine Balkonpflanzen.
Kaum ein Wochenende vergeht ohne Sport oder Ausflug, dazwischen betreue ich meine Balkonpflanzen.Foto: Martin Parr/Picturedesk
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Weshalb sind all diese mühsamen Reisen, die mir so viel an Energie und Nerven abverlangen, trotzdem erholsam? Vermutlich liegt das gerade an den Strapazen. Die Probleme des Alltags lassen sich nur dann verlässlich wegschieben, wenn wir an ihre Stelle andere Probleme setzen.

Lange Zeit habe ich nicht verstanden, warum Menschen, die stressige Berufe und einen anstrengenden Alltag haben, in ihrem Urlaub auch noch die Strapazen aktiver Freizeitgestaltung auf sich nehmen, zum Beispiel jene einer Reise. Vor dem Wegfahren muss man recherchieren und organisieren, man muss planen und buchen, man muss den Koffer packen und dabei genau wissen, welches Wetter in den kommenden Tagen oder Wochen sein wird. Man muss vorausahnen können, auf welches Buch man Lust haben und in welcher Kleidung man sich wohlfühlen wird, und am Reisetag muss man schweres Gepäck schwitzend und keuchend von A nach B transportieren, Flug- oder Zugausfälle in Kauf nehmen, in der Not auf ungesunde und teure Snacks zurückgreifen, eine schwere Enttäuschung mit dem Hotel einkalkulieren und sich zwischendurch irgendwie zwanghaft entspannen. So gemütlich wie zu Hause auf dem Balkon hat man es auf Reisen selten. Die schöne Wohnung, die den eigenen Vorlieben entspricht, und in der man alles griffbereit hätte, was man braucht, lässt man traurig und einsam zurück, um sich unterwegs lauter Einschränkungen aufzuerlegen. Nach der Rückkehr interessiert sich niemand so wirklich für die Fotos, die man gerne herzeigen würde, und für die Geschichten, die man erlebt hat. Also warum tut man sich das an?

Wandern als Freizeitqual

Bereits in der Kindheit rätselte ich über dieses Phänomen. Ich war ungefähr sieben oder acht Jahre alt und saß bei einer Schulfreundin in der Küche. Wir tranken Orangensaft, und plötzlich sagte meine Freundin in einem drängelnden Ton zu ihrer Mutter: „Was machen wir am Wochenende?“ Ich horchte auf: was für eine eigenartige Frage! Die Mutter überlegte kurz und präsentierte dann irgendein Ausflugsziel oder einen Verwandtenbesuch, der zu absolvieren wäre, und meine Freundin nickte zufrieden. Es schien, als wäre sie beruhigt, am Wochenende irgendeine Art von „Termin“ zu haben.

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